men;als Universalreligionen(im Gegen satz zu den oben erwähnten Volksreli gionen) sehen Islam und Christentum von der naturhaften Volksbindung ab und wenden sich an alle Menschen, indem sie ihnen das Heil schlechthin anbieten.'® Indem sie so aus innerem Antrieb und echter Überzeugung vor die Menschen hintreten und sie zur Ent scheidung rufen, stehen sie auch unter einander in der Auseinandersetzung. Die Menschen selbst, denen sie den einen Gott -jedoch unter Berufung auf verschiedene, ja teilweise einander so gar ausschließende Offenbarungen - verkünden, stellen ihnen die Wahr heitsfrage. Und wenn jeweils die Über zeugung von der alleinigen Vollwahrheit der eigenen Religion vorhanden ist, so stellt sich dem Verkündigenden den noch die Frage nach dem Sinn der anderen Religion, den sie im Plane Got tes doch haben muß.'® Der Koran (10, 99) weist darauf mit den Worten hin; „Wenn dein Herr wollte, würden alle auf der Erde ohne Ausnahme gläubig wer den"... ...Einige Möglichkeiten iur den Ver such, jene Probleme zu lösen, die das enge Nebeneinander der Religionen auf gibt, kann man in folgenden Tatsachen sehen: 1. In der gemeinsamen Basis des Mo notheismus. 2. In der besonderen Gemeinsamkeit, daß Islam und Christentum Buchreligio nen sind. 3. In der Achtung der anderen Reli gion - ohne die eigene Überzeugung aufzugeben - als eines von Gott ermög lichten Wegeszum Ziel des Menschen." 4. In der Beachtung des - auch von den Christen anerkannten - Grundsat zes, den der Koran mit den Worten ausspricht: „Es darf keinen Zwang zum Glauben geben."(2,257). Diese wenigen Gedanken mögen die Position des Monotheismus heute cha rakterisieren. Sie sollten nicht auf die praktischen Wege beim gemeinsamen Handeln hinweisen, sondern nur die Voraussetzungen aufzeigen, die von einer echten Begegnung gefordert wer den. Die Beziehungen zwischen Islam und Christentum sind alt, wir müssen jedoch auch sagen, daß sie nicht immer freund lich waren. Aber vielleicht kann uns die Tatsache trösten, daß das Werk des christlichen Theologen Johannes von Damaskus in seinem Gesamtauibau eine stärkere Bindung an den islamischen Kalam als an die Systematik der Theolo gie des Westens zeigt.'® In diesem Sinn wäre es auch denkbar, daß gerade in der Argumentation gegen den Atheismus und zugunsten des Mo notheismus die Theologen voneinander lernen könnten; die Christen vom isla mischen Theologen die anschauliche, wirklichkeitsnahe Darstellung, die Mus lims die straffe logische Form in den Theologien der Christen.'® Wir müssen ferner gemeinsam aufder Hut sein, den Einheitsbestrebungen der heutigen Welt nicht so zu verfallen, daß wir zur religiösen Indifferenz kommen und damit dem liberalen Atheismus dienen, der alle Religionen für gleich hält und damit meint, daß sie gleich falsch seien. Aus dem Streben der Welt nach Einheit wird sich jedoch die Pflicht für die Verantwortlichen in den mono theistischen Religionen ergeben, das ge genseitige Verstehen und die Toleranzohne jede verwischende Gleichmacherei -zu fördern.'"' Diese Toleranz soll nicht nur bedeu ten, daß man sich nicht durch feindse lige Handlungen bekämpft, sie soll auch zu einer positiven Zusammenarbeit auf religiösem, sittlichem und insbesondere auf sozialem Gebiet fuhren. Es soll uns niemand den Vorwurf machen können, daß wir zwar die Würde der Geschöpfe verkünden, uns aber um die Schaffung der materiellen Voraussetzungen hiezu nicht kümmern.Aufdiese Weise werden wir dem Gegner den Wind aus den Segeln nehmen, und die oft durch Ar mut gedrückten Menschen werden dann nicht in Gefahr kommen,ihre Würde um den Preis vorübergehender materieller Besserstellung zu verkaufen, ihre Frei heit preiszugeben in der Hoffnung, sie zu gewinnen, und dann jene Enttäu schung zu erleben, die dem sicher ist, der den Menschen an die Stelle CJottes setzt. So können Christentum und Islam nicht nur in einer neuen, von der Ver gangenheit verschiedenen Weise einan der begegnen, sondern auch erstmalig zur Gemeinsamkeit gelangen, die in die ser so wichtigen Stunde der Menschheitsgeschichte alle jene anstre ben sollten, die im Bewußtsein der Hin ordnung aller Dinge auf Gott geeint sind.'® Anmerkungen: 'Abgedruckt in: „Forum"(Wien), Ju ni/Juli 1965, S.277-282(gekürzt). Gegen über dem Originalartikel wurde die Zäh lung der Fußnoten,dem Ausschnitt ent sprechend,geändert. Vgl. H. Schletta, Religionen, in; Handbuch Theologischer Grundbegriffe, München 1963,Bd.II, S.441. ® Manuskript von Prof. Köberl, Bibel institut, Rom. " S.G.F.Brandon, Man and his Destiny in the Great Religions, Manchester 1962,S.8. Brandon,op. cit.,S.7. ® Vgl. H. Fries, Religion, in: Handbuch Theologischer Grundbegriffe, München 1963,Bd.n,S.430. 'AI Ash'ari, Kital al Lume (Highlights of The Polemic against Deviators and Innovators, übers. Richard McCarthy SJ),Beyrouth 1953,S.7. ® Vgl. die negative Auffassung hinsicht lich der Annahme eines Urmonotheis mus bei George Galloway, Monotheism, in; Encyclopaedia Britannica, Bd. 19, 1960 und bei S.Tokarew,Monotheismus, in: Filosojskaja Enziklopedia, Bd.3, S.492, Moskau 1964 („Die Ergebnisse der modernen Wissenschaft widerlegen die falsche Theorie des Urmonotheis mus, welche die ursprüngliche Vereh rung des einen Gottes behauptet"). ® Diese Meinung scheint sich durchzu setzen. Vgl. W. Holsten, Monotheismus und Polytheismus, in; Die Religion in Geschichte und Gegenwart, Bd. IV, Sp.1110, Tübingen 1960(„Wie der Gang der Religionsgeschichte vom Monotheis mus zum Polytheismus von dem Dogma vom Urmonotheismus behauptet wird, so der umgekehrte Gang vom Evolu tionsdogma"). Selbst G.Mensching,Reli gion,in op. cit., Bd.V,Sp.968,Tübingen 1961: „...Keine geradlinige Entwick lung..." Vgl.Fries,op. cit., Bd.H,S428. '' Vgl.Schlette, op. cit., Bd.II, S.444. '® "Vgl.Schlette, op. cit., Bd.II, S.443. '® Vgl. Fries, op. cit., Bd.n,S.428: „Die Frage der Religion ist heute vielmehr insofern theologisch bedeutsam gewor den, als das Problem der Theologie der Religionen ausdrücklich gestellt wird und nach einer Antwort verlangt." "Vgl. Schlette, op. cit., Bd.II, S.449: „Man darf also die Reliponen als von dem einen Gott ermöglichte Wege zu dem einen Ziel des Menschen betrach ten, wenn man die heilsgeschichtliche bzw. gnadenhafte Einzigartigkeit der Offenbarung in Christus nicht abstrei tet." '® Vgl. Gardet-Anaiuati,op. cit., S.203. Gardet-Anawati, op. cit., S.207: „...des emprunts et perfectionnements reciproques d'outillage technique." '■ Vgl. Schlette, op. cit., Bd. II, S. 444. Vgl. Fries, op. cit., Bd. II, S. 441. Konservativ und progressiv - die Kirche ist beides Ansprache anläßlich des 150. Todestages des hl. Klemens Maria Hofbauer am 15. März 1970 im Dom zu St. Stephan. Es ist ein weiter Weg, den die Kirche von Wien in den 150 Jahren seit dem Tode des hl. Clemens Maria Hofbauer zurückgelegt hat. Es war nicht immer ein geradliniger Weg aufwärts. Es hat Rückschläge gegeben und immer wieder neue Anfange. Die Kirche hat aus bei den gelernt: aus dem, was sie getan, und aus dem, was sie versäumt hat, aus ihren Wegen und ihren menschlichen Umwegen. Sie hat in ihrer irdischen Gestalt, die sie ja auch ist - hineinge stellt in Zeit und Umwelt dieser Zeit und dieser Umwelt ihren Tribut gezollt: Sie hat Bindungen geschlossen und ge löst, sie hat viel Richtiges getan und hat sich manchem, was sie hätte tun sollen, versagt. Sie hat vieles gesehen und manches übersehen. Sie hat in ihrer menschlichen Gestalt den Weg des Vol kes in Glück und Unglück, in Irrtum, Schuld und Sühne begleitet. Die Kirche von Wien war immer zu gleich beides: Kirche des Volkes von Wien und Teil der Weltkirche. Sie war beides, vielleicht nicht immer in ausrei45
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