Wiener Diözesangeschichte 1960 - 1996

dende jüdische Tradition nicht in einen solchen Gegensatz zum Neuen Testa ment stellen, daß sie nur eine Religion der Gerechtigkeit, der Furcht und der Gesetzlichkeit zu enthalten scheint,son dern ein Anruf zur Liebe zu Gott imd zum Nächsten". Auf diesem Weg sind die Katholiken in Österreich,besonders auch hier in der Erzdiözese Wien, bereits ein schönes Stück vorwärtsgekommen. Manches Mißtrauen ist überwunden, manches Mißverständnis ausgeräumt, der Dialog findet statt, die wissenschaftliche Be schäftigung mit dem Judentum hat in Wien eines ihrer europäischen Zentren. Noch bleibt viel zu tun.Das Trauma der Vergangenheit ist nicht leicht zu ban nen. Aber die Liebe zu demselben Gott kann in der gemeinsamen Hoffnung vieles heilen. Anmerkung: Aus: Franz König, Der Mensch ist für die Zukunft angelegt. Analysen, Refle xionen, Stellungnahmen. Wien-Freiburg-Basel 1975,S.46-54(gekürzt). Monotheistische Religionen-eine Schick salsgemeinschaft Vortrag vor der Al-Azhar-Universität in Kairo,29.März1965^(Auszug) Ich betrachte es als besondere Aus zeichnung, an der Al-Azhar-Universität, dem anerkannten geistigen Mittelpunkt des Islams, vor Professoren und Studen ten über den Monotheismus in der heuti gen Welt sprechen zu können... ...Ich habe daher für ein so illustres Auditorium ein Thema gewählt, das sowohl für den Islam als auch für das Christentum von weitreichender Bedeu tung ist und aufein gemeinsames Anlie gen hinweist... ...Alle bisher erwähnten Religionsfor men waren sogenannte Volksreligionen. Ihnen ist die Überzeugung gemeinsam, daß das Verhältnis zur Gottheit an die Gemeinschaft eines bestimmten Volkes gebunden ist.^ Gemeinsam ist ihnen aber auch der Polytheismus. Wenngleich wir als Angehörige einer „Religion des Buches" dies negativ beurteilen müssen, SO sind die positiven Wertejener Religio nen doch nicht zu übersehen. „In allen Mythen wird sichtbar, daß der Mensch auch in der geschaffenen Welt dem Geheimnis begegnet. Er gelangt zu Be wunderung und Ehrfurcht und sieht, daß in der Materie,in der Pflanzen- und Tierwelt und erst recht im Menschen etwas ist, das der Mensch nicht hervor bringen kann.Im Polytheismus ist diese Ehrfurcht- wir dürfen es ruhig zugeben - groß; der Mensch sieht in Quelle, Baum und Gestirn etwas Göttliches; er verehrt den schlagenden Blitz, die seg nende und sengende Sonne, den heilen den und verwüstenden Wind,bleibt aber bei dieser ihn so beeindruckenden Viel heit stehen. Das große alles einende Prinzip kennt er nicht: er hat viele göttliche Dinge, die er Götter nennt, aber keinen Gott; dOTthin ist er bloß auf dem Weg."' Damit sind wir bereits an der Schwelle dessen angelangt, was wir Monotheismus nennen. Schon die Ge schichte der Religion läßt an ihren Wur zeln erkennen,daß es eine Überzeugung von der Existenz eines einzigen Gottes gab. Wie lassen sich nun die beiden Tatsachen vereinbaren; der Glaube an viele Götter in weiten Abschnitten der Religionsgeschichte einerseits, das sich aus vielen Hinweisen ergebende Vor handensein eines Urmonotheismus an derseits. Man wird die letzten Wurzeln menschlichen Nachdenkens über die eigene Existenz bloßlegen müssen, um diese Frage beantworten zu können. Zunächst sei wieder auf die archäolo gische Forschung verwiesen: „Daß der Mensch seine Toten sorgfaltig begrub, ist eine Tatsache von höchster Bedeu tung. Sie zeigt, daß Homo sapiens schon bei seinem ersten archäologisch faßba ren Auftreten sich von den höheren Säugetieren durch die Sorge für die toten Angehörigen seiner Gattung un terscheidet."' Dieser Sachverhalt läßt aber einen nicht zu übersehenden Schluß zu: „So gelangen wir notwendi gerweise zu der Meinung, daß der Mensch irgendwann in femer Vergan genheit die Bedeutung von Geburt und Tod erkannte und solcherart sich eine bestimmte Vorstellung seiner selbst und seines Schicksals in der Erfahrungswelt bildete."^ Der Mensch wird durch die Grenzsituation auf seinen Daseins- und Sinngrund hingelenkt. Das aber fuhrt ihn zur Erkenntnis und zur Anerken nung eines Grundes, der nicht in dieser Welt zu finden ist und den er deshalb als heilig und geheimnisvoll empfindet.® Diese Frage nach dem Grund der Dinge, die sich für jeden Menschen, wohl auch für den Primitiven, ergibt, findet eine befriedigende Antwort nur in der Annahme der Existenz des einen Gottes und Schöpfers, der selbst keinen Grund mehr hat. Die islamische Theolo gie bezeichnet diese Eigenschaft Gottes als „Qidam", und ein islamischer Theo loge hat auch eine sehr anschauliche Formulierung jenes Gedankenganges gefunden, der den Menschen auf Gott hinführt. AI Ash'ari sagt: „Ein Beispiel, das dies klarmacht, ist die Tatsache, daß Baumwolle sich nicht ohne Weber in Tuch verwandeln kann.'" Der Koran beschreibt die Situation, die den Menschen der Frühzeit zum Glauben an den einen Gott gefuhrt haben mag, mit den Ihnen bekannten Worten; ,,Wahrhaftig, in der Schöpfung des Himmels und der Erde,im Wechsel zwischen Nacht und Tag, in den Schif fen, die das Meer durcheilen, befl-achtet mit wertvollen Gütern, im Wasser, das Gott vom Himmel herniedersendet und durch das er die tote Erde belebt, in den Tieren, die er auf ihr in großer Menge hervorgebracht hat, im Wechsel der Winde und der Wolken, die zwischen Himmel und Erde in Fron gehalten werden, wahrhaftig,in alldem sind Wun derzeichen für denkende Menschen!"(2, 164 f.) Unsere heilige Schrift drückt den selben Sachverhalt ganz knapp mit den Worten aus: Gottes „ewige Macht und Göttlichkeit sind seit Erschaffung der Welt durch das Licht der Vernunft aus seinen Werken zu erkennen".(Rom. 1, 20) Der Ursprung des Eingottglaubens wird also wohl so zu beschreiben sein, daß die prinzipiell vorhandene Möglich keit, den einen Gott zu erkennen, des wegen bei vielen Menschen zum Poly theismus führte, weil ihnen die geistige Kraft und Fähigkeit fehlte,zum eigentli chen Monotheismus vorzustoßen.® Mo notheismus und Polytheismus hat es daher stets nebeneinander gegeben®, und der Monotheismus mußte sich, wie die Religionsgeschichte zeigt, stets müh sam seinen Weg bahnen... ...Wenn wir die gegenwärtige Welt betrachten, fällt uns sofort auf, daß der Monotheismus in praktisch wirksamer Form - abgesehen von der jüdischen Religion - nur von Christentum und Islam verkündet wird. Die meisten Men schen, die sich zu einem Gott bekennen, leben in diesen beiden Religionen. Auch ihr Verbreitungsraum ist der größte. In ihnen tritt der Eingottglaube in organi sierter, d.h. gesellschaftlich faßbarer Form auf. In diesem Zusammenhang sei nicht zuletzt darauf hingewiesen,daß die Reli gionen in der immer mehr eins werden den Welt einander näher kommen und einander begegnen. Dadurch ergeben sich neue Aufgaben, aber auch neue Probleme.Im Geist einer solchen Begeg nung wird man daher anders als früher das Gemeinsame sehen und zu verste hen trachten. Eine solche Begegnung wird dann in der rechten Weise erfolgen, wenn mit der eigenen Überzeugung der Respekt für den Standort und die Über zeugung des Anderen verbimden ist.'° Wir wollen deshalb prüfen, welche Möglichkeiten die beiden großen mono theistischen Religionen in dieser Bezie hung heute haben. Damit soll keine abschließende Feststellung gemacht werden, die schon lückenlos alles auf zählt, was es an Möglichkeiten gibt, vielmehr soll ein Anstoß zur weiteren Erkundung solcher Möglichkeiten gege ben werden. Gestatten Sie,daß ich von der christli chen Sicht ausgehe. Für uns ist es klar, daß - wenngleich wir die andere Reli gion nicht annehmen können - die Gnade Gottes auch im Bereich der nichtchristlichen Religionen wirksam werden kann. Der Satz „Außerhalb der Kirche wird keine Gnade verliehen" wurde verworfen. Wir wissen freilich, daß es noch an einer Theologie der Religionen fehlt." Aber die Entwick lung einer solchen ist wohl auch von der konkreten Begegnung abhängig. Eines aber muß den Vertretern der großen Religionen zu Bewußtsem kom 44

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