Wiener Diözesangeschichte 1960 - 1996

Ein besonderes Wort der Ermuti^ungr will ich heute noch all denen sagen, die unter dem Kreuz stehen. Denn viele Familien tragen heute an einem Kreuz, das sie nicht seiher verschxildet haben, sie tragen an schweren Lasten,die ihnen andere aufgebürdet haben.Ihr Kreuz ist in WirklichkeitSühne,die sie für andere leisten, wenn z.B. Eltern ein schwer behindertes Kind in Liebe annehmen. So viele Familien sind heute mithinein gerissen in den Strudel unserer Zeit. In der einen Familie sind die heranwach senden Kinder hineingeschlittert in das Abenteuer der Drogen und der Verfüh rung, in der anderen Familie ist ein Mann den zudringlichen Versuchungen und Verlockungen dieser Zeit erlegen. Eine dritte Familie hat sich anstecken lassen von der Scheidungsseuche; man che kennen Gott nicht mehr und haben nur standesamtlich geheiratet, weil sie an die lebendige Gegenwart Jesu Christi in ihrer Ehe nicht mehr glauben kön nen. Manche leben „wild" zusammen, ohne sich aneinander zu binden, weil sie in dieser Zeit der Verwirrung an die Möglichkeit einer dauerhaften Liebesbe ziehung nicht mehr zu glauben vermö gen. Manche haben sich scheiden lassen und wieder geheiratet aus den verschie densten Gründen und leben nxm in einem gewissen Zwiespalt mit der Kir che. Viele haben sich sogar von der mörderischen Seuche unseres Jahrhun derts infizieren lassen und ihre eigenen Kinder im Mutterleib getötet. Manche Familien sind durch diese kalte rationa listische und gehetzte Zeit so zerrissen, daß sie an ein echtes Familienleben nicht mehrzu glauben vermögen. All diese Menschen stehen unter dem Kreuz Christi. Denn er ist für alle ge storben. Er hat einen Bund mit den Menschen geschlossen, aber die Men schen haben diesen Bund mit ihm ge brochen. Sie sind seiner Liebe wider standen und ihre eigenen Wege gegan gen. Auch Christus leidet unter der Treulosigkeit, unter den verhärteten Herzen, unter der Gleichgültigkeit sei ner Braut, der Kirche, aber er bleibt ihr treu. Christus kennt keine Scheidung. Für seine Braut, die Menschheit, hat er sein Leben hingegeben. Wir Menschen können oft nicht unter scheiden, ob wir das Kreuz, das uns drückt, selbst verschuldet haben, oder ob es eine fremde Last ist, die wir für andere tragen. Aber eines wissen wir immer; Gottes Liebe bleibt uns treu, Gottes Liebe geht uns nach. Deswegen möchte ich alle Familien ermutigen, die unter dem Kreuz Christi stehen und die Not der Einsamkeit, der Zerrissenheit und der Zerbrochenheit erleiden. Ihnen allen möchte ich sagen: Glauben Sie an Gottes Liebe und ergreifen Sie diese, so gut es gelingt. Ihr Leid will Sie läutern, Ihr Kreuz ist das Kreuz Christi und will Sie segnen. Vielleicht hat Sie die Not schon zum tieferen Nachdenken ge bracht und Sie innerlicht geläutert. So gar die Schuld wurde für viele zur heilsamen Schuld, an der sie erschrokken sind und das eigene Ziel ihres Lebenserkannt haben. Sie alle, die ein selbstverschuldetes 38 oder unverschuldetes Kreuz tragen, möchte ich bitten: glauben Sie an Gottes Liebe, glauben Sie an Gottes Nähe, glauben Sie an das Kreuz Christi. Denn es will Sie zur Auferstehung führen,zur Erneuerung Ihres Lebens. Glauben Sie an die Kirche,zu der Sie gehören, auch wenn Sie in Schuld geraten sind. Die Kirche läßt Sie nie im Stich. Sie gehören zu jenem Leib Christi, in dem Sie für immer geborgen sein sollen, wenn Sie sich von der Liebe Christi ergreifen lassen. In unserer Zeit erleben die Men schen,was aus einer Welt ohne Gott und ohne Liebe wird. Wir erkennen heute, daß die Menschen nur überleben kön nen aus der Kraft des Glaubens und aus der Kraft der Liebe. Stärken Sie Ihre Familien, stärken Sie Ihren Glauben imd dadurch das Leben der Welt, denn Ihre Familie ist jene christliche Gemein schaft, der der Herr in besonderer Weise verheißen hat: Wo zwei oder drei in meinem Namen beisammen sind, da bin ich mitten unter ihnen. Diese heilende, segnende und stär kende Gegenwart Gottes in Ihrer Famiüe wünsche ich Ihnen allen. Es segne Sie dazu der allmächtige und barmher zige Gott, der Vater, der Sohn und der Heilige Geist. Wien,am Aschermittwoch 1977 Anmerkung: Aus: Wiener S.39-42. Franz Kardinal König Erzbischofvon Wien Diözesanblatt 1977, Am Vorabend des Konzils Wortlaut der Rundfunk- und Fernsehansprache von ErzbischofKardinal Dr.FranzKönig am Vorabend der Eröffnung desII. Vatikanischen Konzils(10. Oktober 1962). Morgen wird das n. Vatikanische Kon zil in feierlicher Weise eröffnet werden. Ich freue mich, am Vorabend dieses Ereignisses die Möglichkeit zu haben, einige kleine Erläuterungen dazu geben zu können. Sie werden es sich wahr scheinlich nicht entgehen lassen, durch den Österreichischen Rundfunk und das Fernsehen die Eröffnung des Konzils mitzuverfolgen. Vielleicht haben Sie an Ihrem Fernsehschirm eine bessere Zu schauertribüne als ich selbst, einer der vielen TeUnehmer, um den Zug der 2850 Konzilsväter, nach ihrem Rang geordnet als Äbte und Prälaten, Bischöfe und Erzbischöfe, Patriarchen und Kardinäle in den Dom von St. Peter einziehen zu sehen, die sich am Grabe des hl. Petrus versammeln werden, um durch viele Wochen hindurch gemeinsam mit dem Papst wichtige Fragen der Kirche zu beraten und entscheidende Beschlüsse zu fassen. Die Kirche ist eine göttliche Stiftung; in ihrer irdischen Gestalt ist sie verhaf tet der Zeit und der Umwelt, beide beeinflussend und von beiden beein flußt. In ihrer irdischen Gestalt ist die Kirche eine Institution, die ständig an sich arbeiten muß,die sich ständig refor mieren muß, um der Zeit und der Um welt in zweifacher Hinsicht zu begeg nen: Den Ungeist abzuwehren, die posi tiven Kräfte aufzunehmen und das Wort Gottes in sie hineinzusprechen. Die Kir che kann zu den Menschen des 20. Jahrhunderts nicht so reden wie zu den Menschen des 10. Jahrhunderts, zu den Naturvölkern Afrikas nicht so wie zu den Menschen asiatischer Hochkulturen. Alle aber haben den Wunsch und das Recht, von der Kirche in ihrer Sprache angesprochen zu werden. Jede 2feit er wartet sich eine Antwort von der Kir che, Antwort auf ihre Sorgen, Note und Probleme, eine Antwort aber auch bei ihren Entdeckungen in der Naturwissen schaft und Technik. Jede Zeit, auch die unsere, die ganz verstrickt in die ver gänglichen Dinge dieser Welt und Gott fern zu sein scheint,ruht in Gottes Hand und ist sein Werk. Vielleicht werden manche von Ihnen sagen, was geht mich dieses Konzil an. Was kann es mich interessieren, was dort geredet und beschlossen wird, ich habe andere Sorgen! Aber Sie wissen doch alle, die Welt wird immer kleiner, nicht nur räumlich, auch geistig kann sich niemand mehr von seinen Mitmenschen abschließen und sagen, seine Gedanken und Sorgen interessieren nruch nicht. Wir sind heute alle in einem Boot, das Schicksal eines jeden von uns wird mitbestimmt, wenn die Kräfte des Hasses und des Unfrie dens in der Welt stärker werden als die Gottes- und Nächstenliebe. Das Konzil möchte mithelfen, die Kräfte des Guten in der Welt zu stärken, möchte mithel fen, daß alle, die Chrsti Namen tragen und alle, die an Gott glauben, näher zusammenrücken,um dem Guten in der Weltzu dienen. Darf ich Ihnen nochmals kurz sagen, worum es bei diesem Konzil geht. Sie haben vielleicht am Sonntag das Bi schofswort von der Kanzel gehört oder davon in der Zeitung gelesen. Drei Ziele will sich dieses Konzil setzen. Es soll vorerst eine Besinnung der Kirche auf ihre Grundlagen und ihre Sendung sein. Mit dieser innerlichen Festigung der Kirche soll auch eine neue Basis für Gespräche mit getrennten Christen ge schaffen werden.Dieses Konzil bedeutet weiters eine Konfrontation der Kirche mit der heutigen Welt. Die Forderungen aus dem Glauben sollen auf unsere Zeit und unser Leben angewandt werden. Schließlich soll das Konzil eine gewal tige Friedenskimdgebung sein, eines Friedens, der bewaffnete Konflikte aus schließt, der aber auch im Herzen eine.«? jeden Menschen seine Wurzel haben muß. Das Konzil wird alles tun, um diesem Ziel näher zu kommen und alles vermei den, was den Weg zu diesem Ziel er schweren könnte. Im Vordergrund des

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