des verstorbenen Kardinals, dessen Ab schied von diesem Dom und seiner Stadt uns noch allen in so lebendiger Erinne rung ist. Ich wage es kaum, in die Fußstapfen dieses großen Mannes der Kirche, des österreichischen Volkes und der Stadt Wien zu treten. In diesen Tagen bin ich hinabgestiegen in die Gruft, um mir an seinem Sarge den Segen zu holen. Ich entbiete in Verehrung meinen Gruß dem Oberhaupt des österreichi schen Staates. Es wird auch in meinem neuen Amte mir eine Ehre sein, mich Bürger des österreichischen Staates nen nen zu können. Ich stehe nicht an zu erklären, daß ich jederzeit bereit bin, auch als Bischof dem Staate zu geben, was dem Staate gebührt.Die Kirche,der ich diene, erwartet vom Staat keine Privilegien und Vorteile, wohl aber das Recht, welches sie zu ihrer freien und unabhängigen Existenz im Staat benö tigt. Ich neige mich in Dankbarkeit vor dem bisherigen Kapitelvikar Erzbischof Dr. Jachym, vor seiner Leistung und seinen großen Taten im Verborgenen. Ich neige mich vor seiner Größe,die wir gerade in den vergangenen Wochen bewundern durften. Mein verehrungsvoller Gruß gilt der Bundesregierung mit dem Bundeskanz ler an der Spitze.Ich darfin dieser Ehre, die Sie durch Ihre Anwesenheit dem neuen Erzbischof erweisen, ein Zeichen dafür sehen, daß der österreichischen Staatsführung ein gutes und friedliches Einvernehmen mit der Kirche ein Anlie gen ist. Ich grüße in Verehrung die hochwür digsten Bischöfe, unter ihnen vor allem Bischof Memelauer von St. Pölten. Ich bitte Sie schon heute um Ihren Rat und Ihre Mithilfe in meinem neuen Amte, dessen Schwere und Verantwortung Sie am besten kennen. Mein verehrungsvoller Gruß gilt dem Dom- und Metropolitankapitel von St. Stephan, den Vertretern der katholi schen Fakultät, den akademischen Amts- und Würdenträgern. Ich be trachte es als eine Auszeichnung, hier hinweisen zu können, daß ich einige Jahre dem akademischen Lehrstand an gehört habe,in einer Zeit, in der man so aufTäliig Brücken schlägt zwischen Wis sen und Glauben.Es wird zu den beson deren Aufgaben des Bischofsamtes einer so ruhmreichen Universitäts- und Hoch schulstadt gehören, engen Kontakt zu halten mit der akademischen Lehr- und Forschertätigkeit. Ebenso mit der akade mischen Jugend, welche heute mehr als frühere Generationen die Grenzen des menschlichen Wissens erfährt und die großen Lebensfragen im Licht der Reli gion einzusehen lernt. Ich grüße in besonderer Verbunden heit die Mitbrüder im Priestertum, seien es Welt-, seien es Ordenspriester. Ihr tragt die Last und Hitze des Tages in der Seelsorgearbeit. Ich komme nicht als euer Herr, sondern als euer Mitbruder. Ich bin selber zehn Jahre Kaplan gewe sen und kenne die ermüdende Last der vielen Schulstunden, des langen Dienstes im Beichtstuhle, der Vorberei tung aufVorträge und Predigten und die Mühe der administrativen Verwaltung. Euch gilt in erster Linie mein Dienst im Bischofsamte. Meine lieben Mitbrüder, laßt uns alle eins sein, nicht in einer Person, sondern durch das Bischofsamt, das aufmeinen Schultern ebenso schwer lastet wie die Seelsorgearbeit auf euch. Laßt uns alle eins sein im Glauben an Jesus Christus, in der Liebe zur Kirche und im Dienste an ihr. Mit den Mitbrü dern in der Seelsorge grüße ich die geistlichen Frauen der verschiedenen Orden, die durch ihre Opferbereitschaft und Treue unsere Arbeit so überaus wirksam unterstützen. Ebenso herzlich grüße ich die Laien, welche mit uns mitarbeiten in der Katholischen Aktion imd in der Arbeitsgemeinschaft der Ka tholischen Verbände. Das Erwachen eines neuen Kirchenbewußtseins unter den katholischen Laien und ihre Mitar beit am hierarchischen Apostolat scheint mir eine Signatur unserer Zeit zu sein und, wenn nicht alles täuscht, auf das Erwachen eines neuen religiösen Früh lings hinzuweisen. Ich grüße unter ihnen vor allem die Mitarbeiter in den kirchlichen Ämtern, in der Männer- und Frauenbewegung sowie im Familienverband. Ich grüße vor allem die katholische Jugend,in der die Idee der Katholischen Aktion auf breiter Basis Fuß gefaßt hat. Mein Gruß gilt nicht zuletzt den Kran ken, die vom Krankenlager aus durch ihre Geduld und Opfer unsere Arbeit unterstützen. Wenn ich zum Schluß noch auf die großen Sorgen hinweisen darf, die ich mit meinem Amtsantritt übernehme,so muß ich allen voranstellen die Sorge um den Priesternachwuchs und den Kir chenbau,um mit der Seelsorge und dem Wachstum der Großstadt Schritt halten zu können. Im Erzbischöflichen Palais der Rotenturmstraße hängen heute noch Bilder mit Rissen und Stichen, die noch vom Sturm auf das Palais im Jahre 1938 herrühren. Sie sind für mich heute ein Mahnzeichen, was unter Umständen das Bischofsamt von seinen Trägern fordern muß. Und wenn ich den Blick über die Grenzen von Osten und Süden der Di özese richte, dann wird mir noch einmal eindringlich klar, daß der Bischof bereit sein muß,seinen Gläubigen in den Ker ker und das Martyrium voranzugehen. Ich bin aber ein armer und schwacher Mensch, und mir wird bange vor der Größe der neuen Aufgabe. Aber „ich habe aufden Herrn gehofft und werde in Ewigkeit nicht zu schänden werden". Amen. Amerkung: Aus; Wiener Diözesanblatt 1956, S.78 f. Für euch war ich Bischof... Dankanspracheim Dom zu St.Stephan am 22. Oktober 1985 anläßlich der Verabschiedung als Erzbischofvon Wien Bevor ich den Segen Gottes auf alle herabrufe, die in dieser abendlichen Stunde um den Altar von St. Stephan versammelt sind, um mit mir Abschied zu nehmen von meinem Amt als Erzbi schof von Wien, drängt es mich, Ihnen allen - schlicht und einfach - ein Wort des Dankes zu sagen. Ich bin bewegt durch die Vorbereitung und die festliche Gestaltung dieses abendlichen Gottes dienstes. Aber - kann man als Bischof überhaupt Abschied nehmen von seiner Diözese? Entsprechend meinem Wunsch und nach der Entscheidung des Heiligen Vaters ist dasim Sinne des Kirchenrech tes vor fünf Wochen geschehen. In mei nem Herzen aber fühle ich mich weiter hin herzlich verbunden mit der Wiener Erzdiözese, mit Stadt und Land, mit den Bischöfen und Priestern, mit all den vielen Menschen, die mir im Laufe der Jahre bei Pfarrvisitationen und bei vie len anderen Gelegenheiten begegnet sind. Ich danke damit allen, die meinen Lebensweg begleitet und mein Lebens werk mitgetragen haben.Ich danke sehr herzlich den Mitarbeitern im eigenen Hause. Ich danke den Kirchennahen und den Kirchenfernen. Ich versichere euch: In meinen Gebeten und bei mei nem täglichen Meßopfer will ich euch alle mit all euren Sorgen und Anliegen miteinschließen, will ich die ganze Erz diözese, die mir wirklich Heimat gewor den ist, vor Gott hintragen und will so Seinen mächtigen Schutzfür Kirche und Heimat erbitten. So ist mein Rücktritt von meinem Amt wohl einerseits eine Zäsur, ein tiefer Einschnitt in mein eigenes Leben: ein Einschnitt aber, der nicht die letzte Tiefe des Herzens erreichen kann. Der Herr Diözesanadministrator Dr. Krätzl hat in eindrucksvoller Weise meine Devise,die ich am Beginn meines Bischofsamtes erwählt habe,erklärt und in den großen Zusammenhang des Tex tes und der Zeitgeschichte hineinge stellt. Ich danke ihm sehr herzlich dafür, und ich will seiner Bitte um Gebet von ganzem Herzen und jeden Tag entspre chen. Aber um so mehr wird mir dabei selber bewußt, wie oft und wie weit ich hinter meinem Wollen und Sollen zu rückgeblieben bin. Jesus Christus, der mich zum Priester und Bischof berufen hat, damit ich in besonderer Weise An teil habe an seinem Lehr- und Hirten amt, er möge sich meiner menschlichen Schwäche erbarmen. Für mich persönlich war die Beschäf tigung mit den großen Weltreligionen der Menschheit aufä neue ein überzeu gender Weg,um Christus besser kennen und lieben zu lernen. Er möge mir dereinst ein gnädiger Richter meines Wollens und Vollbringens sein. Diese Stunde kann nicht vorüberge hen,ohne allen, die mir aufverschieden ste Weise verbunden waren und sind, mit einfachen Worten mein Gedenken 28
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