Wiener Diözesangeschichte 1960 - 1996

Passaus auf das Patronat der Stephans kirche nachdrücklich bestätigt. Auf die Brüder Petrus und Paulinus von Aspelt folgte 1306 Magister Berthold von Kiburg als landesfurstlicher Kandi dat für die Pfarre St. Stephan. Seine Biographie'"'* zeigt, daß der Patronatsstreit zwischen Bischof und Herzog um die Pfarre St. Stephan keineswegs ein Einzelfall war:Berthold stammte aus den habsburgischen Stammlanden, wo er zwischen Ende der fünfziger und Ende der sechziger Jahre des 13. Jahr hunderts geboren wurde. Er hatte die ft-eien Künste (artes liberales) in Bolo gna studiert und das Magisterium erwor ben. Im Dienste Albrechts I. hatte er sich zunächst als Landschreiber und Verwalter habsburgischer Güter in Ki burg - davon stammt sein Beiname - bewährt. Der Empfang der niederen Weihen ermöglichte ihm auch die Über nahme kirchlicher Pfründen.So hatte er zunächst schon die Pfarre Brugg im Aargau,in deren Gebiet die Stammburg der Habsburger lag,inne. Nach der Wahl Albrechts I. zum römisch-deutschen Kö nig übernahm dessen Sohn Rudolf HI. die Verwaltung Österreichs und der Steiermark. Als Protonotar gab im Al brecht I. Berthold von Kiburg bei. Auch hier sollte er landesfürstliche Pfarren zu seiner Versorgung bekommen.Zunächst erhielt er die landesfürstliche Pfarre Hernstein.Im Jahr 1300 präsentierte ihn Rudolf in. auf die Pfarre Niederholla brunn (Gb. Korneuburg)"'". Freilich un terstand diese Pfarre nicht dem Patronat des Landesfursten,sondern war seit 1253 dem Passauer Domkapitel inkorporiert. Vorher war aber die Pfarre landesfurstlich gewesen. Wie bei St. Stephan in Wien,so versuchten auch hier die Habs burger,Pfarren,die einmalzum Einfluß bereich des Landesfürsten gehört hat ten, wieder an sich zu bringen. Daß Albrecht I. auch im Fall von Niederhol labrunn mit diesem Vorgehen einver standen war, beweist die Tatsache, daß die Präsentationsurkunde für Berthold von Kiburg von ihm selbst besiegelt wurde. Passau protestierte zwar gegen dieses Vorgehen, es kam zu einem Pro zeß; trotzdem wird Berthold von Kiburg, der später Protonotar Herzog Friedrichs I. war (ab 1306), bis 1306 Pfarrer von Niederhollabrunn genannt. Da aber diese Stellung rechtlich doch sehr unsi cher war, bemühte er sich zu diesem Zeitpunkt intensiv, die Pfarre St. Ste phan in Wien zu erhalten. Aufdiese war er wohl von Herzog RudolfIII. nach dem Tod des Paulinus von Aspelt präsentiert worden**". Gleichzeitig bemühte sich Berthold auch schon um die landesfürst liche Pfarre Gars am Kamp. Wegen der von ihm geübten Pfiründenhäufung und der Tatsache, daß er noch immer nicht die höheren Weihen empfangen hatte, wurde er schließlich mit Zensuren be legt. AufFürsprache der Herzoge Rudolf ni. und Friedrich I. wurde er zwar von Papst Klemens V. 1307 davon absolviert, durfte aber von seinen bis dahin innege habten (bzw. beanspruchten) Pfarren Brugg, Hernstein, Niederhollabrunn, St. Stephan und Gars nur die letztgenannte behalten**'. Die Priesterweihe hat er aber wohl bis zu seinem Tod nicht empfangen"^. Ab 1307 bemühte er sich, pro Tnaiori securitate et honorificentia Status mci(zur größeren Sicherheit und zum Ansehen meines Standes), eine Domherrenstelle in Passau zu erhalten; mit diesem Bemühungen hatte erschließlich tatsächlich Erfolg"". Berthold von Kiburg starb im Jahr 1314. In das erste Jahrzehnt des 14. Jahr hunderts sollen auch, wie in der Litera tur seit Leopold Fischer und Xystus Schier immer wieder behauptet wird"', die Pläne Albrechts I., in Wien ein eigenes Bistum zu errichten, fallen. Für diese Annahme gibt es jedoch keinen urkundlichen Beweis"". Dieser Umstand muß angesichts der Tatsache, daß die Papstregister dieser Zeit bereits ediert wurden und damit auch die St. Stephan betreffenden Stücke bekannt sind, be sonders auffallen. Wenn schon die vielen Streitigkeiten um Pfründensachen in den Registern penibel verzeichnet wur den, so hätte doch ein Bistumsplan ebenso darin seinen Niederschlag finden müssen. Dieser Plan paßt auch auf kei nen Fall zur Kirchenpolitik der ersten Habsburger: Man streitet mit Passau um einzelne Pfarren, denkt aber nicht daran, eine neue kirchliche Organisation zu schaffen. Man sollte daher den Bis tumsplan Albrechts I. endgültig aus der Geschichte von St.Stephan streichen. 1307 mußte Berthold von Kiburg die Pfarre St. Stephan wieder aufgeben. Schon im nächsten Jahr wird der lan desfürstliche Gegenkandidat zum Pas sauer Dompropst Gottfried, der bis zu seinem Tod (1316) zumindest nominell noch immer Pfarrer von St. Stephan war, in einer Urkunde genannt: Am 7. Juli 1308 entsagten Ruedger der Ried marcher und sein Sohn Ulrich allen Ansprüchen, die sie in einem Streit mit dem erbaern herren herzogen Albrehten von Sahssen, der zu den Zeiten pharrer xoas des gotshauses sand Stephans ze Wienne auf ein Gut zu Ober-Laa erho ben hatten"". Albert war ein Sohn der Agnes, der Tochter König Rudolfs I., und Albrechts, des Herzogs von Sach sen. In seinem Fall hatte wohl die Ver wandtschaft mit den Habsburgern den Ausschlag für seine Ernennung als (lan desfürstlicher) Pfarrer von St. Stephan gegeben. 1316 starb Dompropst Gottfried von Passau. Da das Bistum Passau zu dieser Zeit vakant war(1313-1320) scheint Pas sau nach seinem Tod keinen Pfarrer für St. Stephan ernannt zu haben"'^. Tat sächlich wurde Albert von Sachsen am 6. September 1318 auch von Papst Jo hannes XXII. als Pfarrer von St. Ste phan - daneben auch als Propst von Heiligenkreuz in Nordhausen - bestä tigt"". 1320 wurde Albert von Sachsen zum Bischof von Passau ernannt; 1321 emp fing er die Priester- und Bischofs weihe"". Er starb als Bischof von Passau am 19. Mai 1342 und wurde in der Domkirche in Passau begraben. Für den folgenden Pfarrer von St. Stephan ist die Quelleniage günstiger,so daß seine Persönlichkeit und sein Wir ken deutlicher faßbar werden'". Am 9. April 1323 einigten sich die Herzöge Otto und Albrecht in Preßburg mit Bischof Albert von Passau, die Pfarre St. Ste phan gemeinsam mit Magister Heinrich, Domherrn von Passau und herzoglichem Protonotar, zu besetzen". Am 24. No vember 1324 bestätigte auch Papst Jo hannes XXII. Heinrich als Pfarrer von St. Stephan'-. In diesem Zusammen hang heißt es, Heinrich habe die Pfarre St. Stephan schon zwei Jahre vor seiner Bestätigung durch den Passauer Bischof -damit ist der Vertrag vom 9. April 1323 gemeint- von Herzog Friedrich empfan gen. Heinrich ist also gleich nach der Erhebung Alberts von Sachsen zum Bischof von Passau zum Pfarrer von St. Stephan ernannt worden, wohl noch im Jahr 1321. In zwei bis jetzt nicht beach teten Urkunden wird Heinrich tatsäch lich schon im Jahr 1322 als Pfarrer von St. Stephan genannt: 1322 visitierte Bi schof Albert von Passau das Stift KIosterneuburg. Am 2. Juni 1322 erließ er ein entsprechendes Visitationsstatut, das vom Bischof von Passau, vom Propst von Klosterneuburg, vom Propst von St. Pölten, vom Propst von Herzogenburg, vom Propst von St. Andrä,vom Dechant von Krems und von Hainricus Canoncus Pataviensis, Imperialis aule notatrius besiegelt wurde'*; die Siegelin schrift Heinrichs (-i-HEINRICI. RECTORIS. ECCLE. WIENN. CAN. PATAVIEN.) beweist, daß Heinrich zu diesem Zeitpunkt schon Pfarrer von St. Stephan war. Im zweiten Visitationsstatut - es wurde am 10. Juni 1322 ausgestellt - wird Magister Heinrich unter den venerabiles et discreti viri... curie nostre nach deren Rat der Passauer Bischofdas Statut erließ, genannt". Diese Urkun den beweisen, daß Bischof Albert von Passau Heinrich schon vor dem zitierten Vertrag vom 9. April 1323 als Pfarrer von St. Stephan anerkannt und sich auch seines Rates bei der Leitung der Diözese bedient hat. Pfarrer Heinrich stammte aus den habsburgischen Stammlanden. In der Literatur wird er gemeinhin Heinrich von Luzern genannt.In Urkunden findet sich diese Bezeichnung nur einmal'"', sie wird aber - in Umschreibung - auch in seiner Grabinschrift gebraucht'". Nach anderen Quellen ist aber „Heinrich von Vrienbach" der korrekte Name". Der Name „Heinrich von Visler" ist dagegen aufeine andere Person zu beziehen"*. Die Familie"' Heinrichs stammte aus Freibach bei Gondisheim(Kanton Bern), war dann nach Sursee ausgewandert und später von den Habsburgern nach Luzern übersiedelt worden. Vor 1310 wurde Heinrich Pfarrer von Brugg. Die ser Ort war zeitweise Sitz verschiedener Habsburger"". Zu diesem Zeitpunkt war Heinrich auch schon Protonotar Herzog Ottos. Seine Ernennung zum Pfarrer von St. Stephan verdankte also auch er seiner Tätigkeit in der Kanzlei des Lan desfürsten, Um 1315 erhielt Heinrich die landesfürstliche Pfarre Graz (St. Aegi dius); in diesem Zusammenhang emp fing er auch die Subdiakonatsweihe. Auch als Pfarrer von St. Stephan spielte Heinrich eine führende Rolle in

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