Zwischen Bischof und Herzog: Die Pfarrer der Pfarre Wien (St. Stephan) von 1282 bis 1365 Von Johann Weißensteiner Im sogenannten Kollaturverzeichnis des Lonsdorfer Kodex, einer noch auf Bischof Otto von Lonsdorf von Passau (1254-1265) zurückgehenden Zusammen stellung aller Pfarren der Diözese Pas sau, die dem Patronat des Bischofs von Passau unterstanden', wird auch die Pfarre Wyenno (Wien) als bischöfliche Pfarre genannt-. Freilich war zu diesem Zeitpunkt das Patronat der Wiener Pfarre keineswegs unumstrittenSchon der Babenberger Leopold VI. hatte, wahrscheinlich im Zusammenhang mit seinen Bestrebungen, in Wien ein selb ständiges Bistum zu errichten, versucht, das Patronat der seit dem Tauschvertrag von Mautern'(1137)bischöflichen Pfarre Wien an sich zu bringen. Dieser Streit wurde jedoch im Jahr 1215 von Kaiser Friedrich II. zugunsten des Passauer Bischofs entschieden"'. Doch schon unter dem Nachfolger Leopolds VI. wird der Einfluß des Landesfursten aufdie Pfarre St. Stephan wieder greifbar: So hat Leopold, der am 29. Dezember 1239 erstmals als Pfarrer von Wien genannt wird, diese Pfarre allein auf Betreiben des Babenbergerherzogs Friedrich II. erhalten. Diese Zusammenhänge wer den durch die Tatsache, daß Leopold gleichzeitig auch Protonotar des Herzogs war, noch verdeutlicht". Auch der Um stand, daß Friedrich II. später(um 1240) einbekannte, kein Recht auf die Wiener Pfarre zu haben und daß ihm die Ernen nung Leopolds zum Pfarrer von Wien nicht als Inhaber des Patronatsrechtes, sondern als Erfüllung einer besonderen Bitte zugestanden worden sei', ändert nichts an der Tatsache, daß die Pfarre St. Stephan unter dem letzten Baben berger zwar de iure noch dem Patronat des Bischofs von Passau unterstand, de facto dieses Recht aber vom Landesfür sten ausgeübt wurde". Mit dem Ausster ben der Babenberger fiel - aus Passauer Sicht - zunächst auch der Konkurrent um das Patronat der Pfarre St. Stephan weg. So wurde der aufLeopold folgende Pfarrer, Magister Gerhard von Sieben bürgen", allein vom Passauer Bischof eingesetzt'". Auch im in der Zeit zwi schen 1254 und 1260 gefälschten Lehens revers des Babenbergers Friedrich II. von angeblich 1241",in dem dieser auch jene Pfarren, deren Patronat er als Le hen der Passauer Bischöfe innehatte, einbc'kannte, wird die Pfarre St. Ste phan nicht genannt. Offensichtlich galt St. Stephan zu diesem Zeitpunkt in Passau eindeutig wieder als bischöfliche Pfarre. Entsprechend wurde sie dann auch in das eingangs zitierte Kollatur verzeichnis aufgenommen. In einer Schenkungsurkunde des Jah res 1271 für das Himmelpfortkloster, das Gerhard von Siebenbürgen selbst gestif tet hat, spricht Pfarrer Gerhard davon, diese Stiftung sei pro salute principis terre, Patavierisis Episcopi, plebani Wfennensis, Sociorum ipsius (für das Heil des Landesfursten, des Passauer Bischofs, des Wiener Pfarrers und seiner Genossen)erfolgt'-. Damit nennt erjene Faktoren, die für die Pfarre St. Stephan von besonderer Bedeutung waren. Lan desfürst war zu diesem Zeitpunkt schon König Ottokar II. von Böhmen. Den Passauer Bischofsstuhl hatte zunächst Otto von Lonsdorf (I254-I265), dann Bischof Petrus (1265-1280)inne. Mit den Genossen des Pfarrers ist die heutige Cur, die kollegial zusammengefaßte Priesterschaft der Stephanskirche, ge meint'". Unter König Ottokar II. wurden die Bistumspläne der letzten Babenber ger wieder aufgegriffen". Passau scheint damals mit einer Aufwertung der Wiener Pfarre durchaus einverstan den gewesen zu sein. So spricht Otto von Lonsdorf 1264 durchaus wohlwol lend von der bevorstehenden Möglich keit der Erhebung der Stephanskirche zu einer Kollegiatkirche'"'. Über die Art der Besetzung der Pfarre St. Stephan nach dem Tod Gerhards von Siebenbürgen (Juli 1271) gibt es keine direkten Nachrichten. Gemeinhin nimmt man an'", sowohl der Landes fürst wie auch der Bischof hätten ver sucht, die Pfarre St. Stephan einem Kandidaten ihrer Wahl zu verschaffen. Es hätte also schon zu diesem Zeitpunkt - wie dann durchgehend von 1285 bis etwa 1320 - einen landesfürstlichen und einen bischöflichen Pfarrer von St. Ste phan gegeben. Landesfürstlicher Kandi dat war der königliche Protonotar Ul rich". Er ist tatsächlich von 1274 bis 1277 als Pfarrer von St. Stephan be zeugt. 1276 wurde zwar in einem Ver trag zwischen Rudolf von Habsburg und Ottokar II. von Böhmen vereinbart, Ul rich dürfe die Pfarre St. Stephan auch unter den nunmehr geänderten politi schen Verhältnissen behalten'", doch wird er nach 1277 nicht mehr als Pfarrer von St. Stephan genannt. Zu diesem Zeitpunkt hatte sich also der bischöfli che Kandidat schon durchgesetzt. Dieser war Bernhard von Brambach, der spä tere Bischof von Passau (1285-1313)'". Zum ersten Mal wird er als Zeuge einer Schenkung an das Zisterzienserstift Zwettl am 30. März 1275 als Pfarrer von St. Stephan genannt-". Seine Amtszeit überschneidet sich also mit der des vorgenannten Protonotars Ulrich. Damit ist die Annahme,schon unter Ottokar II. sei die Pfarre St. Stephan gleichsam doppelt besetzt worden, auch urkund lich gesichert. Da als Ausstellungsort der Schenkungsurkunde vom 30. März 1275 ausdrücklich die Pfarre bzw. der Pfarrhof von St. Stephan genannt wird (Actum publice in parrochia ad sanctum Stephanum), ist zugleich bewiesen, daß Pfarrer Wernhard von Brambach zumin dest schon 1275 die tatsächliche Leitung der Pfarre St.Stephan innegehabt hat. Wernhard von Prambach war auch Domherr von Passau'" und Archidiakon für das niederösterreichische Diözesangebiet des Bistums Passau südlich der Donau'^-. Als solcher wird er in Urkun den des Jahres 1283 und 1284 ausdrück lich bezeichnet-'. 1285 war er mit der Einhebung der Zehente für das Heilige Land in Österreich beauftragt-'. Noch im gleichen Jahr wurde er Bischof von Passau-"'. Er starb am 27. Juli 1313 und wurde im Passauer Dom begraben-". Nach der Ernennung Wernhards zum Bischof von Passau erfolgte neuerlich keine einhellige Besetzung der Pfarre St. Stephan; die Pfarre war wiederum zwischen einem Kandidaten des Bi schofs und einem des Landesfürsten - nunmehr Albrechts I.-umstritten'^". Die Wahl Albrechts I. fiel auf Heinrich von Klingenberg, der seit 1283 als Protonotar am Hofe König Rudolfs I. tätig war'^". Die schon unter den Babenbergern fest stellbare, auch von König Ottokar II. geübte Gewohnheit, die Pfarre St. Ste phan an Personen aus der Kanzlei des Landesfürsten zu vergeben, wurde also auch von den Habsburgern übernom men, ja von diesen besonders intensiv ausgeübt"". 1285 bemühte sich Heinrich von Klingenberg schon in Rom,tatsäch lich in den Besitz der Pfarre St. Stephan zu gelangen'". Wohl weil er auch bis 1289 noch nicht die höheren Weihen empfangen hatte, verweigerte ihm der Passauer Bischof die Einsetzung als Pfarrer von St. Stephan. Da er 1290 in einem Streit mit dem im Pfarrgebiet von St. Stephan gelegenen HI. Geistspital genannt wird, war er 1290 dennoch faktisch im Besitz der Pfarre St. Ste phan'". Die in diesem Zusammenhang stehenden Urkunden nennen auch den Kandidaten des Bischofs für St.Stephan: Es war dies mit Dompropst Gottfried von Passau der nach dem Bischof höch ste Würdenträger des Bistums Passau'"^. Dieser Umstand ist ein weiteres Zeugnis für die große Bedeutung, die auch von den Passauer Bischöfen der Pfarre St. Stephan zugemessen wurde. Gottfried war Dompropst von 1283 bis 1316^^. 1293 wird er auch Pfarrer von Stockerau-diese Pfarre unterstand dem Patronat des Bischofs von Passau - genannt'". Bis zu seinem Tod konnte sich Dompropst Gottfried nie als alleini ger Pfarre von St. Stephan durchsetzen, sondern war stets mit vom Landesfür sten eingesetzten Gegenpfarrern kon frontiert. Wohl wurde Heinrich von Klingenberg, der schon 1282 Domherr von Konstanz, später auch Propst von Aachen und Xanten gewesen war"^, 1293 zum Bischof von Konstanz- dieses Bistum hatte er bis zu seinem Tod am 12. September 1306 inne"" - ernannt, doch setzte Albrecht I. sofort wieder einen Gegenkandidaten ein'". Wiederum stammte der Ernannte,Protonotar Gott fried, aus der herzoglichen Kanzlei. Er
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