Wiener Diözesangeschichte 1960 - 1996

Wert in dieser Gemeinschaft besinnen, die Liebe zum Heimatort vertiefen und die überkommene Väterscholle für die Nachkommen bewahren. Dazu möchten diese Rückblicke auf die Vergangenheit beitragen, sie möchten aber auch aufzei gen, daß Geschichte dazu dient, die Gegenwait zu verstehen. Denn wer nir gendwo wurzelt-ist nirgendwo daheim! Buchbesprechungen Fleischmann, Kornelius: Klemens Maria Hofbauer. Sein Leben und seine Zeit. - Graz: Wien; Köln: Styria, 1988. - 303 S.; III. Das Hundert-Jahr-Jubiläum der Selig sprechung des hl. Klemens Maria Hof bauer (29. Jänner 1888) nahm der Autor zum Anlaß, die Biographie des zweiten Patrons der Stadt Wien erneut einem größeren Leserkreis nahezubringen. Da seit dem Erscheinen der großen Biogra phien des Heiligen von P. Johannes Hofer CSsR und P. Eduard Hosp CSsR und der Herausgabe der Monumenta Hofbaueriana die biographischen Detail fragen schon weitgehend geklärt wur den, konnte sich Fleischmann bei sei nem Werk darauf konzentrieren, die Gestalt des Heiligen dem heutigen Men schen darzustellen. Besonders eingehend behandelte der Autor den innigen Zusammenhang zwi schen dem Auftreten Hofbauers in Wien und dem Aufbruch der romantischen Bewegung in Österreich. Dabei zeigt er an vielen Beispielen, wie der hl. Kle mens gerade die jungen Intellektuellen zu den Fundamenten des katholischen Glauben (zurück)führte. Die entspre chenden Kapiteln beweisen nachdrück lich die Vertrautheit des Autors mit der Entwicklung der österreichischen Lite ratur- und Geistesgeschichte im Zeital ter der Romantik. Der Autor erlag nicht, wie besonders anzumerken ist, der Versuchung man cher Hagiographen, die Gestalt des je weiligen Heiligen nur kritiklos zu würdi gen: dies wird besonders deutlich bei der Darstellung des Verhaltens Hofbauers gegenüber Johann Michael Sailer. So stellt Fleischmann dem „bewußten Des interesse an allen nichtkatholischen Heilswegen in unerschütterlicher Ge wißheit des Absolutheitsanspruchs der römischen Kirche" Hofbauers pointiert die Haltung Sailers gegenüber; diese kennzeichnet er prägnant folgenderma ßen: „Kenntnis der zeitgenössischen re ligiösen, philosophischen, literarischen Tendenzen; missionarisches Geöflhetsein für die Meinungs- und Überzeu gungsvielfalt außerkirchlicher Sucher, optimales Entgegenkommen in Fragen der Dogmatik bis hart an die Grenzen und grundsätzliche Sympathie auch für den Homo religiosus jenseits der Gren zen". Damit spricht der Autor auch heute noch aktuelle Fragen an. Fleischmann ist es mit diesem Buch gelungen, die (Gestalt des hl. Klemens Maria Hofbauer und seine Zeit umfas send für den heutigen Leser darzustel len. Entsprechend ist seinem Werk eine breite Verbreitung zu wünschen. Johann Weißensteiner Liebmann, Maximilian: Theodor Innitzer und der Anschluß - Österreichs Kirche 1938. Graz; Wien; Köln: Styria, 1988.-327 S.: III. Das „Gedenkjahr 1988" ist vorüber. Nahezu unübersehbar ist die Zahl größe rer und kleinerer, kompetenter und weniger kompetenter Elaborate, welche aus eben diesem Anlaß des Gedenkens an die Ereignisse des Jahres 1938 ent standen sind und publiziert wurden. Im Zuge der selbstverordneten Aufar beitung des Geschehens wurden Span nungen zwischen zwei Lagern deutlich, die sich abzuzeichnen begannen; aufder einen Seite jene, welche die Zeitzeugen von damals mit der mehr oder weniger direkt gestellten Frage nach ihrer dama ligen Verantwortung verwirrten, ja oft sogar verärgerten; aufder anderen Seite die so Angesprochenen, die meinten, es sei nur zu billig und ungerecht, als sogenannte „Nachgeborene" leichtfertig den Mund aufzutun. Deutlich wurde so die überaus kom plizierte Vielschichtigkeit der Problema tik, auf Grund derer es nicht leicht ist, zwischen Extremen verschiedenster Standpunkte einen gangbaren Mittelweg in Richtung Wahrheitsfindung zu versu chen, der möglichst vielen gerecht wer den kann. (Mit Ausnahme der wirkli chen Verbrecher, die nicht zur Diskus sion stehen). In besonderer Weise fand sich auch die Kirche angesprochen; ihr wurde die scheinbare Kehrtwendung in das Lager der neuen Machthaber nicht nur von jenen, welche sie als Verbündete des Ständestaates erlebt und verstanden hatten, übelgenommen,auch viele Leute „aus dem eigenen Lager" konnten einige Vorgänge nur schwer verstehen. Und eben weil der Kirche eine beson dere Verantwortung zugeschrieben wurde, wurde sie auch besonders kriti siert. allerdings nur selten in konstrukti ver Form. Das Schlagwort vom „Nazi kardinal Innitzer" geisterte und geistert noch durch das Land. Schon einige Jahre vor dem Gedenk jahr hat der Vorstand des Institutes für Kirchengeschichte an der Universität Graz, Maximilian Liebmann, begonnen, sich mit der Haltung der österreichi schen Bischöfe,im Besonderen mitjener des Vorsitzenden der Bischofskonferenz, Kardinal Innitzers, zu befassen; er ist dabei zu interessanten Ergebnissen ge langt, die er auch zum Teil bereits in einschlägigen Publikationen veröffent lichte. Ergänzt und abgerundet, sind diese nun in dem bei Styria erschienen Buch zusammengefaßt. Der entscheidende Zeitraum für Österreichs Kirche „unter dem Haken kreuz" beginnt im März 1938 mit dem Einmarsch und endet im Oktober dessel ben Jahres. Denn ab diesem Zeitpunkt spätestens waren die Fronten klar. Lieb mann nennt genau den Tag, da die Bischöfe in einer schriftlichen Erklärung alle Verhandlungen mit den Nationalso zialisten endgültig abbrachen und sich auch in der Folge nicht mehr umstim men ließen: es war dies der 19. August 1938. Zur Einführung in das Thema stellt das Buch die Kirchenprovinzen und Diözesen und deren Vertreter im Jahr 1938 vor; Auflfassungsunterschiede auch im Rahmen der Bischofskonferenz wer den nicht verschwiegen (vgl. Gföllner, Hefter), wobei aber immer die Jeweils besondere Situation des Landes, bzw. der Diözese mitberücksichtigt wird. Im nächsten Kapitel (II.) wird das Umfeld der Kirche vor dem „Anschluß" näher beschrieben: der Abwehrkampf der Bischöfe, aber auch die Gespalten heit des katholischen Lagers wird deut lich,immer aber verbunden mit gründli cher Darlegung und durch Quellen be legter Auseinandersetzung mit den Hin tergründen. Und schließlich der Hauptteil(Kapitel III. u. IV): jene acht Monate des Jahres 1938, da die Position der österreichi schen Kirche gegenüber dem Regime sich klärte und festigte. Hier hat sich Liebmann in der Tat ein großes Verdienst erworben, indem er erstmals die andere Seite jener Medaille, die Kardinal Innitzer als Verbündeten der Nazis präsentiert, aufzeigt; vieles wird deutlich, wenn man wirklich ver sucht, sich ohne das Wissen, das uns heute eigen ist, in die Situation der Verantwortlichen von damals zu verset zen; unter dem Eindruck bereits unmit telbar nach dem Einmarsch stattgefun dener Verhaftungen aktiver Katholiken und Beschlagnahmungen kirchlicher Einrichtungen, versuchten die österrei chischen Bischöfe, nachdem Kardinal Innitzer von Adolf Hitler persönlich die Wahrung der Rechte der Kirche bestä tigt worden war, eine, den außerge wöhnlichen Umständen entsprechende, kleinste gemeinsame Basis fi r eine Art Koexistenz zwischen Kirche und neuen Machthabern zu erreichen. Die von allen österreichischen Bi schöfen unterzeichnete sogenannte „Feierliche Erklärung" vom 18. III. 1938 ist unter Druck in der Kanzlei des Reichskommissars und Gauleiters Brükkel entstanden und wurde den Bi schöfen unter falschen Versprechungen abgerungen. Liest man den Bericht des Unterhändlers Dr. Himmelreich über das Zustandekommen des nachträglich hinzugefügten „Und Heil Hitler" (S. 108). welches Kardinal Innitzer unter sein Begleitschreiben setzte, dann sieht die scheinbar unerträgliche Tatsache m.E. auch für kritische Augen etwas anders aus. Behandelt werden auch die. trotz be reits stattgefundener Enttäuschungen, den Sommer über andauernden Schein verhandlungen. mit Wissen und Beteili gung Roms,um einen „modus vivendi", die aber am 19. August 1933 von selten der Bischöfe beendet wurden. Die Folgen waren nur zu bald zu spüren: neben verschiedensten „Amts handlungen" gegen innerkirchliches Le55

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