ten ihn, warum daß er nicht lieber in Spital geht, wo er doch eine besere Pflege bekommen mächte und gewiß auch schneller gesund würde. „Ich will lieber alles Schlimme ertragen", sagte er, „ich werde mich von die Meinen nur durch den Todt trennen lassen". Hierauf lassen wir eine kleine Schilde rung der Ziegeiarbelt folgen, um dar nach urtheilen zu können, welche phisische Kraft sie erfordert und in welchem Masse die Gesundheit des Arbeiters dabei gefährdet ist: Da sehr viele unse rer Mitbürger der Meinung sind, daß die Ziegelmacher allein nur im Sommer beschäftigt sind, so wolen wir hier vor erst von der Winterarbeit sprechen. Der gute Ziegellahm liegt zumeist unter einer Erdschichte von 2 bis 8 Meter. Diese wird also in Winter abgeräumt. Ist die Erde stark und tief gefroren, so müssen sie mit der größten Anstrengung arbeiten. Das Material wird in die Scheibtruhen geladen und auf seinen Bestimmungsort verführt, wobei Mann und Weib die gleiche Arbeit zu verrich ten haben. Ebenso wird auch der Ziegeltögel aufgegraben und verführt. Derar tige Arbeiten beginnen gewänlich im November, oder auch schon im Oktober, und dauern bis Ende März oder aber bis Mitte April, wo das Ziegelmachen be ginnt. Ist aber das Baumaterial (die Ziegel) sehr nothwendig, so geschieht es sehr oft, daß die Leute bei Frost und Schneegestöber Ziegel machen müssen, wobei sie ihre erstarten Glieder am Feuer, welches am Arbeitstische erhal ten wird, wärmen. Um Ziegel erzeugen zu können, muß der Tögel gelockert, stark begossen und gehörig durchgetretten und durchgearbeitet werden. Der Mann muß also jede Beschuhung able gen, die Hose so weit es möglich ist, hinaufstricken und nun seine phisische Abhärtung auf die Probe stellen. Das Weib dagegen ist am Arbeitstisch thät^, sie knetet und bearbeitet das Ziegelmaterial gerade so, als wenn sie daraus Brod machen sollte. Es ist gerade Freude, ihr zuzusehen, wie schnell sie die Ziegel macht und nacheinander her legt. Auch die Kinder, selbst solche, die erst 5 Jahre alt sind, müssen schon mitarbeiten. Ihre Beschäftigung ist keine künstliche, dafür aber keine geringe. Sie haben die Ziegel zum Trocknen umzu wenden und, sobald sie einen Grad Trockenheit bekommen haben, diesel ben in die Hütte zu tragen, wo sie zur weiteren Trocknung aufgeschliAtet werden. Auf diese Art ist es also möglich, daß der Ziegelma<^er über den Sommer einige Gulden sich ersparen kann. Ist aber der Winter streng und die paar Gulden aufgezehrt, dann ist das Sch^- denmachen e'm unausweichliches Übel, welches keine schlimmere Folge nach sich zieht als die, daß der Arbiter gebtmden ist, die Sommerzeit bis zur Tilgung der Schuldenlast hier zu ver bringen. Diese aber erreicht nicht selten eine solche Höhe, daß sie mehr als die Hälfte des Sommerverdienstes in An spruch nimmt. Derartige Zustände brin gen den Arbeiter in eine sehr bedrängte, ja trostlose Lage. Gesellt rieh zu diesem noch ein unerwartetes Familien-Ereigniß, überkommt ihn eine längere Krank heit, ein Todesfall, oder wenn die ohne dies zahlreiche Familie um ein neues Glied vermehrt wird und d. g. m., so ist ein solcher wohl zu bedauern tmd wo soll er sich einen Trost, eine Linderung suchen? Das Kind, welches den Eltern doch stets am allererst Freuden gemacht hat, geht jetzt schon in die Schule, ist aber trotz seiner geistigen Anstrengung nicht im Stande, den Eltern aus dem Erlern ten nur etwas zu übersetzen. Ist es aber endlich fähig und kann also aus der deutschen in die böhmische Sprache Einiges übersetzen, dann ist es gewiß auch stolz darauf und dieser Stolz führt zur Überhebung und versteigert sich das IGnd oft zu einem solchen Grade, wo das „Vierte Gebot" arg verletzt wird. Kommt der Sonntag und ist der bis zur Kleinmuth herabgestimmte Arbeiter nicht an die Arbeit gefesselt, so eilt er zur Kirche, um sich dorten einen Trost zu hollen. Er will einige mildernden Worte des Herrn Pfarrers mit nach Hause nehmen. Er strengt seine Geistes kräfte an, es ist aber vergebens - die Moral der Predigt ist ihm dadurch fremd geblieben, daß er die meisten Worte gar nicht verstanden hat. Wo und wann soll er die deutsche Sprache doch lernen? Entrückt der Todt ihn rasch seinem ScbicksaaL so dankt er Gott für die Befreiung aus dem irdischen Jamerthal. Und wenn ihm wohl das „echte" Gott vertrauen eingeprägt worden, hofft er fiir das überstandene den gerechtesten Lohn in „Jenseits" zu finden; er stirbt gerne. Anders aber ist es mit ihn, wenn er, aus was immer für Ursache, arbeitsunfä hig wird, wo er auf die Mfldthätigkeit seiner Mitmenschen angewiesen nun in alten Tagen Betteln gehen muß. Früher einer der fleißigsten Arbeiter, jetzt, nun vom Hunger angetrieben, muß er zu dem vielverhaßten Bettelstab ©reiffen. Fragen wir einen solchen Mann nacfh seinem Befinden, fragen wir ihn, was sein Wunsch wäre? was bekommen wir zur Antwort?: „Ja, mein Gott, was soll ich sagen, ich war wohl soweit zufrieden aber ich muß halt doch oft genug Hunger leiden. Hatt mir jemand vor 20 Jahren ein solches profezeit, mir den Bettelstab in Aussicht gestellt - war es eine Beleidigung meines Charakters, eine Verläumdung meiner Muskelkraft gewesen. Damals glaubt ich, meine Ar beitslust sei unerschöpflich, meine phisi sche Kraft unverwüstlich - und jetzt? jetzt stehe ich da, gestützt auf diesen Bettelstäb" (er zeigt auf seinen Stock). „Und was soll ich mir weiter noch wünschen? Für mich ist nur der Todt allein der Befreier aus dieser unver schuldeten Lage. Und je eher er kommt und mich abholt, desto größere Wöhlthat für mich und auch für diejenigen, die ich gezwungen bin zu belästigen." 2. Bittschrift der böhmischen Ziegel arbeiter am Wienerberg um die Abhal tung böhmischer Gottesdienste in der Pfarrkirche Inzersdorf-' Hochwürdigstes Consistorium! Mit gebührender Hochachtung er lauben sich die gefertigten Katholiken der Pfarrgemeinde Inzersdorf am Wie nerberg in Hinweis auf die große Anzahl und die gegenwärtig herrschenden Ver hältnisse die unterthänigste Bitte zu unterbreiten und das Hochwürdigste Consistorium, als den obersten Hirten seiner getreuen Herde und als den Nach folger Christi, Lehrer der Liebe und Gerechtigkeit, anzurufen, daß auch un serer Bitte willfahrt werden möge. Da mit wir dem moralischen und infolge dessen auch dem materiellen Ruin nicht noch tiefer verfallen müssen, bitten wir um die Einführung unserer böhmischen Muttersprache beim Gottesdienste in der Pfarrkirche zu Inzersdorf am Wie nerberge. Indem hier zwei geistliche Herren fungiren, glauben wir unser Verlangen genügend zu rechtfertigen und bitten daher, daß jeden Sonn- und Feiertag nebst einer böhmischen Predigt, bei einer heiligen Messe böhmisch gesungen und auch gebetet wird, sowie auch, daß unseren Kindern, die der deutschen Sprache noch nicht mächtig sind, der Religionsunterricht in der böhmischen Sprache erteilt werden möge. 3. Protest des Gemeindeausschusses Inzersdorf' gegen die Abhaltung böh mischer Gottesdienste in der Pfarrkir che Inzersdorf Hochwürdigstes fürsterzbischöfliches Ordinariat! In der heute abgehaltenen Plenarsit zung des Gemeinde-Ausschusses von Inzersdorf bei Wien wurde die Mitthei lung gemacht, daß dem Vernehmen nach der böhmische St. Method-Verein beim hiesigen hochwürdigen Pfarramte um die Bewilligung zur Abhaltung eines slavischen Gottesdienstes, bestehend aus einer heiligen Frühmesse und böh mischer Predigt Nachmittags 3 Uhr an jedem letzten Sonntag im Monat die Bitte gestellt haben solle, welche jeden falls dem hochwürdigsten fürsterzbischöflichen Ordinariate zur competenten Entscheidung vorgelegt werden dürfte. Wiewohl die gefertigte Gemeinde, de ren Gesammtbevölkerung eine aus schließlich christkatholische ist, gegen eine rein rituelle Abhaltung eines slavi schen Gottesdienstes in der hiesigen Pfarrkirche zum Zwecke einer aus schließlich religiösen Andachtsübung keinen Einwand zu erheben sich veran laßt finden würde, hat der versammelte (Semeinde-Ausschuss in der gegründe ten Befürchtung, daß die anläßlich die ser einzuführenden Andachtsübungen alle Monate wiederkehrenden Ver sammlungen des slavischen Volkes in unserem rein deutschen Orte im Hin blicke auf die hiebei unvermeidlichen politischen Umtriebe und nationalen Hetzereien, den bis heute bewahrten friedüchen Charakter der hiesigen Orts bevölkerung zu beeinflußen. denselben zu erschüttern und zu geföhrden, geeig net waren, einstimmig beschlossen, zum Schütze der öffentlichen Interessen der hiesigen Gemeinde gegen die beabsich37
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