Wiener Diözesangeschichte 1960 - 1996

wird, um so mehr, da ihnen auch keine ander Zeit erübriget, ihr sparsames Mit tagmal einznehmen, als diese nämliche Stunde. Der Wiederholungsunterricht wird ihnen aber mit Ausnahme von Sollenau, wo selber immer Samstags durch 2Stun den stattfindet, mit den übrigen Sonn tagsschülern gemeinschaftlich ertheilt, bey welchem aber der Besuch ebenfalls nur sehr nachläßig ist. Die Einheimi schen werden auch zur Christenlehre angehalten und viermahl des Jahres zur h.Beicht und Kommunion geführt. Die Arbeitsstunden, in welchen die Kinder täglich beschäftiget werden, sind ebenfalls zu verschiedenen Zeiten sehr verschieden, je nachdem der Begehr nach Waare größer oder kleiner ist, möchten sich aber im Durchschnitte auf die Zahl 14 herausstellen. Bey dringen den Geschäften wird auch an Sonn- und Feyertagen gearbeitet. Wanderbücher sind bey Sonntagsschülern nicht üblich. Der Unterricht der Fabrikskinder steht überall auf der niedersten Stufte und wird sich so lange nicht heben, bis die Fabrikinhaber sich um selben nicht mehr bekümmern,die damit beschäftig ten Lehrer nicht honoriren, für densel ben nicht eine gemeßenere Zeit gestat ten und das Ganze nicht von einer ihnen imponirenden Authorität stets über wacht wird. Um überhaupt aufdie Nothwendigkeit einer solchen ununterbrochenen höhe ren Aufsicht über die Fabriken in Oesterreich aufmerksam zu machen, sollen hier noch ein paar Thatsachen angeführt werden, welche sich im Ver laufe dieses Jahres in diesem Bezirke zugetragen haben; Als der k.k. n.ö. Herr Regierungsrath Dr. J. Knolz einige Fabriken visitirte, so ist an dem Tage, an welchem er in der Fabrike erschien, allen übel aussehen den, abgemagerten, preßhaften Arbei tern befohlen worden, sich entfernt zu halten. - In einer anderen Fabrike wurde einmal die Arbeit durch 48 Stun den nicht unterbrochen und man gab den Arbeitern, damit sie es aushalten konnten, zur Stärkung Wein. - Wieder in einer anderen Fabrike werden alle fremden Kinder, über die der Ortsseel sorger keine Kontrolle halten kann, als zwölQährige aufgeführt, um sie der Wochenschule zu entziehen u.d. gl.... Schuldistriks-Aufsicht Pottenstein zu Leobersdorfam 31. Oktober 1843 Kajetan Geyer Dechant und Schuldistrikts-Aufseher Erzbischof Milde: ein Plädoyer für die Besserung der Lage der Fabrikskinder^ Das f.e. Konsistorium erstattet in Folge hohen Regierungsekretes vom 5. Feb. d.J., Z.4194, das abgeforderte Gut achten über die allenfalls zu erlassenden Vorschriften in Rücksicht der Gesund heit, Sittlichkeit und intellektuellen Ausbildung der in den Fabriken arbei tenden Kinder: Das f.e. Konsistorium muß aus Inter esse für das physische und geistige Wohl der Kinder sehnlich wünschen, daß je nen Mißbräuchen und Übeln vorgebeugt und abgeholfen werde, welche leider nur zu oft durch den Eigennutz der Fabriks-Inhaber und oft der Eltern selbst herbeigeführt werden. Da gerade gegenwärtig in mehreren Staaten des Auslandes strenge und zweckmäßige Verordnungen zu diesem Zwecke erlas sen worden sind und man einzusehen anfängt, daß die Industrie des Staates nicht aufKosten der Gesundheit und der Moralität seiner Unterthanen erhöhet werden dürfe und daß der pecuniäre Vortheil einer erhöhten Industrie nicht der einzige und höchste Gesichtspunkt der Staatsverwaltung seyn kann, so zweifelt das f.e. Konsistorium nicht im geringsten, daß auch in unseren Staaten das physische,intellektuelle und morali sche Wohl der Kinder durch zweckmä ßige Verordnungen sichergestellt wer den wird. Das f.e. Konsistorium beschränket sich auf die durch das hohe Hofkanzleydekret vom 18. Oktober 1839 unentschie den gebliebenen und daher zu einer neuen Berathung und Verhandlung ge eigneten Punkte: A. Uiber das Alter,in welchem Kinder in Fabriken zur Arbeit verwendet wer den können: Die hierüber vernommenen politi schen Behörden sind über das Alter nicht ganz einig. Einige bestimmen das vollendete zwölfte Jahr, andere wollen die Aufnahme der Kinder schon nach dem zehnten Jahr gestatten, das Kreis amt V.O.M.B. nimmt unter gewissen Bedingungen sogar das achte Lebens jahr an. Das f. e. Konsistorium muß hier vor züglich berücksichtigen, daß in der ersten Entwickelungs-Periode der Kin der durch anhaltende körperliche An strengung die Consolidierung des Kör pers gehindert, die Kräfte in ihrer Entwickelung zurückgehalten und der Grund zur bleibenden Schwäche der Menschen gelegt wird. Dem Staate kann es in keiner Hinsicht gleichgültig seyn, ob die künftige Generation aus starken und kraftvollen, oder aus schwachen und gebrechlichen Mensehen besteht. Ebenso muß man die intellektuelle Bil dung der Kinder berücksichtigen. Da in unserem Staate für die Bildung mit Kraft und sogar mit Zwang gesorget wird, so würde der Staat mit sich selbst in Widerspruch kommen, wenn er bey der großen Anzahl der in Fabriken arbeitenden Kinder diese Bildung ver nachlässigen und unmöglich machen würde. Dieses wäre aber der Fall, wenn man zugeben würde, daß Kinder unter zwölf Jahren durch den ganzen Tag zur Arbeit angehalten werden, wodurch sie gehindert sind, dem Unterricht vor schriftsmäßig beizuwohnen, und wenn man mehr zum Schein, als zur wirkli chen Bildung, nur dafür sorgen würde, daß diese Kinder, wenn sie zwölf Stun den des Tages gearbeitet haben, müde und entkräftet Abends etwa durch eine Stunde unterrichtet werden sollen. Das f.e. Konsistorium muß daher dar auf antragen, daß als allgemeine Regel festgesetzet werde, daß kein Kind vor vollendetem zwölften Jahre in Fabriken zur Arbeit aufgenommen werde; nur in sehr dringenden Nothfällen könnten, wie die hohe Landesstelle bereits wirk lich angetragen hat,Kinder nach vollen detem neunten Jahre in Fabriken ge braucht werden, jedoch nur unter fol genden Bedingnissen: 1. daß das vollendete neunte Jahr durch den Taufschein erwiesen sey, weil dieses bey Kindern nicht mit Gewißheit durch den bloßen Anblick erkannt wer den kann und weil weder den Eltern, noch den Fabriksherrn wegen des zu besorgenden Eigennutzes Glauben bei gemessen werden kann. 2. Bey Kindern unter zwölfJahren soll allzeit ein Zeugnis eines wirklichen Arz tes beigebracht werden, ob sie ohne Nachtheii ihrer Gesundheit zur Arbeit verwendet werden können. 3. Es muß allzeit durch ordentliche Zeugnisse nachgewiesen seyn, daß ein solches Kind vom 6. bis 9. Jahre die Schule fleißig und ordentlich besucht habe, denn wenn der Unterricht dessel ben vernachlässigt worden ist, so kann dasselbe durchaus in keine Fabrik auf genommen werden. 4. Kinder unter 12 Jahren sollen nur höchstens durch 8 Stunden des Tages zur Arbeit verwendet werden. 5. täglich durch 2 Stunden ordentlich unterrichtet werden. Das f.e. Konsistorium verkennt nicht, daß durch diese Bedingnisse die Auf nahme der Kinder unter 12 Jahren in Fabriken erschwert wird; allein gerade diese Erschwerung ist im Interesse der Staatsverwaltung, welche das Wohl der Kinder sichern und begünstigen will. B.Üiber die Dauer der Arbeitszeit Nach dem über die Kinder unter zwölf Jahren ohnedieß bereits gemachten An trage, daß dieselben nur durch acht Stunden zur Arbeit verwendet werden sollen, kann diese Frage sich nur auf die Kinder von 12 bis 15 Jahren beziehen; denn ältere Kinder können in ihrer Verwendung der Zeit nicht mehr be schränket werden. Da Kinder nach zu rückgelegten 12 Jahren nicht mehr schulpflichtig sind,so fällt die Beschrän kung der Arbeitszeit durch den Unter richt weg, allein der physische Zustand ihres noch nicht ganz entwickelten und festen Körpers fordert, daß der Willkühr und wirklichen Härte der Fabriks-Inha ber Schranken gesetzt werden. Das f.e. Konsistorium ist der unvorgreiflichen Meinung, daß die Verschiedenheit der Arbeit, zu welcher Kinder verwendet werden, eine verschiedene Bemessung der Arbeitszeit begründen sollte, allein, dasselbe glaubt, daß eine gesetzliche genaue Bestimmung aus diesem Grunde nicht möglich sey, weil das Gesetz nur zu leicht umgangen werden könnte und keine Controlle möglich ist. Es ist nur möglich, daß von Seiten des Staates ein Maximum der Arbeitsstunden für Kin der von 12 bis 15 Jahren festgesetzt werde. Als Maximum könnte nach der Meinung des f.e. Konsistorium die Zeit von 12 Stunden bestimmt werden, wobey aber zugleich festzusetzen wäre; 1. daß Nachtarbeiten von 9 Uhr Abends bis 5 Uhr Morgens für Kinder unter 15 Jahren gänzlich verbothen sind. 32

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