Wiener Diözesangeschichte 1960 - 1996

rieht, wie zu Meidling und St. Veit von dem Ortspfarrer selbst, oder von den Cooperatoren, wie zu Reindorf, Fünfund Sechshaus, zu Penzing und Gau denzdorf, von den betreffenden Schul lehrern aber, oder deren Gehilfen, wöchentlich 5-6 Stunden in den übrigen Lehrgegenständen ertheilt wird. NB.: es dürfte zwar auffallen, daß in der Reli gion wöchentlich nur eine Stunde Un terricht ertheilt wird,allein die Bevölke rung in diesen Ortschaften ist von der Art,daß die dortselbst angestellten Seel sorger, zu geschweigen, daß jeder der selben ohnehin eine Trivialschule zu besorgen hat, von den currenten Seel sorgergeschäften ganz in Anspruch ge nommen werden. Ferners daß 5. diese arme Jugend zwar jährlich 4-5 Mahle mit der übrigen Schuljugend zur heil. Beichte und Com munion zu gehen verpflichtet und ver halten werde, es aber aus den abgefor derten pfarrlichen Berichten nicht her vorleuchte, ob und mit welchem Er folge? Allein aus dem schlechten Schul besuche und aus der Indisposition über haupt läßt sich auf nichts Gutes schlie ßen und es wird bei andern Gelegenhei ten unumwunden geklagt, daß diese Verpflichtung vielfach fruchtlos sey, in dem es diesen Kindern an der nöthigen Vorbereitung fehle und die Fabriksher ren nicht nur nicht mitwirken, sondern die Erfüllung dieser Religionspflicht bei nahe unmöglich machen, indem schier alle Tage gearbeitet werde. 6. Bezüglich den der Wochenschulpflichtigkeit Entwachsenen muß leider! bemerkt werden,daß sich der Wiederholungsschul- und Christenlehrbesuch der selben noch immer wenig oder gar nicht gehoben hat, indem, wie die Schulvor stände angeben, mit nur unbedeutenden Ausnahmen,die Lehrlinge nicht nur der Drucker, sondern auch der Formstecher und sogar der Kaufleute - so sprechen die Eingaben des Reindorfer Bezirkes es unumwunden aus - weder Wiederho lungsschule noch Christenlehre besu chen, da doch, laut § 131 der politischen Verfassung der deutschen Schulen, die Lehrjungen nicht nur der Handwerker, sondern auch der Künstler und des Handelsstandes christenlehrpflichtig sind. Der Lauigkeit,Indolenz und der religiösindifferentistischen Gesinnung dieser Leute nicht zu gedenken, so liegen die Ursachen dieses Mißstandes auf der fla chen Hand: Es wird nähmlich noch gewöhnlich in den meisten derley fa briksartigen Werkstätten an Sonn- und Feyertagen, in Angesichte der Welt, folglich auch der Polizeybehörde, gear beitet, seien schon die Fabriksinhaber Juden oder Christen. Dann kann bei in Frage stehenden Lehrlingen die morali sche Zwangsmaaßregel der Verweige rung der Christenlehrzeugnisse zum Be helfe des Freysprechens nicht in Anwen dung gebracht werden,da die Lehrlinge aller vorgenannten Gewerbszweige, als vorgeblich zu keiner Innung gehörend, freygesprochen oder freyerklärt wer den, ohne daß sie nöthig hätten, sich über den vorhergegangenen Besuch der Wiederholungsschule und der Chri stenlehre auszuweisen. Ferners wirken die Fabriksherren gar nicht mit, den intellektuellen und sittlich-religiösen Zustand dieser unglücklichen Kinder in etwas zu heben. Endlich dürfte doch auch von Seite der Ortsobrigkeiten und Polizeybehörden (vielleicht auch des einen oder anderen arbeitsscheueren Seelsorgers?) nicht die nöthige Mitwir kung und Energie entwickelt werden, indem ja doch anderwärts und in andern Fällen durch eifriges Zusammenwirken der Orts- und Polizeybehörden und der Ortsseelsorger den hohen Vorschriften Genüge geleistet wird. Soll daher die gute Sache,ungeachtet der neu eingelei teten Bestrebungen, nicht wieder in das alte Chaos zurückfallen, oder gar noch ärger werden,so dürfte eine öftere, nicht zu Athem kommen lassende, immer eindringlichere Erneuerung und Ver schärfung der gegebenen Vorschriften, insbesondere aber eine strenge handzu habende, unmittelbare Verpflichtung der Fabriksinhaber und Lehrherren ihren Lehrlingen gegenüber sicheren Erfolg erzwecken, indem ja gerade das Uibel hierin grossentheils seinen Grund hat, daß die Fabriksherren sich in der Regel unter dem Vorwande aus der Schlinge ziehen und von aller Mitwir kung loszählen, daß sie vorgeben, die mithelfenden Kinder werden nicht von ihnen, sondern von den Gesellen aufge nommen, denen sie an die Hand arbei ten und die sie bezahlen.So lange daher die Fabriksherren selbst nicht in unabweisliche Pflicht und Verantwortlichkeit genommen werden, bei Aufnahme der Jugend in die Fabriken sich genau an das gesetzliche Alter zu halten (denn es werden schon Kinder von 6 Jahren aufgenommen), dann für den ordnungs gemäßen Besuch der Abendschule von Seite der noch Wochenpflichtigen Ju gend und der Wiederholungsschulen und Christenlehre von Seite der Lehr linge zu sorgen, so lange dürfte ein segenvolleres Gedeihen noch lange in das Bereich der leeren Wünsche ge hören. 8. daß in diesen Fabriken und Werk stätten an Sonn- und Feyertagen allge mein und in der Regel gearbeitet werde, wird laut anruhenden Ausweises in al len dießfalligen Eingaben bezeuget. 9. Bezüglich des von Seite der in den Fabriken beschäftigten Jugend zu ent richtenden Schulgeldes besteht vielfach, besonders in dem Reindorfer Bezirke, die Gewohnheit, daß die Kinder selbst oder respective ihre Eltern dasselbe zahlen müssen, indem die Kinder, wie bereits mehrere Mahle erwähnt worden, nicht zunächst von den Fabriksherren, sondern von den Gesellen aufgenommen werden. Das ist aber auch, wie ebenfalls bereits angedeutet worden,jener osten sible Beweggrund, warum sich die Fa bricksherren selbst von aller Mitwir kung an leiblichen und geistlichen Wohl dieser körperlichen und religiös-sittli chen Krüppel loszählen zu können sich überreden und geriren. Schuldistricts-Aufeicht Klostemeuburg am 31. Oktober 1843 Hieronymus Österreicher Dechant Ausdem DekanatPottenstein* Bericht über den Zustand der in den Fabriken des Pottensteiner DekanatsBezirkes verwendeten Jugend vom Jahre 1843. Hochwürdigstes f.e. Consistoriumt Da die Fabriken und insbesondere die Baumwoll-Spinnerey-Fabriken sich von Jahr zu Jahr vergrößern und vermehren und eine immer größere Anzahl von Kindern in selben verwendet wird, so steigert sich auch zugleich die Nothwendigkeit, daß die genaue und treue Erfül lung der von der so weisen und men schenfreundlichen österreichischen Staatsverwaltung zur Erzielung einer religiös-moralischen, intellektuellen und physischen Erziehung der in selben be schäftigten Jugend erlaßenen Verord nungen streng überwacht werde, weil hier die so mächtigen Leidenschaften der Gewinnsucht und des Eigennutzes leicht mit der Humanität in Konflikt gerathen. Der gehorsamst Gefertigte hat demnach auch bey seinen heurigen Schulvisitatio nen diesen CJegenstand besonders ins Auge gefaßt. Im Pottensteiner Schuldistrikte befin den sich 7 Baumwoll-Spinnfabriken, nämlich zu Fahrafeld, Leobersdorf, Pottenstein, Sollenau, Schönau, Steina brückl und Thaßhof, in welchen sowohl elementar- als auch wiederholungs schulpflichtige Kinder zu Arbeit ver wendet weden.Die Anzahl derselben ist folgende; Elementarschulpflichtige Knaben 29 Elementarschulpflichtige Mädchen 19 Summe 48 Wiederholungsschulpflichtige Knaben 50 Wiederholungsschulpflichtige Mädchen 35 Summe 85 Uibrigens ist das nur eine Durch schnittszahl, indem im Jahre hindurch, so wie sich die Arbeit vermehrt oder vermindert,auch die Zahl der Arbeiten den zu- oder abnimmt. Die Kinder sind theils solche, deren Eltern im Fabriks orte wohnen, theils solche, welche von andern Orten und vielfältig auch über die nahe ungarische Grenze Montags friih zur Arbeit kommen und Samstags Abends wieder heimkehren. Die einzige in diesem Dekanate noch bestandene Fabriksschule zu Fahrafeld ist nun eingegangen und dafür in Pottenstein in einem passenden Lokale des Fabriksgebäudes eine neue errichtet worden, welche alle schulfähigen Kinder aus der Fahrafelder und Pottensteiner Fabrike besuchen. Auch ist es endlich der Schuldistrikts-Aufsicht mit vieler Mühe und nach unaufhörlichen Ermah nungen gelungen, daß der ungeprüfte Lehrer, der bisher den Unterricht ertheilte, entfernt worden und an seiner Stelle ein excurrirender, geprüfter Gehüfe von der Pottensteiner Marktschule getreten ist, so wie auch die Kinder in der Religion von dem H. Kooperator daselbst ordentlich unterwiesen werden. In den andren Fabriken empfangen die Kinder in der gewöhnlichen Orts schule täglich durch eine Stunde von 12-i Uhr den Elementar-Unterricht, welcher aber sehr nachläßig besucht 31

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