Wiener Diözesangeschichte 1960 - 1996

geschieht es in Spinnfabriken, wo es auch Spinnmeister, Spinner und viele Knaben gibt, die durch ein langes Arbei ten in Spinnfabriken Lust zur Spinnerey bekomen und sich zu Spinnern qualificiren, allein, da kein Freysprechen statt findet, sondern diese Knaben in spä thern Jahren von den Directoren als fertige Spinner angenommen und be zahlt werden, so besuchen sie um so weniger Sonntagsschule und Chri stenlehre, weil für sie keine solche Zeugniße nöthig sind; es dürfte hierin von Seite der Staatsverwaltung für die Spinnfabriken eine andere Verfügung erlassen werden. 5. Ob die Arbeitskinder auch an Sonn tagen zu Fabriksarbeiten verwendet werden? Die Spinnmaschinen stehen wohl an Sonntagen in Spinnfabriken stille, aber da wird die Wollputzmaschine in Bewe gung gesetzt und geht an Sonntagen durch mehrere Stunden, dort werden die Maschinen geputzt, hier wieder in der Kraz gearbeitet, fast alle Sonntage von 8 Uhr flrüh bis 1 Uhr Nachmittags; hiezu verwendet man auch schulfähige und Wiederholungspflichtige Kinder; daß in diesem Falle solche Kinder weder Kirche noch Schule sehen, ist leicht zu fassen, denn um 8 Uhr sollen diese Kinder in Arbeitskleidern schon in der Spinnfabrik seyn; wie könnte solches geschehen, da der Frühgottesdienst um 8 Uhr endet? Und Nachmittags 1 Uhr, wo die armen Kinder sich schon geplagt haben, wie sollten sie Lust zur Sonn tagsschule haben, die um 1 Uhr beginnt, und zur Christenlehre. Wahrlich, dem Unterzeichneten kommen die Spinnfa briken als Colonien vor, die ohne Ge setze leben, nach freyer Willkür thun und auch den Sonntag aufheben kön nen. In den Kottonfabriken geschieht es auch manchmal, daß gearbeitet wird, vorzüglich wenn Jahrmärkte einfallen und gerade diese oder jene Waaren gesucht werden, oder wenn schon zube reitete Farben verbraucht werden sol len, weil sie sonst zu Grunde gingen; in solchen selteneren Fällen wird der Pfar rer um Erlaubniß angegangen, nach geschlossenen Frühgottesdienste, dem die Leute beywohnen müssen, einige Drucktische beschäftigen zu dürfen, und bey dieser Gelegenheit allein geschieht, daß auch einige Streicherkinder an Sonntagen arbeiten müssen. 6. Wer dieselben zum Schulunter richte bringt und wer darüber wachet, daß keines dieser Kinder sich demselben entzieht? Die schulfähigen Kinder müssen, wenn Ordnung seyn soll, durch einen verläßlichen, ordentlichen Mann nach geschlossener Arbeit gesammelt und zum Schulunterricht geführt werden; bey grösseren Schaaren ist es nöthig, besonders wenn die Schule entfernt liegt, zwey Führer zu bestimmen, die von der Fabrik für ihre Mühewaltung bezahlt werden; da geschieht es aber bey manchen Fabriken, daß sie aus wahrhaft niedriger Oekonomie für die Führer nichts thun, sie befehlen dem nächsten besten, versteht sich gratis, die Kinder zur Schule zu geleiten; dies thut nun einer 2mal oder 6mal, dann läßt er es wieder seyn und die Kinder kommen zerstreut, in größter Unordnung, zur Schule, welche Störung im Unterricht und vielseitiges Wegbleiben der Kinder zur Folge hat. Die hochlöbliche Staats verwaltung geruhe daher zu verordnen, daß künftig ein, oder nach der Kinder anzahl zwey Führer, die dem Pfarrer und Schullehrer namhaft zu machen sind, aufgestellet werden; den Gesellen soll aber aufgetragen werden, ihre un tergeordnete Kinder, sobald die Schul zeit da ist, sogleich zu entlassen und sie nicht erst zu verschiedenen Schickun gen zu gebrauchen. 7. Ob sie den Unterricht in der Orts schule oder in der Fabrik erhalten? Fischamend hat in der Fabrik ein lichtes, ordentlich eingerichtetes Schul zimmer, wodurch in Bezug des Unter richtes auch viel gewonnen ist, indem die Kinder aus der Fabrik sogleich ins Schulzimmer treten. Schwadorf hat die nebengelegene Ortsschule zum Gebrauch, wohin die Kinder höchstens einige Schritte zu ge hen haben. Die grosse Druckfabrik in Kettenhof benützt zum Unterrichte die Ortsschule in Schwechat und hat in ihren sehr ausgedehnten Lokalitäten noch keinen Ort in der Fabrik zur Abhaltung der Schule ausfindig gemacht, was wirklich von großen Nutzen wäre, indem die Kinder, ohne sich zu verlaufen, sogleich ins Schulzimmer treten könnten; da diese Fabrik mehrere 1000 Gulden auf verschiedene Maschinen zum Geschäfte verwendet, so würde es sie auch sehr empfehlen, wenn zum Wohle ihrer Ar beitskinder in der Fabrik ein eigenes, gut eingerichtetes Schulzimmer be stünde. Puncte in betreff der sittlichen Bil dung. Nach der Ansicht des Unterzeichneten dürfte es zu Beförderung der sittlichen Bildung höchst nöthig seyn, wenn die hochlöbliche Staatsverwaltung befehlen möchte, daß die schulfähigen Fabriks kinder zur Verrichtung ihrer h. Beichte und Communion an den vom Pfarrer, nach Vorschrift, zu bestimmenden Ta gen von Fabriksherren oder ihren Arbei tern in Vereinigung gelassen würden, denn nur dadurch, wenn alle Kinder unter Anleitung ihrer Lehrer und Kate cheten zu diesen h. Handlungen geführt werden, würde, mit Gottes Gnade, der sittliche gute Erfolg zu gewarten seyn; aber so geschieht dieses h. Geschäft von den Arbeitskindern in den Fabriken höchst prekär, indem einige besser ge sinnte Gesellen ihre Kinder an den bestimmten Beicht- und Communiontagen entlassen, dagegen ein grösserer Theil nicht und sagen, du kannst ein andersmal gehen und somit wird auch die ganze religiöse Handlung oft ausserachtgelassen und vergessen. Auch in Betreff der in den Cottonfabriken arbeitenden Manns- und Weibs personen, vorzüglich der fremden, die sie zur Arbeit aufnehmen, und wegen geringer Zahlung sich kein eigenes, an gemessenes Schlaflocale miethen kön nen, dürfte die Staatsverwaltung ein besonderes Augenmerk wegen ihres Zusammenwohnens in den Fabriken rich ten, denn da ist nur zu oft kein abgeson dertes Schlaflocale nach den Geschlech tern bestimmt, sondern man läßt diese Leute auf Böden, in Schupfen, oder wo sie sonst wollen, schlafen; welch Unfug da geschieht,läßt sich denken;allein die Fabriksherren bekümmern sich nur um wohlfeile Arbeit, an übrigen ist ihnen wenig oder nichts gelegen. Indem nun die Arbeitskinder in den Fabrikslocale öfter herumkomen und von solchen Dingen sprechen hören, oder auch diese Localitaeten aufspüren,so dürfte solches auf ihre Moralitaet den schlimmsten Eindruck machen. Schuldistrikts-Aufsicht Fischamend in Schwechat,22. April 1839. Georg Freystadtler Dechant und Schuldistrikts-Aufseher des Fischamender Bezirks Ausdem Dekanat Klosterneuburg^ Bericht! über die in den Fabriken dieses Decanatsbezirkes beschäftigte schulfähige Jugend vom Jahre 1843 Laut des angebogenen Ausweises über die in diesen Klosterneuburger-Decanatsbezirke in den Fabriken und sonsti gen größeren Druckerwerkstätten be schäftigte schulfähige Jugend geht her vor,daß sich 1. in diesem Bezirke zwar keine groß artigen Fabriken, wie etwa in Potten dorf, Steinhof, Felixdorf,Trumau,in der Nadelburg u.s. f., wohl aber mehrere minder ausgedehnte, eigentlich nur grö ßere Druckerwerkstätte, in Anzahl circa 50 und darüber bestehen. Was gerade das Gedeihen des Unterrichtes für die fragliche Jugend um so schwieriger macht, indem die Kinder aus verschie denen Fabriken zu verschiedenen Zeiten und gerade im Sommer sehr spät entlas sen werden, die Fabriken nicht selten wechseln und nur von den Gesellen aufgenommen und bezahlt werden, so daß die Fabriksherren sich diesen un glücklichen Kindern gegenüber zu gar nichts verpflichtet halten; daß 2. überall, wo fabriksartige Beschäfti gungen bestehen, auch in Meidling, Gaudenzdorf, St. Veit, wo bis zur Promulgation der hohen Regierungs-Verord nung von 16. July 1839 noch keine eingerichtet waren, Abendschulen für die in Frage stehende Jugend eingeführt sind; daß 3. ausgewiesenen Maaßen mehr denn 300 schulpflichtige Kinder in diesen Fa briken und fabriksartigen Werkstätten beschäftigt werden, welche, wenn zeit weise wohl etwas emsiger, so doch im Allgemeinen und beinahe in der Regel sehr sparsam, unterbrochen und zu un gleicher Zeit und uberdieß noch, weil müde, schlaftrunken und hungrig, also auch zum Lernen nichts weniger auch disponirt,in die Schule kommen;daß 4. in jeder der für diese unglückliche Jugend eingerichteten Abendschulen wöchentlich eine Stunde Religionsunter30

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