Wiener Diözesangeschichte 1960 - 1996

Stunden, wie es auch zum größten, Theile jetzt geschieht und beschöniget wird, mit der Drohung fordern,sie sonst zu entlassen, und so wieder die alte Sklaverey stattfände. Ferner muß be merkt werden,daß bey einer künftig zu bestimmenden gemäßigten Arbeitszeit den vielen Kindern, die aus benachbar ten, oft entfernten Ortschaften täglich zur Fabriksarbeit konunen,für ihr Hinund Nach-Hause-Gehen eine große Wohlthaterwiesen würde. Indem der Unterzeichnete dieß vor ausschickt, antwortet er jetzt auf die gestellten Fragen: I. Wie viele Fabriken im Bezirke be stehen, und welche schul- und wied«- holungsunterrichtspflichtige Kinder zur Arbeit verwendet werden? Im Dekanat Fischamend sind 7 Fa briken. nämlich 5 Spinnfabriken und 2 Kottonfabriken: Die Schwadorfer Spinnfabrik ist groß und ausgedehnt, darin arbeiten theils schuißhige, theils wiederholungspüichtige Knaben und Mädchen, beyläufig 111. Dann die Fischamender Spinnfabrik, mittlerer Gattung, darin arbeiten schul fähige und Wiederholungspflichtige Kna ben und Mädchen 20. Dann die Ebergassinger Spirmfabrik, größerer Art, hatte unter den früherem Fabriksbesitzern Schmid eine Fabriks schule,die aber von der Oekonomie des jetzigen Besitzers mit Ende 1837 aufge lassen wurde; in dieser Fabrik arbeiten Jetzt bloß Wiederholungspflichtige Kna ben und Mädchen 52. Dann kommen die in der neuesten Zeit entstehenden 2 Spinnfabriken, ge hörig zur Pfarre Schwechat,wovon eine in Schwechat, kleinerer Art, mit bloß Wiederholungspflichtigen Knaben und Mädchen,beyläufig 12,die andere in der Filiale Rannersdorf, größer« Ausdeh nung,mit bloß Wiederholungspflichtigen. Kindern, beyläufig 20; die 2 Cottonfabriken heißen Kettenhof^ von größer« Ausdehnung, wo bloß schulpflichtige Kinder,Knaben und Mädchen,60 bis 70, arbeiten, die den Cottondruckern zur Seite stehen und ihnen die Farben strei chen, daher man sie Streicherkinder heißt, dann Fischamend, wo ebenfalls schulpflichtige Kinder, Knaben und Mädchen,beyläufig 15,beschäftigt sind. a. Anmerkung: Rücksichtlich der schulföhigen Kinder besteht ohnehin das heilsame Gesetz, daß vor dem Antritte des 9ten Jahres kein Kind zur Fabriksar beit aufgenommen werde, allein, da es doch öfters geschieht,so dürfte es höchst wünschenswerth seyn, wenn in dem abzufassenden Normativ auch dieses Gesetz neu eingesehärft würde, daß weder von den Fabriksdirectionen. noch von den Arbeitern, falls diese die Kinder aufiiehmen, wie es oft Gebrauch ist, ein Kind vor dem Antritte des 9ten Jahres angenommen werde und ein solches aufgenommenes Kind sogleich unt« einem Pönfall zu entlassen wäre. b. Anmerkung: In Rücksicht jener Fabriken, die aus lauter Oekonomie bloß der Schule entwachsene oder wiederholungspflichtige Kinder zur Arbeit nehmen, dürfte wohl unter gesetzlicher Strafe verbothen seyn, vor dem 12ten Jahre ein Kind zur Fabriksarbeit zu nehmen,und hievon hätte sich jedesmal der Fabrütsherr oder die Arbeiter selbst, wenn von diesen die Aufiiahme der Kinder abhangt,durch ein Certificat des Pfarrers zu versichern, weil die Erfah rung lehrt,daß Kinder schon mit II oder llVi Jahren aufgenommen werden, und bis der Pfarrer oder Schullehrer, beson ders bey grossen und ausgedehnten Pfarren, hievon zur Kenntniß gelangt, hat das Kind bereits 12 Jahre erreicht, allein es ist durch ein oder ein halbes Jahr dem ordentlichen Schulbesuche entzogen worden; vorzüglich dürfte die hochlöbliche Staatsverwaltung auf die eigenen Kinder der Fabriksarbeiter und Spinner sehen, welche meynen, ein Recht zu haben,ihre eigenen Kinder vor der Zeit aus der Schule zu nehmen und sie zur Fabriksarbeit zu verwenden; hiezu kömmt noch der Umstand,daß die Spinner in verschiedene Fabriken um ziehen und so ihre Kinder, wo sie noch unbekannt sind, zur Fabriksarbeit ge brauchen, da der Pfarrer von dieser oftmaligen Umsiedlung keine Kenntniß erlangt, auch solche Spinner bald wie der wegsiedeln,so dürften solche Kinder oft gänzlich dem Schulbesuche entzogen werden;es wäre demnach sehr ersprieß lich, wenn Spinner mit ihren Familien bey Urbersiedlungen entweder durch die Fabriksh«ren,oder durch die Hausher ren oder Ortsrichter beym Pfarrer ange zeigt würden. 2. Wie lange die Arbeitszeit in densel ben dauert und wie lange sie eigentlich dauern sollte? Die Arbeitszeit, wie bereits vorne ge sagt, beginnt in einigen Spinnfabriken um 4 Uhr Morgens bis 9 Uhr Nachts, in andern um 4 Uhr Morgens bis 8 Uhr Nachts, in andern um halb 5 oder 5Uhr früh bis halb 8 oder 8 Uhr. Nach der Arbeitszeit der ersten, worin ausschließ lich der Schule entwachsene oder wiederholungspflichtige Kinder arbeiten, abgerechnet die Mittagsstunde, halbe Stunde Frühstück, halbe Stunde Jausen, arbeiten solche Kinder 15 Stunden, ge wiß enorme Zeit* Nach der Arbeitszeit der zweyten, worin schulfähige sind, die eine Unterrichtsstunde genießen, und wo die Arbeit bis 8 Uhr dauert, arbeiten die Kinder 14 Stunden; endlich nach der Arbeitszeit der letztem, humansten, ar beiten die Kinder, weil sie lauter schul fähige haben und späther anfengen und fifiher schließen, 12 Stunden,auch noch viel für Kinder? Der Unterzeichnete würde also beantragen, daß im Sommer von 5 bis 8 Uhr, im Winter von 6 bis 7 Uhr die Kinder zur Arbeit verhalten werden, wahrlich Arbeitszeit genug für die Spinnfabriken und für den armseli gen Lohn mit 1 fl. W.W., so den armen Kindern wochentKch ausbezahlt wird. Die Streicherkinder in der Fischamen der Druckfabrik, weil sie die Unter richtsstunde von 11 bis 12 Uhr haben und Mittag, Frühstück und Jausen 1'/i Stunden beträgt, arbeiten durch 11'A Stunden, gewiß genug beym scharffen Geruch der Farben und bey der in den Druckstuben obwaltenden Hitze; dage gen in der Kettenhofer Druckfabrik, wo die Unterrichtsstunde erst zur Nachtzeit nach geschlossener Arbeit eintritt,arbei ten die Streich«kinder 12'A Stunden, gewiß mehr als genug? Und dafür bezie hen sie wöchentlich, man höre ihren Lohn,30,auch 36 Kreuzer W.W.Mitd« Arbeitszeit der Streicherkinder, weil sie sich nach d« Länge od« Kürze des Tages richtet, könnte man vielleicht zufrieden seyn,jedoch wäre es bey d« Druckfabrik in Kettenhof wünschens werth, daß sie auch die Unterrichts stunde von 11 bis 12 Uhr, wie es bereits die Druckfabrik in Fischamend mit gu tem Erfolg gethan, annehmen möchte; da dürfte es wohl einige Beschwerden von iSeite der Druckergesellen geben, welche die Unterrichtsstunde bey ihr« Arbeit verli«en; allein, da die inteUectuelle Bildung dieser armen Kinder vor zügliche Berücksichtigung erheischt, in dem sie Abends schon matt und schläf rig und zum Lernen nicht mehr aufge legt sind, auch beym Lampenschein ihre Augen leiden, die schon durch die Schärfe der Farben hart mitgenommen werden, so dürfte endlich die Umände rung der Unterrichtsstunde auch in Ket tenhof stattfinden; diese Veränderung würde auch nicht den Verdienst der Drucker schmälern, wenn sie nur stets ordentlich fortarbeiten und nicht so oft massige Montage tmd auch Dienstage machen möchten. 3. Zu welcher Zeit und durch wie viele Stunden und von wem die Arbeits kinder den Unterricht in der Religion und in den andern Lehrgegenständen erhalten? In der grossen Spinnfabrik zu Schwa dorf haben die kleineren Kinder täglich von 10 bis 11 Uhr, die grösseren von 11 bis 12 Uhr, und zwar den Religionsun terricht vom H. Pfarrer jeden Freytag durch 2 Stunden; die übrigen Lehrge genstande trägtder Schulgehülfe vor... 4. Ob von denselben die Sonntags schule und Christenlehre besucht wird? Diese Frage dürfte bloß die der Schule entwachsenen oder Wiederholungspflichtige Kinder angehen. Hier muß man bekennen, daß Sonntagsschule und Christenlehre nicht versäumt werden, wenn anders an den Sonntagen, wie es sich geziemt,der Ruhetag gehalten wird; allein nur zu häufig geschieht es. daß an Sonntagen die wiederholungspflichtige Jugend und auch andere Kinder zur Arbeit angehalten werden, wie die un ten stehende Frage und Antwort weit läufig darstellt. In Bezug der Sonntags schule und Christenlehre hat man die Staatsverwaltung auf folgendes auf merksam zu machen, nämlich; in den Cottondruckereyen ^bt es Druckmei ster,(Gesellen und Lehrjungen und eben so bey den zu obigen Fabriken gehörige Formstecher; diese Lehtjungen von Druckern und Formstechem brauchen zum Freysprechen ein Christeniehr- und Sonntagsschulzeugniß, was sie antreibt, ihrer Pflicht Genüge zu thun; nicht so 29

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