Wiener Diözesangeschichte 1960 - 1996

zu allererst ging es ihm um das Heil der Menschen im Sinne des christlichen Glaubens. Hier war er, wie kein anderer in Wien, Beichtvater, Seelenführer und Prediger für die Lehrlinge und Arbeiter, die ihn auch oft bis spät in die Nacht hinein aufsuchten. Aber weiter in der Geschichte: 1896 konnte ein Grundstück in Penzing, Reinigasse erworben und dort am 24. Oktober 1897 Haus und Kirche zum hl. Josef eingeweiht werden. Der erste Schritt nach „außen"; 9 Mitbrüder ka men in das neue Haus. Der Mitglieder stand war auf etwa 40 gestiegen, aller dings gab es immer wieder viele Aus tritte. Rührend muten die in der Ordens zeitschrift immer wieder sich findenden Spendenaufirufe an. Sowohl für die Kir che in der Idagasse als auch das neue Gotteshaus in der Reinigasse wurde buchstäblich jeder Leuchter, jede Sta tue, jedes Meßgewand erbettelt, es fehlte immer und überall am Geld. Ebenfalls 1897 wurde für die freigewor denen Lehrlinge das „Arbeiter-Ora torium unter dem Schutz des heiligsten Herzens Jesu" gegründet; dieses erwies sich als eine der fruchtbarsten und ausdauernsten Seelsorgsbemühungen der Kalasantiner. 1902 wurde die dritte Kalasantinerniederlassung in Deutsch Göritz, Südsteier mark errichtet, ursprünglich mit der Absicht, dort ein Versorgungshaus für arme, erwerbsunfähige Arbeiter einzu richten. 1903 wurde in Wien-Breitensee das Kollegium zur Hl. Familie als Novi ziatshaus mit angeschlossenem Knabenasyl gegründet. Die Novizen sollten dort unter der Leitung des jungen, sehr viel versprechenden P. Rudolf Machazek in das Ordensleben eingeführt werden.Lei der starb P. Machazek schon im Jahr darauf an der galoppierenden Tuberku lose. 1906 zählte die Kongregation 60 Mitglieder. 1907 wurde in Wolfsgraben im Wienerwald das Kloster zum „Hellig sten Herzen Jesu" errichtet,es sollte das „Maschinenhaus der Gemeinschaft wer den" und besonders der Anbetung des eucharistischen Herrn dienen. 1908 über nahm die Kongregation die „Landeser ziehungsanstalt Stadlhof* südlich von Bozen im Etschtal. In diesem Jahr wurde auch das an das Mutterhaus angrenzende Haus erworben und als Immaculatahaus mit einem 400 Perso nen fassenden Theatersaal für die Zwecke der Kongregation umgebaut. 1913 gingen die Kalasantiner in die ge werbliche Fortbildungsschule in der Mollardgasse, um dort den am Sonntag(!) die Schule besuchenden Lehrlin gen die Mitfeier der hl. Messe zu ermög lichen. Krieg,Krise,Reife Das silberne Jubiläum der Kalasanti ner war bereits vom Ausbruch des Krie ges gekennzeichnet, viele Brüder muß ten zu den Waffen, so daß der Betrieb nur unter dem Einsatz aller Kräfte auf rechterhalten werden konnte. Der Zer fall der Monarchie traf die Kongregation wie ein Keulenschlag;Schwartz war und blieb ein glühender Anhänger der Habs burger und der Donaumonarchie, Natio nallsmus war ihm als „Österreicher" stets zuwider. Sechs Brüder hatte die Gemeinschaft im Krieg verloren, 17 kehrten nicht mehr zurück. Es galt neu anzufangen, mitten in drückender mate rieller Not. Das Jahr 1919 brachte nach dem Erscheinen des CIC 1917 das erste (jeneralkapitel, bei welchem besonders die jungen Priester „rebellierten" und Neuerungen auf vielen Gebieten ver langten. Bei der Wahl des Generalsuperiors erhielt Schwartz nicht die notwen dige Stimmenmehrheit, so daß nur durch eine autoritäre Entscheidung des Kardinalerzbischofs Piffl, der beim Kapi tel anwesend war, Schwartz wieder als Ordensoberer eingesetzt wurde. Dieses Ereignis hat Schwartz schwer und hart getroffen und macht sein Schicksal dem seines Ordenspatrons und persönlichen Vorbildes Josef Kalasanz sehr ähnlich. (Schwartz; ,,Was den Namen Kalasanz trägt, kann ohne Leid nicht bestehen".) 1920 wurde ein siebtes Haus gegrün det, das Kollegium zum „Guten Hirten" in Budapest. Zu dieser Zeit zählte die Kongregation wieder 61 Mitglieder. Im Lehrlingsheim waren 107 Lehrlinge un tergebracht, in den Oratorien waren mehr als 600 Lehrlinge integriert. Man ersieht, daß die Tätigkeit nach dem Krieg in vollem Maß wieder aufgenom men wurde. 1926 erfolgte die Gründung des Kollegiums zur Hl. Barbara in Blumau bei Wiener Neustadt. Ebenfalls in diesem Jahr konnte Schwartz die päpst liche Approbation der Ordensregel erle ben,was ihn sehr bestärkte. 1928 wurde das Kollegium in Deutseh Göritz zur Pfarre erhoben, was sicher einen nicht unbedeutenden Schritt in der Entwicklung ausmachte. 1929 zählte die Kongregation 72 Mitglieder. Nach langer Krankheit und vielen Ehrungen von selten des öffentlichen Lebens starb der Stifter der Gemein schaft am 15. September 1929 in Wien. Sein Begräbnis glich einem Triumphzug, und die Nachrufe überboten sich in Anerkennungen der Pionierleistungen des Verstorbenen und seiner Gemein schaft. 2. Vom Tod des Stifters bis zur Gegen wart Die Ereignisse in der Arbeiterkongre gation während der folgenden Jahre bis zum Zweiten Weltkrieg waren ähnlich unruhig wie die damalige politische Ent wicklung. Zum einen kam in den Köp fen vieler Kcngregationsmitglieder trotz des Fehlens des Stifters eine gewisse Euphorie auf, da P.Schwartz zu Lebzei ten öfters eine kommende große Aus breitung des Ordens „prophezeit" hatte: „Wenn ich einmal nicht mehr bei euch bin, dann wird die Kongregation sich sicherlich immer mehr festigen und äußerlich sich ausbreiten." „Es wird die Zeit kommen, wo auch unsere Kongre gation zehn-, zwölf- und vierzehntau send Mitglieder haben wird." Diese Zeit schien nun anzubrechen. Noch im To desjahr des Stifters wurde im Rahmen der ordensinternen Druckerei mit der Herausgabe einer Kleinbücher-Reihe be gonnen. die neben der ersten P.- Schwartz-Biographie hauptsächlich das literarische Schaffen der Kongregation zum Inhalt hatte, aber keine größere Bedeutung erlangte. Im September 1930 erfolgte mit dem insgesamt achten Kollegium die erste Neugründung: St. Leopold in Wiener Neustadt. Dieses Haus samt Pfarrkirche war geplant als Ausgangspunkt für den Bau einer Kirche auf dem ehemaligen Neustädter Flugfeld, die dann in abge wandelter Form aus einem ehemaligen Kesselhaus hervorging und im Dezem ber 1934 eingeweiht wurde. Das neue Kollegium beherbergte auch das gleich zeitig hierherverlegte Studentat (d. h. Gymnasiasten, die nach der Matura ins Noviziat eintreten wollten). Ebenfalls 1930 erfolgte die Verlegung des Novizia tes vom Pompiliusheim in Breitensee nach Blumau. Zwar konnten 1931 nicht alle vier geplanten Niederlassungen errichtet werden, doch gelang die Einrichtung eines eigenen Noviziates im Budapester Kollegium; die Eröffnung des „Marien heimes" in St. Josef, Reinigasse (das angrenzende Haus Nr.27); der Beginn der bis 1935 dauernden Seelsorgsperiode an Arbeitern beim Bau der Großglocknerhochalpenstraße durch P. Stüetz; die Einweihung eines ehemaligen Kühlhau ses in Neurißhof bei Blumau als Gottes dienststätte, welche 1936 durch die adap tierte ,,Konsumkirche" zum Hl. Josef ersetzt werden konnte und die Eröff nung des 9. Kollegiums „St.Theresia auf der Heide" in Welzenegg bei Klagenfurt. Als Stützpunkt für eine erhoffte und vorangetriebene Ausbreitung nach Deutschland diente ab 1932 das neue St.- Elisabeth-Kollegium in der Salzburger Vorstadt, welches jedoch wegen finan zieller Nöte 1934 wieder aufgelassen werden mußte. Die letzte und elfte Niederlassung in dieser Zeit des Stände staates war das Kollegium zum Heilig sten Herzen Jesu in Krocehlavy in Böh men, welches trotz behördlicher Schika nen im September 1934 eröffnet werden konnte. P.Effenberger,dem ersten Nachfolger von P. Schwartz im Amt der Ordenslei tung, gelang es trotz der immer bedroh licher um sich greifenden Folgen der Weltwirtschaftskrise die genannten „Bil ligprojekte" zu realisieren. Das Leben der zahlreichen Vereine und Zellen der Kalasantinerfamilie ging in diesen Jahren nach dem Tod ihres Gründers zwar seinen gewohnten Gang, doch schien es sich darin auch zu er schöpfen - der Kopf und die Vision fehlten. Neue Aufgaben Im Ständestaat Ordensintern hatte P. Effenberger das schwere Amt, die Stifterspiritualität zu bewahren und zu entfalten. Angesteckt von den umwälzenden äußeren Ent wicklungen (Aufblühen der ständestaat lichen Organisationen, der Jugendbewe gung, der Exerzitienbewegung, der Bi belbewegung und der Liturgischen Be wegung,die Selbstausschaltung des Par laments im März 1933, die ständestaatli che Verfassung auf der Basis der neuen Sozialenzyklika „Quadragesimo anno", der Katholikentag 1933 und der Neuauf27

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