Wiener Diözesangeschichte 1960 - 1996

fand eine Besprechung im Ministerium statt. Bereits im Juli wurde der Entwurf einer provisorischen Kirchenbeitrags ordnung, die allerdings nur für das Jahr 1939 gelten sollte, beraten. Im August wurde die Arbeit aufgeteilt: Wien übernahm die Ausarbeitung einer Pfarrkirchenratsordnung, St. Pölten be faßte sich mit der zweiten Korrektur der Kirchenbeitragsordnung und Salzburg arbeitete einen Entwurfeiner Geschäfts ordnung der zukünftigen Diözesanfinanzkammern.'^ So konnte schließlich bereits am 18. September 1939 eine gemeinsame Kir chenbeitragsordnung erlassen werden, welche dann am 23. September die staatsaufsichtliche Genehmigung erhielt und am 30. September 1939 als „Provi sorische Kirchenbeitragsordnung" im Wiener Diözesanblatt publiziert wurde. Mit gleichem Datum wurde auch die neue Pfarrkirchenratsordnung für die Erzdiözese Wien veröffentlicht. Die ^45-48 behandelten den neuen Wir kungskreis des Pfarrkirchenrates in Kir chenbeitragsangelegenheiten. §46 hebt die Bedeutung der neuen Aufgabe her vor; „Der Pfarrkirchenrat hat sich vor Augen zu halten, daß von seiner Tätig keit auf diesem Gebiete in weitgehen dem Maße die finanzielle Kraft der Di özese zur Bestreitung sowohl ihrer allge meinen Bedürfnisse als auch der Bedürf nisse der einzelnen Pfarren abhängt. Es wird daher von ihm in der Erfüllung seiner Aufgaben ein ebenso festes, wie taktvolles Verhalten gegenüber allen Kirchenbeitragspflichtigen erwartet.Ins besondere wird er auch in der Lage sein, durch persönliche Aufklärung von Mann zu Mann auftauchende Schwierigkeiten zu beheben.'""- Eine Pfarrkirchenrats ordnung war schon im April 1939 erlas sen worden,'" weil das Ministerium für innere und kulturelle Angelegenheiten die geltende Regelung, daß nämlich die Angelegenheiten der katholischen Pfarr gemeinden von den Ortsgemeindever tretern zu besorgen sind, beseitigt hatte. Sie wurde nun an die neuen Verhält nisse angepaßt. Ebenfalls mit gleichem Datum, den beiden Ordnungen vorangestellt, wurde ein gemeinsamer Aufruf der Erzbischöfe und Bischöfe der Ostmark über die Einhebung der Kirchenbeiträge veröf fentlicht. „In ernster Stunde", so heißt es hier, treten die Bischöfe an ihre Gläubigen heran. Sie sind sich bewußt, daß sie mit schweren Forderungen kom men. Aber; „...wir kennen eure Opfer gesinnung, in der ihr euren Vätern und Vorfahren nicht nachsteht. Diese habendie herrlichen Dome und Gotteshäuser gebaut und ausgestattet, haben dort Trost in kummervollen Tagen ge schöpft... Wollt ihr, daß der Gottes dienst veröde, das Ewige Licht vor dem Tabernakel verlischt und die Orgeln verstummen?" fragen die Bischöfe ihre Gläubigen. Und am Ende ihres Briefes appellieren sie an die Solidarität der Gläubigen: „...als der Herr auf Erden weilte, mußte er einmal das Wort sagen: .Die Füchse haben ihre Höhlen, die Vögel haben ihre Nester, doch der Men schensohn hat keine Stätte, wohin er sein Haupt legen könnte'.- Unter Chri sten soll er dieses Wort nicht wiederho len müssen!... In seiner Kirche tritt er nun hin vor euch und bittet um eure Opferbereitschaft Im Laufe des Septembers begannen bereits die einzelnen Finanzkammern, vorbereitende Tätigkeiten aufzunehmen. Mit der praktischen Durchführung konnte also Ende September 1939 be gonnen werden. Die Wiener Finanzkam mer begann am 1. Oktober 1939 mit ihrer Arbeit. Der erste Direktor war der spätere Bischof von Graz-Seckau, Dr. JosefSchoiswohl. Die neuen Mitarbeiter, in der Regel Laien, konnten für ihre nicht immer einfache Tätigkeit kaum eingeschult werden,da die Zeit drängte. Umso inter essanter sind die erhaltenen, auf einfa chen, abgezogenen Blättern vervielfäl tigten ,,Anleitungen ftir die freiwilligen Helfer und Inkassanten der KB 1939". Vollkommen klar und richtig wurde schon damals die große Bedeutung des Pastoralen Gesichtspunktes dieser gan zen, nun notwendig gewordenen Aktion, erkannt. Und so konnte der freiwillige Helfer lesen und befolgen: „....Aufjeden Fall Freundlichkeit und unbedingte Selbstbeherrschung allen ungeschickten und ungerechten Äußerungen der Par teien gegenüber; Anspielungen irgend welcher Art überhören." Punkt 7 der Anweisungen faßt alles zusammen: „Ruhe, Wissen, Sicherheit und über alles Liebe!!!"-' Aufabgezogenen Flugblättern wurden laufend Mitteilungen der Finanzkammer ausgegeben, um so immer den Erforder nissen der Stunde gerecht zu werden. Unterdessen wurde bereits an der Ausarbeitung einer definitiven KBO gearbeitet. Nach der Vorlage eines Ent wurfes von Seiten der Wiener Finanz kammer am 7. Dezember 1939, der so wohl im Ministerium, als auch bei einer Finanzkammerdirektorenkonferenz im Jänner 1940 diskutiert worden war, konnte mit 15. März 1940, rückwirkend mit 1. Jänner 1940, eine definitive KBO erlassen werden. Am 22. März 1940 erhielt sie ihre staatliche Genehmi gung." Am 28. Oktober 1940 wurden in den einzelnen Diözesen Diözesankirchenratsordnungen erlassen. Als Nachfolge rin des „Arbeitsausschusses" wurde die „Interdiözesane Kanzlei" mit dem Sitz in Wien, unter der Leitung von Dr.Josef Streidt, errichtet. Ihre Aufgabe war vor allem die Vertretung der kirchlichen Angelegenheiten bei den obersten Staatsbehörden.-' Die Einzahlung der Kirchenbeiträge sollte „durch persönliche überbringung, mittels Zahlkarte,Postscheck oder Post anweisung oder in jeder sonstigen, im allgemeinen Zahlungsverkehr üblichen Weise" erfolgen.-' Kirchenbeiträge, die nicht innerhalb eines Monats nach Fäl ligkeit gezahlt und auch nicht gestundet wurden, werden nach einer fruchtlos verstrichenen MahnfVist von drei Wochen durch den Pfarrkirchenrat ein gehoben. 33 sieht auch die Einklagung .beim Zivilgericht vor. Das Einklagen von Kirchenbeiträgen war auch damals schon ein Problem,das vor allem vom seelsorglichen Stand- .punkt aus immer wieder in Schulungs kursen und Pastoralkonferenzen auf der Tagungsordnung ganz vorne stand. In der Erzdiözese Wien wurden im Früh jahr 1940 in allen Dekanaten Kleruskon ferenzen abgehalten, auf welchen vom e.b. Seelsorgeamt eigens dafür be stimmte Referenten, mit Dr. Rudolf an der Spitze, grundsätzliche Information mit anschließender Diskussion anboten. Die einzelnen Referenten lieferten ihrer seits Berichte in das Seelsorgeamt, so daß die Probleme der Basis, bzw. der Front, deutlich gemacht wurden. Die Spannweite der angesprochenen Pro bleme reicht von der Beitragspflicht der Wehrmachtsangehörigen,über Konkubi narier, uneheliche Kinder, bis hin zu der Frage, wer ab nun für die Erhaltung der Turmuhr zuständig sei, oder ob es zuläs sig sei, daß der Pfarrer ab nun für die Zelebration in der von der Gemeinde erhaltenen Gemeindekapelle für jede Messe 10 RM erlegen müsse. Fast in jedem Bericht taucht aber auch die Frage der Mahnung der Säumigen, bzw. die mögliche Einklagung auf.-"' Am 30. Jänner 1941 erließ die Finanz kammer der Erzdiözese Wien ein von Direktor Schoiswohl gezeichnetes Flug blatt, welches sich mit der „Geltendmachung der Kirchenbeiträge durch Ein klagung" befaßt. Daraus geht hervor, daß es letztlich im klugen Ermessen der Pfarrkirchenräte läge, ob jemand ge klagt werden sollte oder nicht. Wörtlich heißt es: „Die Pfarrkirchenräte der ein zelnen Pfarreien werden zu überleger haben, ob sie bei der Finanzkammer die Einklagung jener Kirchenbeiträge bean tragen wollen, die von den Beitrags pflichtigen trotz Mahnung bisher nicht eingezahlt wurden." Punkt 2 lautet: „Von dem Antrag auf Klageerhebung wird Abstand zu nehmen sein, wenn ernste seelsorgliche und soziale Gründe dagegensprechen." In jedem Fall muß die Beitragspflicht einwandfrei festge stellt worden sein; sowohl vor Einbrin gung des Klageantrages von selten des Pfarrkirchenrates als auch vor Einbrin gung der Mahnklage durch die Finanz kammer wird jeweils noch eine letzte Mahnung verschickt,um aufdiese Weise jedes eventuell unnötige Ärgernis mög lichst auszuschließen.-'' Im Jahr 1943 wurde in der Diözese Linz im Rahmen der Frühjahrspastoral arbeit ein Generalreferat zum Thema „Die Kirchenbeitragsarbeit des Seelsor gers" erstellt, Dort heißt es, im Gegen satz zu der in der ersten Zeit mitunter eher euphorisch anmutenden Einstel lung mancher Priester, die in Sätzen gipfelte wie; „Die Kirchenbeiträge sind ein ausgezeichnetes Seelsorgemittel", nach dreüähriger Erfahrung eher sor genvoll: „Die Verweigerer sind ein be sonderes Sorgenkind der Kirchenbei tragsarbeit. Hier scheint es, daß sich finanzielle und seelsorgliche Rücksich ten widersprechen." Hier wird nun die Schwierigkeit, ja mitunter Unmöglich keit, zwischen seelsorglichen Erwägun gen einerseits und Gerchtigkeitsempfinden im Sinne einer allgemeinen Bei21

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