Wiener Diözesangeschichte 1960 - 1996

April 1939, Nr. 543, veröffentlicht. Es erfuhr insgesamt drei Durchführungs verordnungen. Von Bedeutung ist die erste vom 20. Juni 1939, sowie die dritte vom 30. März 1940. Sie brachte die Auflösung der Religionsfonds und den Übergang ihrer Rechte und Pflichten auf das Deutsche Reich. Das Kirchenbeitragsgesetz gab den Kir chen nun zwar das Recht, nach Maßgabe kirchlicher Beitragsordnungen durch kirchliche Stellen Kirchenbeiträge einzuheben, mit denen sie ihren Finanzbe darf decken sollten. Der Staat leistete den Kirchen dabei insofern Hilfe, als ausstehende Beträge ähnlich wie nicht gezahlte Vereinsbeiträge vor dem Zivil gericht eingeklagt und durch den Ge richtsvollzieher beigetrieben werden können. Die bis dahin bestehende Ver pflichtung des Staates zur Zahlung von Staatsleistungen an die Kirche wurde ausdrücklich aufgehoben. „Der Schädi gungseffekt war klar. Während der ka tholischen Kirche bisher Leistungen aus gesicherten Rechtstiteln zugute kamen, so z.B. die Kongrua der Seelsorgegeist lichkeit, die Leistungen aus öffentlichen Patronaten, wurde die katholische Kir che nun stattdessen aufKirchenbeiträge, ähnlich wie ein privater Verein auf Vereinsbeiträge, zur Deckung ihres Per sonal- und Sachbedarfs verwiesen. Der artige dem Grunde und der Höhe nach unsichere Einnahmen - deren gerichtli che Eintreibung im Hinblick auf die damalige Kirchenaustrittsbewegung höchst problematisch war - konnten aus tatsächlichen und rechtlichen Gründen keine Vorteilsausgleichung für entzo gene feststehende Leistungen darstel len."" Somit gelang es den Nationalsoziali sten in jedem Fall mit dem neuen Ge setz, die Rechtstellung der Katholischen Kirche beachtlich zu vermindern. Im Hinblick auf den privatrechtlichen Cha rakter der Kirchenbeiträge überließ zwar der Staat die nähere Regelung derselben der Kirche, die Kirchenbei tragsordnungen selbst und die Festset zung des Kirchenbeitrags bedurften al lerdings der staatlichen Genehmigung. Die Reaktion der Kirche erfolgte un mittelbar. Schon am 1. Mai 1939, dem Tag des Inkrafttretens des neuen Geset zes, fand sich bei Kardinal Innitzer eine Art Krisenstab zusammen, der ver suchte, grundsätzliche Klarheit über die Lage zu bekommen.In einem am 3. Mai bei einer neuerlichen Zusammenkunft gehaltenen Referat hieß es am Schluß zusammenfassend: „...Als Ganzes be trachtet und im Zusammenhalte mit den bereits vorher staatlicherseits seit März 1938 getroffenen faktischen und gesetzli chen Maßnahmen ist das Gesetz als ein Gesetz zur Trennung von Kirche und Staat zu werten, allerdings nicht einer Trennung in wohlwollendem oder auch nur indifferentem Sinne, sondern einer odiosen Trennung, die die Kirche wohl aller Rechte gegenüber dem Staate be raubt, aber nicht aus der Beherrschung durch den Staat entläßt,"'" Noch im Laufe des Monats Mai wurde ein Arbeitsausschuß gegründet, der un ter dem Vorsitz des St. Pöltner Bischofs Memelauer stand und sich ausschließ lich den nun anstehenden Problemen widmete. Der Anostoli.sche Nuntius wurde ebenso verständigt, wie die Fi nanzreferenten aller Diözesen.'' Im Zusammenhang mit der neuen Einrichtung blühten zum Teil bösartige Gerüchte auf. So schrieb z.B. am 15. Mai 1939 ein Katholik aus dem 15. Wie ner Gemeindebezirk, ein Präfekt der dortigen Marianischen Kongregation, folgenden Brief an das Ordinariat: „...Wegen der bevorstehenden Einhebung von Kirchenbeiträgen, (Kirchen steuer) werden unter der Bevölkerung haarsträubende Gerüchte verbreitet, daß selbst christliche Menschen es vor ziehen, lieber aus der katholischen Kir che auszutreten, als so hohe Beiträge zu zahlen. Es wird den Leuten erzählt, sie müssen sofort 30 RM und im Laufe des Jahres noch 70 RM zahlen. Jene, die jetzt nicht austreten, werden mit 30 bis 50 RM bestraft. Manchen wird gesagt, es sind 5 RM monatlich zu zahlen. Es wäre gut, wenn die Kirchenbesucher beijeder hl. Messe und mehreren Maipredigten belehrt und aufgeklärt werden, damit sie diesen unwahren Gerüchten bei je der Gelegenheit entgegentreten. Obwohl am verflossenen Sonntag ein Schreiben des hochwürdigen Herrn Kardinals ver lesen wurde, sind noch viele Leute in Unkenntnis.Es sind in letzter Zeit schon Leute aus der katholischen Kirche aus getreten, von denen man es nicht erwar tet hätte, die jeden Sonntag ihre Chri stenpflicht erfüllt haben... Wenn alle Katholiken aufklärend wirken, wird es möglich sein, den Kirchenaustritt einzu dämmen.""^ Mehrere rasch aufeinanderfolgende außerordentliche Bischofskonferenzen, am 12. Mai, 24. Mai sowie am 21. Juli entwarfen eine Strategie in dem Sinn, daß das Gesetz, unter dem Zwang der Verhältnisse nicht abzulehnen, wohl aber dagegen Protest einzulegen sei. Ein solcher schriftlicher Protest wurde mit Datum vom 31. Mai 1939, von Kardinal Innitzer in Vertretung des gesamten Episkopates unterzeichnet, an das Mini sterium für innere und kulturelle Ange legenheiten in Wien, an das Reichskir chenministerium und das Reichsministe rium des Inneren abgesandt. Der öster reichische Episkopat bedauert darin, abgesehen von finanziellen Erwägun gen, vor allem grundsätzlich, die getrof fene Maßnahme. Denn „die Religion Jesu Christi und die von ihm gestiftete Kirche ist ihrem Wesen, ihrer Aufgabe nach, öffentliche Einrichtung,sie ist eine allgemeinste Angelegenheit des Volkes und von der eminentesten Bedeutung für den Staat... deshalb ist sie auch tatsächlich und rechtlich in den Staaten aller christlichen Zeiten..., als ein Teil des öffentlichen Wesens gewertet wor den. Ausdruck dessen war nicht zu letzt... die staatsrechtlich verankerte Tatsache, daß der Staat, sowie er für andere Volksnotwendigkeiten, wie Volksgesundheit, Erziehung, Unterricht, Kunst und Wissenschaft, Wehrhaftigkeit und vieles andere durch Bereitstellung der erforderlichen Mittel sorgte, auch den historischen christlichen Konfessio nen in ihren menschlichen Einrichtun gen zur Erfüllung ihrer Heilsaufgaben seine materielle Unterstützung angedeihen lassen hat".'-' - Aber auch aus rechtlichen Erwägungen ist dieses Ge setz nach der Meinung der Bischöfe abzulehnen: aufgeworfen werden eine nach der anderen die Fragen des Kon kordates, der Religionsfonds, der öffent lichen Patronate,der bereits vom Klerus in den Religionsfonds eingezahlten Pen sionsbeiträge, der verminderten öffent lich-rechtlichen Stellung der Kirche, wie auch das völlige Fehlen einer Über gangszeit zur Anpassung an die neuen Verhältnisse. Im Diözesanarchiv ist kein Antwort schreiben von Seiten der Behörden zu finden. Aus einem Expose,das anläßlich der dritten Durchführungsverordnung zum Kirchenbeitragsgesetz, welche die Aufhebung der Religionsfonds in der Ostmark mit sich brachte,zusammenge stellt worden war,geht indessen hervor, daß ,,die Vorstellung der Bischöfe vom 30. Mai 1939 lediglich zur Folge hatte, daß der Minister für innere und kultu relle Angelegenheiten mit Schreiben vom 18. Juli 1939, ZI IV-Ka-325600 den Empfang des Vorstellungsschreibens mit dem Beifügen bestätigte, daß die gestell ten Korderungen einer Überprüfung un terzogen werden. Darüberhinaus hat die Vorstellung der Bischöfe keine Folge gehabt".'' Unberührt vom Protest der Bischöfe erließ vielmehr der Reichskommissar für die Wiedervereinigung Österreichs mit dem deutschen Reich, Bürckel, am 20. Juni 1939 die erste Durchführungs verordnung zum Kirchenbeitragsgesetz, die sich mit der Erlassung einer Kir chenbeitragsordnung, sowie vor allem mit der neuen Situation in bezug auf die Tragung der kirchlichen Baulast ausein andersetzte. Es werden eigene Über gangsbestimmungen erlassen, ebenso können für eine nicht näher bestimmte Übergangszeit freiwillige Zuschüsse aus öffentlichen Mitteln, allerdings ohne Be stehen einer Rechtsverpflichtung, in an gemessenem Umfang gewährt werden.'"' Auch das geschah wieder ohne jedes Einvernehmen mit den kirchlichen Stel len. Somit blieb der Bischofskonferenz vom 21. Juli 1939 gar nichts anderes übrig, als sich im Sinne eines „minus malum", eines geringeren Übels, mit dem Gesetz abzufinden. In der Folge wurde auch mit dem deutschen Episko pat Verbindung aufgenommen, um so weit, als möglich (Stolfragen, usw.) ein konformes Vorgehen zu versuchen. Schon im Laufe des Monats Juni war den Bischöfen eine Stellungnahme Roms zugegangen, worin „der Heilige Stuhl den hochwürdigen Bischöfen, die an Ort und Stelle sehen werden, weiche Entscheidung für das Gesamtwohl der Kirche die beste sei", die letzte Verant wortung überließ.'" Inzwischen war der Arbeitsausschuß nicht untätig gewesen. Bereits am T.Juni 1939 wurden vier Entwürfe der Kirchenbeitragsordnung an die einzel nen Diözesen verschickt. Am 20. Juni 20

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