Form der Kampfnun weitergehen sollte: unter Anwendung totaler Methoden,wie bisher, oder gekleidet in den Mantel der Legalität. Man entschied sich für die zweite Variante: eine Pressenotiz, die am Tag der Einführung des neuen Gesetzes „Über die Erhebung von Kirchenbeiträ gen im Lande Österreich", am 28. April 1939, veröffentlicht wurde, formulierte es harmlos neutral und sachlich: „...Durch das neue Gesetz eröffnet der Staat der Katholischen Kirche, der Evangelischen Kirche und der Altkatho lischen Kirche die Möglichkeit, von ihren Anhängern feste Kirchenbeiträge in einem geordneten Verfahren zu erhe ben, Nach den Erfahrungen in anderen deutschen Ländern, z. B. im benachbar ten Lande Bayern,dürfte feststehen,daß hierdurch den genannten Kirchen an sehnliche Einnahmen gesichert sind. Im Hinblick auf die den genannten Kirchen vom Staat neu erschlossenen Einnahme quellen, werden künftig unmittelbare Leistungen des Staates und der Ge meinde für kirchliche Zwecke überflüs sig und können entfallen.'" So wohlwollend, wie es hier klingt, war es aber gewiß nicht gemeint. Die Hintergründe des Geschehens sind heute bekannt, und einige überlieferte schriftliche Zitate sprechen eine deutli che Sprache, die jeden Kommentar überflüssig macht. Gerüchte über eine bevorstehende Kirchensteuer von unerträglichem Aus maß kursierten schon im Herbst des Jahres 1938. Kardinal Innitzer wies sol che Gerüchte als böswillige Erfindungen zurück, Verhandlungen in einer solchen Angelegenheit hätten nie stattgefunden. Das sollte auch in Hinkunft nicht ge schehen. Die zukünftige Strategie war von nationalsozialistischer Seite aus zu diesem Zeitpunkt bereits definitiv ent wickelt. Schon am 19. Mai 1939 wurde vom Altreich aus eine grundsätzliche Infor mation über das in Österreich gültige Kirchensteuerrecht angefordert. Am nächsten Tag kam von Wien die Ant wort telegraphisch übermittelt: in einem Fernschreiben, unterzeichnet vom Par teigenossen Reischauer, wurde als ,,Er gebnis meiner bisherigen Ermittlungen" folgendes angegeben: die Katholiken kennen keine Kirchensteuer, die katho lische Kirche erhalte sich aus der Congrua, aus den Stolgebühren, aus den Leistungen der Patrone und größtenteils aus den Erträgnissen der Landwirt schaft; im übrigen „haben die Kirchen anscheinend das Volk unmittelbar ge schröpft(Sammlungsgesetz!)".^ Aus einem mit 28. Juli 1938 datierten Schreiben, welches für den Regierungs präsidenten im Stabe Gauleiter Bürkkels, Karl Barth, angefertigt worden war, ähnlichen Inhaltes, wird klar, daß es grundsätzlich zunächst um die Ein schränkung des Rechtserwerbs der soge nannten „Toten Hand", d. h. um jenen Besitz der Kirche ging, der infolge von Veräußerungsverboten oder Beschrän kungen dem Wechsel von Hand zu Hand entzogen und daher für den Wirtschafts verkehr gleichsam tot ist. Offenbar sollte sich hier eine Sonderregelung für Öster reich, im Gegensatz zum Altreich, her auskristallisieren. Denn bereits am 22. Mai 1938 hatte Adolf Hitler persönlich Gauleiter Bürckel mitgeteilt, daß das österreichische Konkordat als nichtexi stent zu betrachten sei.' Auf Ersuchen Bürckels kam in der Folge Martin Bormann, Stabsleiter in der Kanzlei des Führer-Stellvertreters, nach Wien,um im nunmehr konkordats freien Österreich seine kirchenpoliti schen Pläne zu verwirklichen: die Tren nung von Kirche und Staat mit dem Endziel, die Kirche als privaten Verein verkümmern zu lassen und zu gegebe ner Zeit zu liquidieren. Mitte September 1938 zog ein Ver trauensmann Martin Bormanns, Ober regierungsrat Kurt Krüger, am Minoritenplatz ein. Ein weiteres Glied in der Kette war der Staatskommissar und Leiter der Abteilung IV,Erziehung,Kul tus und Volksbildung im Ministerium für innere und kulturelle Angelegenhei ten, SS-Standartenführer Univ.-Prof. Dr. Friedrich Plattner. Am 16. September 1938 gab der Reichsstatthalter Seyß-lnquart einen Er laß heraus, wonach für alle irgendwie einschlägigen Belange kirchlicher Pro venienz die Abteilung IV des Ministe riums für innere und kirchliche Angele genheiten zuständig sei. Damit waren die personellen und organisatorischen Weichen gestellt, um auf legistischer und verwaltungstechnischer Ebene das kirchliche Leben durch finanzielle Ab schnürung lahmzulegen.' Am 6. Dezember 1938 schickte Gau inspektor Hans Berner eine Eingabe an Gauleiter Bürckel, die gewissermaßen als willkommene Initialzündung be trachtet werden kann und die in ihrer wesentlichen Aussage dem Text der eingangs erwähnten ofllziellen Pres seaussendung Hohn spricht. Unter Hin weis auf das Gesetz vom 7. Mai 1874, dessen 35 bis 37 sich mit der Bildung von katholischen Pfarrgemeinden und deren Erhaltung durch eine Umlage unter den Pfarrmitgliedern befaßt, zu dessen Durchführung es aber nie ge kommen sei, schlägt Berner vor, auf eben dieses Gesetz zurückzugreifen und folgert: „...bei der Mentalität der hiesi gen Bevölkerung, welcher der Begriff einer katholischen Kirchensteuer völlig fremd ist, würde die Einführung einer solchen einen vernichtenden Schlag ge gen die Kirchenorganisation bedeuten.""' Zu einer Vorgangsweise, wie vorge schlagen, ist es aus unerfindlichen Gründen zwar nicht gekommen, dafür ging es aber von da an Schlag auf Schlag: am 21. Jänner 1939 übersandte SS-Standartenführer Plattner eine Ab schrift eines ersten Entwurfes mit insge samt neun Paragraphen. Am 23. Jänner übersandte Krüger denselben Entwurf an diverse Partei- und Regierungsstellen zur Begutachtung. Am 14. Februar wird ein neuer Entwurf versandt, welcher dann die Grundlage für die weiteren Verhandlungen bildete. Am 18. Februar schickte Martin Bormann denselben Entwurfan Bürckel.*^ Dieser Entwurf beinhaltete in acht Paragraphen bereits im großen und gan zen das spätere Gesetz, er ist allerdings in bezug auf die staatskirchenrechtliche Stellung der Kirche (?;4) noch günstiger verfaßt. In den beigefügten „Erläuterun gen" wird auch ein Punkt behandelt, der -im Hinblick auch auf unser gegen wärtiges Selbstverständnis in bezug auf die Errichtung von Kirchenbeiträgen - nicht unwesentlich erscheint. Hier heißt es nämlich: „...Mit dem vorliegenden Gesetz wird nunmehr auch auffmanziellem Gebiet die Stellung der katholi schen Kirche als Staatskirche in der Ostmark beseitigt. Die mit dieser Stel lung verbundenen finanziellen Begünsti gungen fallen fort. Der bisherige Zu stand in Österreich, daß sämtliche Steuerzahler, auch wenn sie gar keiner konfessionellen Gemeinschaft oder einer durch den Staat mit finanziellen Zuwen dungen nicht oder nur unverhältnismä ßig wenig bedachten konfessionellen Gemeinschaft angehörten, entsprechend ihren Steuerleistungen zur Unterhal tung der Kirchen, insbesondere der rö misch-katholischen Kirche, beitragen müssen, widerspricht der nationalsozia listischen Auffassung. Der Ausdruck ,Kirchensteuer' ist vermieden und durch den Ausdruck ,Kirchenbeiträge* ersetzt worden, um klarzustellen, daß es sich nicht um eine staatliche, sondern um eine kirchliche Abgabe handelt; ge nauso, wie die NSDAP nicht Steuern, sondern Beiträge erhebt."' Man könnte hinzufügen: mit der Klar sicht, die nur der Haß verleiht, haben die Nationalsozialisten eines richtig er kannt: wie jede Gemeinschaft von Men schen ist auch die Kirche nur so stark, wie es die Überzeugungjener ist, die ihr angehören.(Wenn man von Gottes allge genwärtiger Hilfe absieht.)Nur die wirk lich Überzeugten sind nicht zu besiegen. Offenbar haben die Nationalsozialisten - und das war ihr grundlegender Irrtum - die geistige Verfassung, das Zugehörig keitsgefühl der Katholiken in dieser Zeit genau verkehrt eingeschätzt. Sie hatten offenbar keine allzu hohe Meinung von ihnen. Und somit glaubten sie, mit die ser Vorgangsweise alle Probleme lösen zu können. Adolf Hitler persönlich blieb es vorbe halten, den S4 des Gesetzentwurfes, der den „kirchlichen Vollzugsbeamten bei der Beitreibung der Kirchenbeiträge die Stellung staatlicher Vollzugsbeamter" einräumt, abzuändern bzw. durch einfa che Streichung desselben die staatskir chenrechtliche Stellung der Kirche be deutend zu verschlechtern, indem diese dadurch praktisch zu einem privaten Verein herabgemindert wurde. Nach der entsprechenden Umarbei tung wurde diese letzte Fassung am 14. April 1939 durch den Chef der Reichs kanzlei genehmigt. Am 26. April 1939 erging ein Schnellbrief des Reichsmini sters für kirchliche Angelegenheiten, Hans Kerrl, welcher die Zustimmung der Reichsregierung zu dem Gesetz „Über die Einhebung von Kirchenbei trägen im Lande Österreich" verkün det." Das Gesetz wurde im Gesetzblatt für das Land Österreich. 111. Stück, vom 28. 19
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