Wiener Diözesangeschichte 1960 - 1996

rer' geschrieben, und in einer von der Kapitelkassa verschiedenen Kassa auf bewahrt werden. Das Domkapitel hat alle Einnahmen und Ausgaben zu besor gen, eine abgesonderte Rechnung zu führen und diese dem Erzbischöfe jähr lich vorzulegen; das Kapitel kann dafür eine angemessene Remuneration für den Rechnungsführer in Ausgabe stellen. b) Die Interessen oder Erträgnisse sind von meinem P. T. Herrn Nachfolger auf dem erzbischöflichen Stuhle und sede vacante von dem Domkapiteljährlich an würdige, hilfebedürftige, in der Seel sorge dienende Welt-Priester und an religiöse, fleißige, noch dienende arme Schullehrer in Beträgen nicht unter Ein hundert und nicht über drei hundert Gulden Metallmünze nach dem Conven tionsfuße zu vertheilen. Ich will nur untadelhafte, fromme, noch Dienste leistende Seelsorger und Schullehrer unterstützen, welch wegen karger Dotation oder durch Krankheit, Feuer, Mißwachs oder andere Un glücksfälle oder wegen zahlreicher Fa milie sich ohne ihre Schuld in Noth befinden. c) Die Verteilung soll jährlich in der Woche meines Sterbetages geschehen und 6 Wochen früher sind diejenigen, welche eine Unterstützung wünschen oder bedürfen, aufzufordern, sich darum zu melden. d) Jeder Priester, der eine Unterstüt zung erhält, soll für mich eine heilige Messe lesen, die Schullehrer aber sollen mit ihrer Familie einer heiligen Messe beiwohnen und für mich bethen. e) Mein P.T. H. Nachfolger und das ivapitel sind Niemand als Gott über die Vertheilung Rechenschaft zu geben schuldig: das Gewissen ist eine bessere Garantie, als alle buchhalterischen Kon trollen, die oft das Gute, aber selten das Böse hindern. f) Die Elocirung, Sicherstellung, Ver wendung des Grundkapitals bleibet ebenfalls meinen H. Nachfolgern im Einverständnisse mit dem Kapitel über lassen. Nur in dem Falle, wenn beide sich nicht vereinigen sollten, bitte ich, daß der Staat für die Erhaltung des Grundkapitales sorge, und den Streit entscheide. g) Sollte, was Gott verhüte!, der Staat oder irgendjemand unter was immer für einen Vorwand diese Stiftung verän dern, aufheben, zu einem andern Zwecke oder auf eine andere Art ver wenden wollen, oder die freye Verthei lung der Erträgnisse hindern,so soll die Stiftung ganz aufhören und das Kapital samt den vorhandenen Interessen mei nen in dieser Zeit lebenden nächsten Verwandten frei eigenthümlich zufallen. h) Über diesen meinen gutgemeinten Willen ist ein ordentlicher Stiftbrief in 4 Exemplaren auszufertigen, in welchem die von a bis h angegebenen näheren Bestimmungen wörtlich aufzunehmen sind. Ein Exemplar ist der Staatsverwal tung, eines dem Erzbisthume,eines dem Domkapitel, eines meinem nächsten Verwandten zu übergeben." Nach der Durchführung der Verlas senschaftsabhandlung', die für die vor gesehen Stiftung ein Vermögen von 234.459 Gulden ergab, wurde 1860 der vorgesehene Stiftbrief errichtet. Fortan wurden alljährlich etwa 16.000 bis 20.000 Gulden aus den Erträgnissen dieser Stif tung zur Unterstützung armer Priester und Schullehrer verteilt. Der Wiener Diözesanfonds 1872 genehmigte der Reichsrat eine Summe von 500.000 Gulden zur Gewäh rung von Zuschüssen an bedürftige Geistliche.' Die Zuteilung dieser Gelder war an das politische Wohlverhalten des jeweiligen Geistlichen gebunden. Vor allem mußten sich diese voll zu den von Papst Pius IX. als „leges abominabiles" verurteilten Maigesetzen des Jahres 1868 über die Ehe, die Schule und die inter konfessionellen Verhältnisse bekennen. So wurde einem oberösterreichischen Kooperator, der als „regierungsfreund lich, daher vom Ordinarius zurückge setzt" bezeichnet wurde,eine Unterstüt zung gewährt, dagegen einem anderen Kooperator, der als „pietistisch, agitiert für die klerikalen Wahlen" eingestuft wurde, der Zuschuß verweigert.'' Ange sichts dieser Verhältnisse entschloß sich der Wiener Erzbischof, Kardinal Othmar Rauscher (1853-1875), aus Mitteln des Erzbistums Wien und aus eigenen, für eine Verbesserung der Einkommensver hältnisse der Wiener Diözesanpriester zu sorgen. 1872 wurden zu diesem Zweck Güter des Erzbistums in Ober-St. Veit verkauft, nachdem die Zustimmung des Papstes und des Kaisers eingeholt wor den war. In seiner diesbezüglichen Ein gabe nach Rom begründete Kardinal Rauscher sein Vorhaben folgenderma ßen: „Cum ex quo sacerdotibus animarum curam agentibus portio congrua statuta sit, rerum ad vitam necessariam pretia magnum ceperint incrementum, jam inde ex anno 1849 cum gubernio de portione congrua adaugenda actum est; attamen aerarii difficultates effecerunt, ut parum obtineretur. Ante biennium res ad cameram deputatorum delata est ac religionis inimici pronos se exhibuerunt, parochis et cooperatoribus pecuniam impendere, hac tarnen lege, ut eos ofTicii sui faciant desertores. Cogitare tunc cepi de fundatione erigenda, quae ad ecclesiasticis dioecesis meae necessitatibus satisfaciendum contribuat. Quum autem pro fundis in districtu S. Viti positis 280.000 floreni mihi offerentur, illico constitui, ex eis creare fundationem, quae destinata sit ad subveniendum necessitatibus Archidioecesis Viennensis, praesertim autem parochorum et cooperatorum, quibus minus bene provisum sit."" Am 26. August 1872 erfolgte die päpstliche Genehmigung zum vorge schlagenen Verkauf, wobei der Wiener Erzbischof wegen seines pastoralen Ei fers besonders gelobt wurde." In der kaiserlichen Genehmigung wurde Rauscher „für diese neue Bethätigung der oberhirtlichen Fürsorge für die För derung der religiösen Interessen der Denenselben anvertrauten Erzdiöcese die volle Allerhöchste Anerkennung ausgesprochen"." Am 6. Oktober 1872 veröffentlichte Kardinal Rauscher die folgende Grün dungsurkunden des Wiener Diözesan fonds: Joseph Othmar, der heiligen römischen Kirche Kardinalpriester zur heiligen Ma ria vom Siege, von Gottes und des apostolischen Stuhles Gnaden FürstErzbischofvon Wien etc. Bis vor Kurzem besaß das Erzbisthum Wien im Bereiche der vormaligen Herr schaft St. Veit 22 Joch, welche für jähr lich 1200 fr. verpachtet waren. Es hat sich die Gelegenheit dargeboten, diese Grundstücke als Baustellen für den Be trag von Zwei Hundert Achtzig Tausend Gulden 0.W. zu verkaufen. Diese Summe bestimme ich mit Genehmigung des Heiligen Stuhles und Seiner Maje stät des Kaisers zu Gründung eines Diöcecanfondes für die kirchlichen Be dürfnisse der Erzdiöcese Wien und vor züglich zu Verbesserung des Einkom mens der Seelsorger. Ich füge aus mei nem eigenen Vermögen Achtzig Tau send Gulden in Pfandbriefen der öster reichischen Nationalbank hinzu, so daß für den bezeichneten Zweck jährlich bei 20.000 fr. verfügbar seyn werden. Im Namen und zur Ehre Gottes errichte ich hiemit diese Stiftung, und empfehle sie dem Schütze des göttlichen Gründers der Kirche, weicher sie gewidmet ist. Über die Verwendung und Verwaltung des Fondes behalte ich mir vor, nähere Bestimmungen zu treffen. Wien,am 6. October 1872. Joseph Othmar m.p. Ig. Ransauer m. p. Ord.Secretar Die Erträgnisse des Wiener Diözesan fonds betrugen jährlich rund 20.000 Gul den. Damit wurden etwa im Jahr 1877 104 Pfarren der Erzdiözese Wien be teilt. Die erzbischöfliche Priesterhilfe Die Ereignisse des Jahres 1938 hatten bald auch Auswirkungen auf die mate rielle Lage der Seelsorger. Besonders betroffen waren etwa die Kooperatoren, die durch Einschränkungen des Reli gionsunterrichts oder Schulverbote einen Teil ihres bisherigen Einkommens verloren. In dieser Situation rief Kardi nal Innitzer am 24. Dezember 1938 die Priester der Erzdiözese Wien zu einem Akt priesterlicher Solidarität auf': ab einer gewissen Einkommensgrenze - zunächst war an 170 RM gedacht - soll ten die Priester einen bestimmten Pro zentsatz ihres Einkommens für eine zu gründende „Ausgleichskassa des Kle rus" zur Verfügung stellen. Aus dieser Ausgleichskassa sollten vor allem be dürftigen Kaplänen Zuschüsse gewährt werden. Ein Schreiben Kardinal Innitzers vom 11. Februar 1939 berichtet über diese Aktion'-: Eure Hochwürden? Die vom erzbischöflichen Ordinariat eingeleitete Aktion „Priester helfen Priestern" fand in der Erzdiözese freudi gen Widerhall und weckte überall den aufrichtigen Willen zur gegenseitigen Hilfe. Es war teilweise ergreifend, mit welcher Opferwilligkeit Priester mit einem Einkommen weit unter 200RM einen Höheren Prozentsatz als den erbe17

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