Wiener Diözesangeschichte 1960 - 1996

Vermögen. Dieses wurde „kleine Fa brik" genannt. Der Ausdruck „Kirchen fabrik", aus dem lateinischen „fabrlca ecclesiae". bezeichnet zuerst die Kirche als geistiges Bauwerk, seit dem 4. Jahr hundert ist damit das Kirchengebäude selber gemeint. Die Verwaltung dieser kleinen Fabrik übernahmen in der Zelt ihrer Blüte unter König Ottokar (1251-76)die Wiener Bürger. Später kam dann auch die „große Fabrik", welche die Baulast am Kir chengebäude umfaßte, unter bürgerliche Verwaltung. Um zu gewährleisten, daß die Stiftun gen und Gaben der Spender, die für die Erhaltung der Kirche und des Gottes dienstes bestimmt waren, auch tatsäch lich dem Zweck, für den sie gegeben waren, zugeführt werden, entstand das Amt der Kirchenpflegschaft. Seit der 2. Hälfte des 13. Jahrhunderts wurde das gesamte Kirchenfabriksgut immer mehr von Laien verwaltet. Es bildete sich das Kirchenmeisteramt voll aus. Das Zwettler Stiftungsbuch berichtet uns, daß die Bürger von Wien im Jahr 1304 vom Stift Zwettl ein Haus kauften, welches dann zur Schaffung des Bau platzes für den Chor von St. Stephan abgerissen werden mußte. Im Jahr 1334 wird in der Stiftungsur kunde des Pfarrers Heinrich für den Gottsleichnamsaltar in der Stephanskir che bereits das Kirchenmeisteramt als Verwaltung der Stephanskirche ge nannt. Im Jahr 1338 tritt in einer Ewiglicht stiftung für den genannten Gottsleich namsaltar der erste namentlich ge nannte Kirchenmeister, Bertold der Geukramer, auf. Ihm und seinen Nach folgern kam die Verwaltung der ganzen Stephanskirche, also des Kirchengebäu des und der dazugehörenden Vermö genswerte,zu. Seit dem 14. Jahrhundert flössen Gel der aus den verschiedensten Quellen zi; dem Bau: landesfürstliche und städti sche Beiträge, Zölle und Mauthgelder, Legate, Testamente,Spenden,aber auch Ablaß- und Bußgelder. Das Kirchenmeisteramt war ein Ehrenamt, das nur sehr vermögende Ratsherren des Inneren Rates der Stadl Wien ausüben durften, da man annahm, daß nur solche der Versuchung,sich aus dem Kirchenvermögen zu bereichern, standhalten könnten. Von Unregelmä ßigkeiten in der Verwaltung der Ste phanskirche hat man tatsächlich nie etwas gehört. Darüber hinaus trugen die Kirchen meister, wie ihre Testamente zeigen, selber immer zum Bau der Kirche bei. Als „Bauherren" hatten sie sämtliche Rechtsgeschäfte für die Kirchenfabrik zu tätigen und auch alle an dem Bau be schäftigten Handwerker zu entlohnen. Zu ihren Aufgaben gehörte auch die treuhänderische Verwaltung aller Stif tungen, Schenkungen und Vergabungen an St, Stephan. Die Kirchenmeister waren zu sorgfäl tiger Verrechnung und Buchführung verpflichtet. Die leider nur lückenhaft erhaltenen Rechnungen des Kirchenmeisteramtes sind daher eine besonders wichtige Informationsquelle für den Kir chenbau und geben einen lebendigen Einblick in das Baugeschehen. Das Kirchenmeisteramt war somit ein überaus wichtiges Amt. Obwohl die habsburgischen Landesherren im Laufe des 14. Jahrhunderts ihre landesfürstliche Gewalt immer mehr festigen konn ten, gelang es selbst Rudolf IV. nicht, der Bürgerschaft von Wien die Verwal tung der Kirchenfabrik zu entziehen,um sie einem geistlichen Kustos zu überge ben. Somit konnten die Landesfürsten nur im Zusammenwirken mit der Bürgerge meinde von Wien ihre Baupläne ausfüh ren. Rudolf IV. hat aber dennoch auf ver schiedenste Weise entscheidend auf das Baugeschehen eingewirkt. Als Patron war er gewissermaßen die treibende Kraft des Kirchenbaues.So beschließt er im Jahr 1359 die Erweiterung der Ste phanskirche und bestimmt, daß das Fa briksgut von St. Stephan nicht geschmä lert werden dürfe. Er steuert auch per sönlich zur Baulast bei, muß sich dafür allerdings Geld borgen. Auch im Großen Stiftsbrief vom 16. März 1365 finden sich an mehreren Stellen Bestimmungen, die - unter Hin weis auf die Aufbringung von Bußgel dern, bzw. Nachlässen - die Sorge Ru dolfs um die Finanzierung des Baues deutlich machen. Für unsere heutigen Begriffe mutet die Art und Weise, wie mitunter Geld für den Bau der Domkirche aufgetrieben wurde, gelegentlich ein wenig seltsam an: so bestimmte der Herzog in besag tem Stiftsbrief, welcher die Zusammen setzung, die Rechte, Privilegien, aber auch die Pflichten des von ihm gestifte ten Kollegiatkapitels bis ins letzte regelt, unter anderem,daß Mitglieder des Kapi tels, die gottesdienstliche Verrichtungen versäumen, zur Strafe an diesem Tag nur die Hälfte ihrer Pfründe an Essen und Trinken erhalten sollen, während die andere Hälfte den Armen zu geben sei, darüber hinaus „soll er geben in püchsen zu dem paw, der ambtherr zweliff, der Chorherr zehen,der chappellan acht Wiener Pfenning...". Aus dem Nachlaß der Dignitäre sollen alle Klein odien, so da sind „... von sylber geschirr, hefftel, vingerl(Ringe), perl,edelgestain, puecher, messgewand, ehelich und all ander chlainat... zu der chirchen"gegeben werden. Schließlich traf der Herzog die Be stimmung, daß ein Chorherr, der wie derholt beim Umgang mit Frauen ange troffen werde, vom Propst zur Buße in ein anderes Stifft oder auf eine Wall fahrt, sei es nun nach Rom,Aachen oder Santiago de Compostela geschickt wer den solle, .damit er in ainem jar nit heim mug chumen und soll dieweil sein nuzz und phruend gevallen den guster ze dem paw". So sorgte der Herzog auf vielfältige Weise für ,.seine" Kirche. Der Beitrag des Klerus zum Dombau bestand neben allfälligen Strafgeldern und Erblassungen in der Verkündigung der gewährten Ablässe sowie durch Ver kündigung und Durchführung der Sammlungen.Ebenso sind private Spen den des Klerus in der Regel üblich. Ab dem Jahr 1396 mehren sich auffal lend die bürgerlichen Stiftungen „hincz Sand Stephan zu dem pau", welche besonders reichlich bis 1430, also bis gegen Ende des Turmbaues fließen. Der Bau wurde also offenbar nach 1395 im mer mehr eine Sache der Bürger. Nach einer Aufzeichnung, allerdings erst von 1455, wurden in der Stadt Wien sogar Haussammlungen für den Bau von St. Stephan durchgeführt. Das Interesse der Stadt für den Turm bau wird verständlich, wenn man be denkt, daß die Türme von St. Stephan seit alters her den Bedürfnissen der Stadt dienstbar gemacht wurden. So diente der Südturm seit seiner Vollen dung im Jahr 1433 als Beobachtungspo sten von zwei städtischen Türmern, die auch im Turm wohnten und von der Stadt besoldet wurden. Demzufolge lei stete die Stadt Wien auch seit seiner Vollendung Beiträge zu den Erhaltungs kosten des Turmes. Auch am Läutegeld war die Stadt beteiligt, da einzelne Glocken vornehm lich der städtischen Verwaltung dienten: die Stadträte wurden durch die Rats glocke zu ihren Sitzungen zusammenge rufen; nach dem abendlichen Läuten der Bierglocke durfte in den Wirtshäusern kein Bier mehr ausgeschenkt werden. Das Jahr 1469, als Wien zum Bistum erhoben wurde, änderte nichts an der Verwaltung des Kirchenvermögens.Erst rund 150 Jahre später versuchten die Wiener Bischöfe, hier einzugreifen. Das Jahr 1526 brachte eine einschnei dende Änderung mit sich; Das Stadtrecht Ferdinands I. von 1526, das als erste öffentliche Urkunde die Agenden des Kirchenmeisters umschreibt, trifft die Bestimmung, daß der Kirchenmei ster in Hinkunft nicht mehr dem Inne ren, sondern dem Äußeren Rat oder sonst der angesehenen Bürgerschaft an gehören solle. Darin ist eine gewisse Verringerung des Ansehens seiner Stel lung zu erblicken, die mit dem verstärk ten landesfürstlichen und kirchlichen Einfluß auf die Verwaltung des Kirchen vermögens in der beginnenden Neuzeit in Zusammenhang steht. Aber erst im 17. Jahrhundert gibt es konkrete bischöfliche Bemühungen, in die Vermögensverwaltung der Ste phanskirche einzugreifen. Im Zuge der Barockisierungspläne des Wiener Bi schofs Breuner, denen sich Kirchenmei ster und Magistrat widersetzten, beklagt der Bischof die Tatsache, daß der weltli che Magistrat die volle Verwaltung aus übe. Der Werkvertrag vom 1. März 1641, mit dem der Bildhauer J. J. Pock die Errichtung des Hochaltares übernahm, zeigt die Entwicklung: am Abschluß des Vertrages wirken die Repräsentanten der drei an St. Stephan bestehenden geistlichen Institutionen, Bistum, Prop ste! und Kapitel, mit. Der Kirchenmei ster und der ihm unterstehende Baumei ster werden lediglich informiert. Die Bezahlung des Hochaltares erfolgte durch den Bischof aus den Mitteln der 10

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