Wiener Diözesangeschichte 1960 - 1996

schofshofes und stiftete in seinem Testa ment bedeutende Kapitalien für das Bistum und die Priesterausbildung. Auch Kaiser Ferdinand II. errichtete eine Stiftung zugunsten des Wiener Bis tums. 1631 wurde der Wiener Bischof Anton Wolfrat von Kaiser Ferdinand II. in den Reichsfürstenstand erhoben. Diese Aus zeichnung, die auch für die Nachfolger im Bischofsamt galt, war aber ein bloßer Titel: das Bistum Wien wurde dadurch kein geistliches Reichsfürstentum, wie es etwa die alten Bistümer Salzburg oder Passau waren. Unter Bischof Wolf rat (1631-1639) wurde der Bau des Bi schofshofes fortgesetzt und unter seinem Nachfolger Philipp Friedrich von Breu ner (1639-1669) abgeschlossen. Dieser Bischof ließ auch den Stephansdom auf eigene Kosten barockisieren. Nach den Türkenschäden des Jahres 1683 verbes serte Bischof Ernst Trautson das Ein kommen des Wiener Bistums durch eine Stiftung aus seinem Familienvermögen. Unter Kardinal Sigismund Kollonitz (1716-1751) erfolgte 1722 die Erhebung Wiens zum Erzbistum und die Vergröße rung des Diözesangebietes.Zur Deckung der damit gewachsenen Verwaltungs ausgaben und Repräsentationsverpflich tungen erhielt dieser Kardinal vom Kai ser zusätzliche Pfründen. Für das Erz bistum Wien erwarb dagegen Kollonitz 1733 aus seinem Vermögen die Herr schaft Wiener Neudorf. Außerdem legte er fest, daß nach dem Aussterben der männlichen Linie der Grafen von Kollo nitz die Familiengüter an den jeweils zuständigen Bischof fallen sollten. Auf diese Weise kamen 1874 die Familiengü ter in Obersiebenbrunn und Jedenspeigen an das Erzbistum Wien. Kardinal Migazzi (1757-1803) ver dankte seine Ernennung zum Erzbischof von Wien vor allem seinen diplomati schen Diensten, die er für das Haus Habsburg geleistet hatte. 1762 erhielt er zusätzlich das reiche ungarische Bistum Waitzen. Unter Kaiser Joseph II., der im Zuge seiner Kirchenreformen be stimmte, ein Geistlicher dürfe nur eine Pfründe besitzen, mußte Migazzi dieses Bistum abtreten. So sah er sich gezwun gen, Einschränkungen auf sich zu neh men: „Ich konnte daher nicht mehr weder die sonst gewöhnliche Aufwar tung bei den öffentlichen Funktionen Sr. Majestät und bei Hofe machen,noch mit jener Anständigkeit leben, welche doch für Erzbischöfe dieser Residenzstadt er forderlich zu seyn jederzeit geachtet worden." Für das Erzbistum Wien er warb Migazzi die Herrschaften Neunkir chen, Perchtoldsdorf und Kranichberg; später kam noch Kirchberg am Wechsel dazu. Die Bischöfe des 19. Jahrhunderts bemühten sich, das Einkommen ihrer Diözesanpriester zu verbessern. So er richtete Erzbischof Vinzenz Eduard Milde (1832-1853) eine Stiftung für arme Schullehrer und Priester. Kardinal Rauscher (1853-1875) gründete ein Diözesanfonds zur besseren Besoldung der Priester der Erzdiözese Wien. Nach dem Ende der Monarchie legte Kardinal Piffl (1913-1932) den Fürstenti tel ab. Damit endete die letzte Erinne rung an die Zeit einer mächtigen Reichs kirche und der geistlichen Fürstentü mer,zu denen das Bistum Wien ohnehin nur dem Titel nach gehört hatte. J. W. Wer baute die prächtigen Dome? Überlegungen zur Finanzierung einer Kirche am Beispiel des Stephansdomes Immer wieder kann man die Ge schichte von der „reichen Kirche mit ihren prunkvollen Domen" hören, ver bunden mit der düsteren Vermutung, was das wohl alles gekostet habe, wäh rend die Menschen rundum gehungert haben... Ein Blick in die Geschichte zeigt, daß es so ganz sicher nicht gewesen ist. Wohl haben leider im Lauf der Jahrhunderte immer wieder Menschen, auch in unse rem Lande, hungern müssen, in Zeiten von Kriegsgefahr und Krankheiten; sie haben aber sicher nicht gehungert, weil sie Geld für den Bau der Stephanskirche aufbringen mußten.Damals spielte näm lich etwas mit, was wir Menschen von heute uns kaum mehr vorstellen kön nen; in der Zeit, als Leben und Glauben noch eine Einheit bildeten, war es für fast alle Menschen ganz persönlich wich tig und ein Anliegen, etwas „zu dem großen Werk" oder „zu dem Bau", wie man es immer wieder in den Urkunden lesen kann, beizutragen: Man identifi zierte sich mit dem Bestreben, Gottes Wohnung auf Erden möglichst schön und würdig zu gestalten. Unzählige Stif tungen verschiedenster Art geben davon Zeugnis.Kaum ein Ratsbürger der Stadt Wien vergaß in seinem Testament den Dombau zu bedenken. Ich glaube, es war nicht einmal ein Opfer im heute eher negativ belegten Sinn; es war viel leicht ein Opfer, aber eines, das man freudig tat. Der Wiener Dom ist ein lebendiger Zeuge dieser Gesinnung. Er ist wohl ein weithin unbestrittenes Symbol. Aber auch er ist nicht vom Himmel gefallen. Indem er erbaut und eingerichtet wurde, indem er seit rund 150 Jahren unent wegt ausgebessert und erneuert werden muß, ergibt sich auch hier zwangsläufig die vielen Menschen unpassend erschei nende Verbindung von „Kirche und Geld". Die Geschichte beweist uns, daß ge rade die Stephanskirche seit ihrer Grün dung, durch nunmehr über 800 Jahre hindurch, ein Anliegen aller Wiener, aller Österreicher gewesen ist. In diesem Sinn ist sie auch im Lauf der Zeit tatsächlich ein gemeinsamer (ideeller) Besitz geworden. Hier tauchen Fragen auf: Wer erbaute eigentlich den Stephansdom, der aus dem Stadtbild Wiens nicht wegzudenken ist? Wer richtete ihn ein, wer stattete ihn mit Bildern, Statuen und Altären aus, die von unzähligen Besuchern bewun dert werden? Wer erhält das alles bis in unsere Tage? Um diese Fragen zu beantworten, soll der Stephansdom einmal unter dem eher ungewöhnlichen Blickwinkel sei ner Finanzierung betrachtet werden. Die Geburtsurkunde der Stephanskir che ist der sogenannte Mauterner Tauschvertrag aus dem Jahr 1137. Abge sehen von seiner Bedeutung für St. Stephan ist dieser darüber hinaus auch ein Dokument mit einer sehr interessan ten allgemein-zeitgeschichtlichen Aus sage: Nur 15 Jahre nach dem Wormser Konkordat, welches den Investiturstreit auf der Mittellinie eines Kompromisses in Form eines Vertrages beendete, der die kirchlichen und die kaiserlichen Interessen bei der Besetzung der Bi schofsstühle gleichermaßen wahrte, die Kirche aber immerhin wenigstens zum Teil aus der Umklammerung des ottonischen Reichskirchensystems befreite, wird nun hier in Wien die Wiener Pfarre, die bei St. Peter gelegen war und die bisher nach Eigenkirchenrecht unter der Verwaltung des babenbergischen Stadt herren stand,ganz im Sinne der Reform gedanken Papst Gregors VII., dem Bis tum Passau und somit rein kirchlichem Recht unterstellt. Dies geschieht eben in der Form eines Tauschvertrages zwi schen Markgraf Leopold IV. und Bischof Reginmar von Passau. Auf den Hofstät ten, jenem Teil, den der Bischof nicht übergibt, wird in der Folge die neue Stephanskirche von ihren Gründern, den Bischöfen von Passau.gebaut. Zehn Jahre später, 1147, so berichten die Klosterneuburger Annalen, wird die „Wiener Kirche" durch Bischof Reginbert von Passau. welcher noch im selben Jahr auf dem Kreuzzug den Tod fand, geweiht. Uber den Beginn und die Fi nanzierung des ersten Kirchenbaues be richten keine Urkunden. Im 13. Jahrhundert von Grund auf umgestaltet, wird der vollendete Bau schließlich am 25. April 1263 durch BischofOtto von Passau wiederum feier lich geweiht. Am Beginn des 14. Jahrhunderts wird der gotische Neubau der Stephanskirche mit der Errichtung einer weiten, lichten Chorhalle begonnen. Als Auftraggeber für den Bau treten gleichzeitig die Habs burger und das Wiener Bürgertum her vor.Es war ein gemeinsames Anliegen. Von Seiten des Herrscherhauses war es wohl in erster Linie das kirchenpoliti sche Interesse an der Hauptkirche ihrer Residenzstadt, deren Patronatsrecht die Habsburger in Konkurrenz zum Pas sauer Bischof beanspruchten. Als Pa trone hatten die Herzoge aber auch einen Unterhaltspflicht gegenüber dem Kirchengebäude. Der größte Teil der Bestreitung des gottesdienstUchen Bedarfes wurde durch Stiftungen und Legate der Bürgerschaft aufgebracht. Viele Spenden und Gaben, auch Legate aus Anlaß des Todes, flös sen langsam, aber stetig, zur Ehre und Zier des Gotteshauses, ein. So bildete sich im Laufe der Zeit ein gewisses 9

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