Wiener Diözesangeschichte 1960 - 1996

Hält man sich allerdings die Situation der Zeit vor Augen,so muß man sagen, daß Konstanin einfach die Situation erkannt und daraus die Konsequenzen gezogen hat: Dasjunge Christentum,das im 3. Jh. mit seinen zu Kirchenprovin zen zusammengeschlossenen Bischofsge meinden mit geordneter Vermögensver waltung und einer ausgeprägten Hierar chie bereits langsam zur Großkirche heranwächst, stößt in den durch den drohenden Zerfall des römischen Welt reiches sich geistig entleerenden Raum hinein und bringt seinen Anspruch, die absolute Wahrheit zu bringen, überzeu gend unter das Volk. So kann die Kraft der Anhänger der neuen Religion am Beginn des 4.Jhs. nicht mehr gebrochen werden. Die Frage, ob Konstantin den Glau bensinhalt des Christentums ganz erfaßt hat, ist kaum zu beantworten, die Tatsa che aber bleibt bestehen, daß er durch eine Reihe von Erlässen und Gesetzen dem Christentum half, sich zu entfalten. Die große Zahl der nun neu Hinzu kommenden, die sich von ihrem Über tritt soziale und berufliche Vorteile er hofften, entwickelte sich zu einer ernsten Gefahr: Gerade die strenge Aus lese der Taufbewerber der Katakomben zeit hatte dem Chistentum eine große Anzahl hervorragender Mitglieder ge bracht. Demgegenüber stand der ernste Missionsauflrag Jesu Christi. Am schwierigsten aber war es wohl, die rechte Einstellung zu dem neuen Verhältnis von Kirche und Staat zu finden. Denn die Tendenz, die Kirche nicht als Partner zu werten,sondern sie den Interessen des Staates dienstbar zu machen, war schon damals zu erkennen. Ein gesundes, fruchtbringendes Spannun^verhältnis zwischen Kirche und Staat zu erreichen, sollte sich als unend lich schwer erweisen. Völlig unbefangen und voll des Lobes für Konstantin berichtet Eusebius, der Bischof von Cäsarea, daß nun „die Bi schöfe kaiserliche Schreiben und Ehrun gen und Geldzuweisungen erhielten". Es war sicherlich für viele Bischöfe, vor allem im Osten, eine große Verlockung, sich nach so langer Zeit der Unterdrükkung in kaiserlicher Gunst zu sonnen. Anläßlich der Feier seiner zwanzigjähri gen Regierung hält der Kaiser zusam men mit den Bischöfen ein Festmahl. Eusebius berichtet: „...kein Bischof fehlte an der Tafel des Kaisers. Jeder Beschreibung aber spottet, was da ge schah; denn Leibwächter und Trabanten wachten, die scharfen Schwerter ge zückt, rings um den Vorhofdes kaiserli chen Palastes; mitten zwischen ihnen konnten aber furchtlos die Gottesmän ner hindurch gehen und bis ins Innerste des Palastes gelangen. Da nun lagen die einen auf demselben Polster zu Tisch wie der Kaiser, während die anderen auf Polstern zu beiden Seiten ruhten. Leicht hätte man das für ein Bild vom Reiche Christi halten oder wähnen können, es sei alles nur ein Traum und nicht Wirk lichkeit." {Eusebius, Vita Constantini, in.Buch,15.) A.F. Kirche und Staat:Zwischen Vereinnahmung und Reform „Die Kirche hat sich doch immer auf die Seite der Mächtigen dieser Erde geschlagen. Sie hat es sich zu allen Zeiten gerichtet. Es ging immer um Einfluß, Macht und Geld. Man fragt sich: wie paßt das mit der Botschaft Jesu zusammen?" Ein ernsthafter Einwand. Ein kurzer Gang durch die Geschichte der Kirche, von jenem Augenblick an, als sich ein wirklich Mächtiger seiner Zeit, nämlich der römische Kaiser Konstantin {285 bis 337) im Jahr 313 eindeutig und nach drücklich für das Christentum ent schied, bis herauf in unsere Tage, zeigt deutlich den schwierigen Weg, den die Kirche durch die Zeiten zu gehen hatte und auch heute noch hat. Nicht von dieser Welt und doch mitten in ihr. Oft in Gefahr, von dem vorgezeichneten Weg abzuirren, aber immer wieder zu rückgeführt. Als souveräne Gemeinschaft in glei cher Weise wie der Staat beauftragt, dem Menschen zu dienen, allerdings mit ganz anderen Mitteln, wie jener. Denn während der Auftrag des Staates im Bereich des natürlichen Lebenszieles der Menschen liegt, hat die Kirche stets ihr übernatürliches Ziel vor Augen. Dementsprechend sind aber auch die Mittel zur Erreichung der letztlich sich ergänzen sollenden Ziele von Kirche und Staate verschieden. Während dem Staat die Mittel physischer Gewalt zu Gebote stehen, ist die Kirche im Wesent lichen auf die freie Entscheidung ihrer Mitglieder angewiesen. Aus diesem Grund ist jede Anwendung staatlicher Zwangsmittel zur Erreichung geistlicher Zwecke ebenso abzulehnen, wie es der Mißbrauch geistlicher Mittel zur Durch setzung politischer Ziele ist. Beides ist im Verlauf der Geschichte leider des öfteren geschehen. Ist die Einsicht in den gemeinsamen Grund, von dem aus Staat und Kirche in Zusammenarbeit ihren Dienst am Men schen versehen sollen, nicht restlos ge geben, so ist die totale Trennung von beiden sicherlich keine zielführende Antwort auf diesen Mangel, da eine solche letztlich einer Teilung des ganzen Menschen gleichkäme. Somit erscheint realistischerweise ein nutzbringendes und zufriedenstellendes Verhältnis der beiden in ihrem Bereich jeweils „höchsten Gewalten" am besten in Form einer in Freiheit und gegenseiti ger Achtung zustandegekommenen Ver einbarung, eines Konkordates,gegeben. Der folgende knappe Überblick über rund 2000 Jahre versuchtes Miteinan derleben, wird zeigen, daß beide, Kirche und Staat, nach oftmaligen Um- und Irrwegen, nunmehr realistischen Grund zur Hoffnung haben. Das 11. Vatikanische Konzil hat es in seiner Pastoralkonstitution über die Kir che in der Welt von heute „Gaudium et spes" eindeutig und zukunftsweisend ausgesprochen: „Da sie (die Kirche) kraft ihrer Sendung und Natur an keine besondere Form menschlicher Kultur und an kein besonderes politisches, wirt schaftliches oder gesellschaftliches Sy stem gebunden ist, kann die Kirche kraft dieser ihrer Universalität ein ganz enges Band zwischen den verschiedenen menschlichen Gemeinschaften und Na tionen bilden. Nur müssen diese ihr Vertrauen schenken und ihr wahre Frei heit zur Erfüllung dieser ihrer Sendung ehrlich zuerkennen."(Kirche und Welt, Nr.42) Im Laufe der Jahrhunderte,immer im Spannungsfeld der jeweiligen profanen Epoche, hat sich das Verhältnis von Kirche und Staat des öfteren verändert: von starker gegenseitiger Verflechtung im Früh- und Hochmittelalter bis hin zum Anspruch des Kirchenstaatstums im Spätmittelalter mündete die Haltung der weltlichen Herrscher dann, als Reaktion und Antwort auf übersteigerte päpstliche Ansprüche in wachsende Di stanzierung und weiter, ausgehend von den in der frühen Neuzeit entstandenen Nationalkirche, direkt in das aufgeklärte Staatskirchentum des 17. und 18. Jahr hunderts. Die erbitterten Versuche kirchlicher Obrigkeit, sich aus der staatlichen Um klammerung zu befreien,im Besonderen in der Zeit des sogenannten Kultur kampfes in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts, wies den Weg zur weitge henden Trennung von Kirche und Staat. Durch den zum großen Teil sicherlich unter äußerem Druck herbeigeführten Prozeß des „sich loslösens" hat die Kirche andererseits aber wieder mehr „innere Kraft" erhalten. In der Gegenwart besitzt die Kirche kaum mehr auf irdische Güter begrün deten tatsächlichen Einfluß, bzw. Macht. Verkehrt proportional dazu scheint aber ihr geistiger Einfluß, langsam, aber ste tig,zu wachsen. Die frühchristliche Kirche stand dem, Staat, dem Imperium Romanum, zwar loyal, aber grundsätzlich neutral, bzw. eher distanziert, gegenüber. Sie unter schied aber genau zwischen „dem, das Gottes ist und dem,was des Kaisers ist" (Mt 22, 21). Den religiös-absolutistischen An spruch des Imperiums, welcher auf der Idee einer politisch-kultischen Einheit beruhte, lehnte die Kirche ab. Die Kon sequenz war die Verfolgung der Chri sten, in verschiedenster Form und Inten sität, bis im Jahr 313 eine Abmachung zwischen Konstantin dem Großen (t337) und Licinus zu Mailand den Christen volle Religions- und Kultusfreiheit ge währte. Als Alleinherrscher betrieb Konstantin eine das Christentum be wußt fördernde Politik, mit dem Ziel einer faktischen Gleichsetzung von Kir che und Staat, aus der Einsicht heraus, daß die Einheit des Christentums und des Imperiums einander bedingten. Die Folge war die Übernahme staatlicher

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