Wiener Diözesangeschichte 1960 - 1996

KZ nackt in den Betonbunker sperrt, mit kalten Duschen übergießt, am Kar freitag mit Stacheldraht geißelt, durch Bajonettstiche verwundet und ihn tritt, bis die Gedärme heraustreten. Zuletzt wird er - um Selbstmord vorzutäuschen - an einen Baum gehängt. Ein Fall für das Seligsprechungsreferat? Aus dem Bereich der Erzdiözese Wien werden 30 Priester genannt, unter ande rem Jakob Fried, Hugo Hantsch, Johan nes Krawarik,Heinrich Maier und Hein rich Zeder. Auch die beiden Kartellseel sorger P. Eberhard Kusin und Anton Maria Pichler finden sich darunter. Ne ben bekannten Politikern sei auch an den Gmünder Arzt Dr. Arthur Lanc erinnert, dem es in den letzten Kriegs tagen gelingt, mehrere Juden vor dem sicheren Abtransport in die Gaskammer zu retten. Aufgrund ihrer Prinzipien, vor allem religio, aber auch patria, haben katholi sche Korporierte ihr Leben und ihre Aufgabe ernster genommen als anderesie bekamen es daher auch oft als erste zu spüren: Als erster Blutzeuge (Bom benanschlag) für das freie Österreich gab der steirische Kaplan Franz Eibel 1934 sein Leben hin, der Oberösterrei cher Ludwig Bemegger war der erste Österreicher, der von den Nationalsozia listen gleich nach dem Anschluß brutal umgebracht wurde. Der Wiener Hoch schulprofessor Zessner-Spitzenberg, den man vom Altar der Kaasgrabenkirche weg verhaftete, starb als erster Österrei cher in einem KZ. Ihre - aber auch die vieler anderer - unbeugsame Haltung hat Österreich wieder erstehen lassen. Ein auch auf kleine Veröffentlichun gen Bedacht nehmendes Literaturver zeichnis und eine Abkürzungstafel run den die Kapitel ab. Dem Werk soll ein Ergänzungsband angeschlossen werden, weshalb die Her ausgeber um Zusendung von weiteren Informationen bitten, dem sich auch das Diözesanarchiv für seine Belange an schließen darf. Da neben der studentengeschichtli chen Perspektive auch besondere Rück sicht auf die Darstellung des kirchlichen Umfeldes sowie des Anschlusses genom men wurde, kann die Dokumentation jeder Pfarrbibliothek empfohlen werden. Darüber hinaus könnte aus dem Buch neues Wissen über Widerstand und Ver folgung in jedem Pfarrgebiet gewonnen werden. Franz Groiß Klaas Schatz, Zwischen Säkolarisation und Zweitem Vatikanum : der Weg des deutschen Katholizismus im 19. und 20. Jahrhundert. - Frankfurt am Main:Knecht, 1986.-3448. Klaus Schatz, Jesuit und Professor für Kirchengeschichte an der Ordenshoch schule St. Georgen in Frankfurt a. M., hat sich mit der vorliegenden Arbeit an ein großes Thema gewagt: in den knapp 160 Jahren, die zwischen der Säkularisa tion (1803) und der Eröffnung des Zwei ten Vatikanischen Konzils liegen, hat der deutsche Katholizismus in Ausein andersetzung mit zahlreichen völlig neuen Fragen und Problemen tiefge hende Wandlungen erlebt. Diese Ent wicklung zwischen den beiden markan ten Epochengrenzen versucht Schatz nachzuzeichnen. In einem Einleitungskapitel führt Schatz die einschneidenden Auswirkun gen der Säkularisation auf die katholi sche Kirche in Deutschland vor Augen: 23 Fürstbistümer, 44 Fürstabteien, fast alle Klöster wurden 1803 aufgehoben; diese Maßnahme betraf ein Gebiet von rund 10.000km^ mit etwa 3 Millionen Einwohnern. Unmittelbare Folgen wa ren ein Verfall der kirchlichen Organisa tion und eine meist drückende staatliche Kirchenhoheit. Erst allmählich entstand gerade in der Auseinandersetzung mit dem Staatskirchentum eine katholische Erneuerung(Erneuerungskreise in Mün ster, Landshut, Wien, Mainz und Mün chen). Ausgehend vom Revolutionsjahr 1848 behandelt der Verfasser anschließend das Verhältnis der katholischen Kirche in Deutschland zum erwachenden Libe ralismus und zur nationalen Frage. In diesem Abschnitt werden auch das Erste Vatikanische Konzil und der Kultur kampf dargestellt; gerade zu diesen sen siblen Themen erweist sich Schatz als profunder Fachmann. Im Kapitel „Der Katholizismus und die soziale Frage" führt der Autor die ganze Bandbreite der Antworten der katholischen Kirche auf die Herausforderungen der Indu strialisierung vor Augen: diese reichen von der Gründung neuer Schwestern orden über das Wirken Adolph Kolpings bis zum sozialen Katholizismus und zum katholischen Volksverein. Die letzten Jahrzehnte vor dem Ersten Weltkrieg waren aus der Sicht der ka tholischen Kirche in Deutschland von einer allmählichen Annäherung an das Deutsche Kaiserreich bestimmt. Parallel dazu stellten sich eine Reihe vor allem innerkirchlicher Fragen, die mit den Schlagworten Reformkatholizismus, Li teraturstreit, Integralismus und Antimodernismuszu bezeichnen sind. Aus der Zeit zwiehen den Weltkriegen greift Schatz vor allem die Liturgische Bewegung und die katholische Jugend bewegung heraus und bespricht das Verhältnis der katholischen Kirche zur Weimarer Republik. Besonders einge hend behandelt Schatz anschließend den großen und schwierigen Themenbereich „Katholische Kirche und Drittes Reich". Hier wird keine der zahlreichen brisan ten Fragen wie Kirche und Widerstand, Kirche und Judenverfolgung ausgespart. Der Autor scheut sich dabei auch nicht, selbstgefällige und vorschnelle Urteile heutiger Zeitgenossen zurechtzurücken; so schreibt er etwa:„Wenn man ffeilich hier im nachhinein Kritik übt, muß man sich fragen, ob die heutige katholische Kirche im Westen Deutschlands über haupt noch zu jenem Maß an innerer Resistenz fähig wäre,das in der Zeit des Dritten Reiches aufgebracht wurde, und ob sie nicht infolge des Schwundes inne rer Solidarität und vor allem des Zerfalls der Glaubenssubstanz im Emstfall eine wesentlich kläglichere Rolle spielen würde"(S.282f.). Das letzte Kapitel behandelt den west deutschen Katholizismus zwischen Kriegsende und Zweitem Vatikanum unter besonderer Berücksichtigung der Verschiebungen im Verhältnis von Kir che, Katholizismus, Staat und Gesell schaft. Das Buch endet mit einem Aus blick auf die Konzils- und Nachkonzils zeit bis 1975. Schatz ist es mit diesem Buch tatsäch lich gelungen, das Werden und das We sen des deutschen Katholizismus an schaulich darzustellen. Mit strenger Wis senschaftlichkeit verband er dabei die Gabe, auch schwierige Probleme auch für den Nichtfachmann verständlich zu erklären. Besonders hervorzuheben ist das ausgewogene Verhältnis zwischen Überblicksdarstellungen und Detaüinformationen. Die beigegebenen, wohl dosierten Anmerkungen beweisen seine Vertrautheit mit der Quellen- und For schungslage. So kann man nur wünschen, daß ein ähnlich profundes Werk auch über den österreichischen Katholizismus im ge nannten Zeitraum geschrieben würde. Es wäre dabei reizvoll, besonders die Übereinstimmungen und Unterschiede zwischen dem österreichischen und dem deutschen Katholizismus herauszuarbei ten. Johann Weißensteiner Vorschau: Aus aktuellen Anlässen werden die Hefte der „Beiträge" im Jahr 1989 wie der bestimmten Schwerpunkten gewid met sein: die April-Nummer wird - 50 Jahre nach der Einführung des Kirchen beitrags - das Thema „Kirchenbeitrag" behandeln. Die August-Nummer wird aus Anlaß des Hundert-Jahr-Jubiläums der Kalasantinerkongregation „Beiträge zur Geschichte der Arbeiterseelsorge in der Erzdiözese Wien" bieten. Die Dezember-Nummer wird, wie bisher, verschiedenste Themen aus dem großen Bereich der Geschichte der Erzdiözese Wien und ihrer Pfarren zum Inhalt haben. Beiträge zu den genannten The men werden herzlich an die Redaktion erbeten. Wiener Diözesanblatt: Inhaber: Erzdiözese Wien (Alleininhaber). Herausgeber: Erzb. Ordinariat. Redaktion: Diözesanarchiv Wien (Dr. Johann Weißensteiner). Alle: 1010 Wien, Wollzeile 2. - Hersteller: Herold Druck- und Verlagsgeseilschaft m. b. H., 1080 Wien,Strozzigasse 8.Das„Wiener Diözesanblatt" ist das offizielle Amtsblatt der Erzdiözese Wien. 52

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