Wiener Diözesangeschichte 1960 - 1996

Meiner Geburt und Erziehung nach einer Diözese angehörig, der allgemein die Ehre zuerkannt wird, seit mehr als einem Jahrhundert in all ihren Pfarreien ohne den geringsten Widerspruch,ja mit größtem Beifall, ein Gesangbuch einge führt zu haben, welches an innerem Gehalt, an Erhabenheit, Würde und Innigkeit, sowohl was Text, als was Melodie betrifft, keinem der übrigen Gesangbücher Deutschlands nachsteht, durch Einfachheit und Reinheit der Har monie aber alle übrigen übertrifft; ferner durch eigene Erfahrung zur Ueberzeugung gelangt,daß das religiöse Volkslied einer der mächtigsten Hebel zur Erwekkung eines wahrhaft religiösen Gefühls und heiliger Begeisterung für die Sache Gottes und seiner heiligen Kirche, dem christlichen Volke zugleich im eigent lichsten Sinne ein Katechismus sei, der weit mehr in Fleisch und Blut bei ihm übergegangen, als der in Prosa geschrie bene; daß das christliche Kirchenlied einen nicht zu unterschätzenden Einfluß auf die ganze geistige Entwicklung ins besondere des lernenden Kindes übt; in Folge dieser durch Erfahrung gewonne nen Ueberzeugung konnte ich nicht lange im Zweifel bleiben, was ich zu thun hatte. Rüstig ging ich an's Werk; mit der Jugend begann ich und heute, im siebenten Jahr meiner Thätigkeit, sind nicht weniger als hundert Melodien der schönsten Kirchenlieder eingeübt; und nicht bloß die Jugend singt, bei der größeren Anzahl der Lieder betheiligt sich bereits die ganze Gemeinde. Doch hierüber möge sich Hochwürdigstes fürsterzbischöfliches Consistorium von meinem nächsten kirchlichen Vorgesetz ten Bericht erstatten lassen. Ich würde überhaupt von dieser meiner Thätigkeit geschwiegen haben, wenn ich nicht den leicht begreiflichen Wunsch hegte, eine Garantie für den Fortbestand dessen zu erhalten, was ich angefangen, und die sen Fortschritt nicht bloß auf meine Pfarrgemeinde beschränkt zu sehen. Diese Garantie können nur die kirch lichen Oberen leisten; für den Fort schritt aber ist die erste Bedingung ein ordentliches Gesangbuch. Meines Wissens gibt es in Deutsch land, Deutsch-Oesterreich ausgenom men, keine Diözese, die sich nicht eines von ihrer kirchlichen Oberbehörde ein geführten Gesangbuches erfVeute. Aber auch hier ist das Bedürfniß eines zweck mäßigen und vollständigen Gesang- imd Gebethbuches, dessen sich die Ange hörigen der Wiener Erzdiözese bei dem öffentlichen Gottesdienste bedienen könnten, ein so allgemein anerkanntes und tiefgefühltes, daß ich kaum einen Seelsorg-Priester oder unterrichteten Laien getroffen habe, der diesem Be dürfnisse nicht Ausdruck geliehen hätte. Dies Bedürfniß nun,sowie das immer währende Drängen meiner Pfarrge meinde, die bis jetzt die Lieder nur in einzelnen gedruckten Blättern oder in geschriebenen Heften besitzt, und die Auftnunterung von Seiten vieler meiner hochw. Amtsbrüder, war die Veranlas sung zu den beiden Werken, die ich mir hiemit die Ehre gebe. Hochwürdigstem fürst-erzbischöflichem Consistorium zur Beurtheilung vorzulegen, und von de nen das eine für das Volk,das andere für den Organisten bestimmt ist. Plan und Anlage ist aus beiliegendem Inhaltsver zeichnisse zu entnehmen.Ich habe dabei zunächst nur das Geschäft des Sam meins und Ordnehs gehabt. Wer heute bei der Zusammenstellung eines Ge sangbuches es als nöthig erachten möchte, selbst als Liederdichter aufzu treten, der hat entweder keine Kenntniß von dem unermeßlichen Reichthume an vortrefflichen Liedern, welchen die ka tholische Kirche Deutschlands besitzt, oder er hat keinen Begriff von den Eigenschaften, die ein gutes Kirchenlied haben soll, und den Anforderungen, die an den Dichter gestellt werden, oder endlich, er glaubt, das Zeug dazu in sich zu fmden; der aber prüfe sich wohl, des Sprichwortes gedenkend, daß jedes Jahrhimdert kaum einen Mann mit sol chen Himmelsgaben hervorbringt. Was im Gesang- und Gebetbuche ent halten ist, habe ich sorgfältig aus guten Quellen ausgewählt und reicht für alle Zeiten des Kircheryahres und für alle Gelegenheiten hin,in denen das katholi sche Volk zum gemeinsamen Gottes dienste im Hause Gottes sich zu ver einigen pflegt. Vor Allem wurde auf die gemeinsame Andacht bei dem Gottes dienste Bedacht genommen.Jedoch fin det auch die Privatandacht in diesem Buche eine so reichliche und gut katho lische Speise, wie sie sich nur in den besten katholischen Erbauungsbüchern findet. Aufgenommen wurden in diese Sammlung alle in der Wiener Erzdiözese gebräuchlichen Lieder und Gebete. Stark benutzt wurden die Gesangbücher der Diözesen Mainz, Augsburg, Fulda, Ermland, Freiburg, Köln, Trier, Würz burg etc. Das Melodienbuch trägt außer den Namen der ebengenannten Diözesen noch die glänzenden Namen eines Michael Haydn, Joseph Haydn, Abbe Vogler, Karl Kempter, Albert Höfer, Fr. Bühler, Kaspar Aiblinger, Michael Kel ler, Max Griot, P. Anselm Schubiger, FranzSchubert, Michael Henkel etc. Keine Melodie wurde aiffgenommen, bevor ich sie nicht mit den Schulkindern praktisch erprobt hatte. Damit will ich nun keineswegs behaupten, daß nicht eine oder die andere Melodie einer Ver besserung fähig wäre; sollte dies Werk von Hochwürdigstem fürst-erzbischöfli chem Consistorium einer Weiterverbreitiing würdig befunden werden, so hat sieh J. F. Kloos, Direktor des Vereines zur Beförderung echter Kirchenmusik, erboten, das ganze Melodienbuch einer Revision zu unterziehen. Der Buchhänd ler Sartori aber wünscht,beide Werke in Verlag zu nehmen. Indem ich schließlich meine Arbeit ganz dem Urtheile Hochwürdigsten fürst-erzbischöflichen Consistoriums un terwerfe, bitte ich um die Approbation, beziehungsweise Empfehlung derselben bei dem hochw.Klerus der Erzdiözese. Leobendorf,den 24. Juli 1867. Adam Joseph Steinwachs Kooperator in Leobendorf." Der zuständige Dechant, Ehrendom herr Joseph Schwarz,Pfarrer von Stokkerau, befürwortete das Ansuchen des Kooperators und bestätigte dessen Er folge bei der Förderung des Kirchenge sanges in Leobendorff: „Hochwürdigstes fürsterzbischöfliches Consistorium! In der Anlage bittet der Kooperator Steinwachs Josef zu Leobendorf um die hohe Ordinariats-Approbation, bezie hungsweise um Empfehlung des von ihm herauszugebenden beiliegenden Ge sangs- und CJebethbuches bei dem Dioecesanklerus. Wie derselbe berichtet, so sind diese Lieder und Gebethe nicht von ihm selbst verfaßt, sondern aus den kirchlich ap probirten Gesang- und Gebethbüchern der Diöecesen Mainz, Fulda und Köln zusammengestellt und mit den in der hierortigen Erzdiöcese üblichen Gebethen und Gesängen vermehrt worden. Nach der Meinung des gehorsamst Gefertigten enthält dieses Gesang- und Gebethbuch einen reichen Schatz von den vortrefflichsten Liedern und (jcbethen, und da dieselben ganz im kirchli chen Geist verfaßt sind, wird die An dacht und Auferbauung mächtig beför dert. In der Pfarrgemeinde Leobendorf gehen die meisten Lieder von Mund zu Mund und werden wirklich mit heiliger Freude gesungen. Bei der letzten kano nischen Visitation im Juni 1867 haben die Schulkinder Nachmittag fast durch 2 Stunden von den meisten Liedern die erste Strophe sehr gut gesungen und allgemeine Freude hervorgebracht. Kooperator Steinwachs hat Großes geleistet und wirklich einen neuen kirchlichen Geist in die Gemeinde ge bracht, daher ihm auch alles mit Liebe und Hochachtung anhängt. Der ergebenst Gefertigte bittet, das hochwürdigste fürsterzbischöfliche Con sistorium wolle gnädigst dieses Gebeth und Gesangbuch einer Prüfung, sowohl nach dem Inhalte, als nach den Melo dien, unterziehen lassen und, wenn diese Arbeit für gut befünden wird, dieses Werk dem Diöcesanklerus an zuempfehlen. Der ergebenst Gefertigte verspricht sich viel Gutes davon zur Hebung des kirchlichen Sinns. DekanatStockerau,27. Juli 1867. Jos(eph)Schwarz Can(onikus),Dechant." Am 4. August 1867 übergab das erzbi schöfliche Konsistorium das Manuskript Alumnatsdirektor Prof. Dr. Ernest Mül ler zur Begutachtung®. Dieser dürfte keine wesentlichen Einwände vorge bracht haben, so daß das Werk im Jahr 1868 im Verlag von F. Kühkopf in Kor neuburg gedruckt werden konnte. Das Titelblatt enthielt den Zusatz „Mit Ge nehmigung des lürsterzbischöflichen Or dinariates der Erzdiöcese Wien"; die erbetene Anempfehlung an den Diözesanklerus wurde dagegen nicht ausge sprochen. Als Motto wählte Steinwachs für das Titelblatt; „Singt dem Herrn ein neues 43

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