Wiener Diözesangeschichte 1960 - 1996

druck bringen. Zur Betreuung dieser Kapelle errich tete er überdies ein Beneficium, dem im Testament ein eigener Abschnitt gewid met ist. Unabhängig von der Bausumme erhält das Beneficium eine eigene Dotie rung: Seine Badstube am Schweinmarkt „mit vierundzwanzig Pfundt, damit der Kaplan alle Jahre Messen lese". Sie war für Chrezzel eine gute Einnahmsquelle. Badstuben waren im Mittelalter nicht nur Reinigungsanstalten, sondern dar über hinaus Stätten des Vergnügens. In einem geräumigen Holzbottich saßen meist Mann und Frau gegenüber, ge trennt durch ein aufklappbares Brett, das als Tisch für Speise und Trank diente. Mit dem Auftreten ansteckender Krankheiten (Pest, Syphilis) war das Ende dieser öffentlichen Badstuben ge kommen. Nach den Bestimmungen des Testa ments sollten in der von Chrezzel gestif teten Kapelle am St.-Niclas-Tag drei zehn Priester zu seiner und seiner Nach kommen Seelentrost Messen lesen. Je der Priester sollte 12 Pfennig erhalten. An diesem Tag sollte den Priestern auch ein Mahl gegeben werden. Mit Wissen des Zechmeisters sollte der Kaplan alle Jahre „sechzig Pfennig unter alle Prie ster, die zu den Zeiten gsellen in dersel ben Pfarr seynd" verteüen. Seinem Sohn Niclas® vermachte er vier Weingärten und 60 Pfund Wiener Pfennig, die „da liegend zu Poppiz in dem Lande zu Mehrhen". Ferner sein bei den Pfeilschnitzera gelegenes Wohn haus mit dem gesamten Hausgerät, die Wiesen zu Ebersdorf und das Silberge schirr, das seine Frau in die Ehe ge bracht hatte. Die gleiche Summe wie für St. Michael - dreihundert Pfund - wurden zu „Herzog Albrechts Stift" in Gaming bestimmt. Dieser hatte es 1332 gegrün det. Die Kartause Gaming entwickelte sich zur größten Kartause Europas. Sie fiel leider der josephinischen Reform zum Opfer. Hundert Pfund Pfennig erhielt das Wiener Bürgerspital. Überall, wo die nicht zweckgebundenen Stiftungsgelder hinfließen sollten, war die Klausel beige fügt, man möge den Armen einen Teil davon geben. Alle Wagen, zehn Stück Silbergeschirr, sieben silberne Gürtel und alle Ringlein seiner Frau, sollten zugunsten der Armen verkauft werden. Selbstverständlich erhielten auch viele andere noch testamentarische Zuwen dungen, auf die hier nicht weiter einge gangen wird. In dem 1548 aufgerichteten und beim Grundbuch der Stadt Wien liegenden Beneficiatenbuch' werden die zu die sem Beneficium gehörenden Liegen schaften bzw. Mieterträgnisse aufge zählt; „Stibory Khozl (Chrezzel) Kuchlmaisters Stüft hat zwo Wochenmeß, zu St. Michael auf St, Catharina Altar, darzu gehört ein halb Joch Weingärten zu Weinhaus, in der Undtern Hochenwarth... drey Achtl am Nußberg. Item ain Viertl Weingarten vor St. Nicla zu Erdtberg... aus dem Hubhatis jährlich zins geld 15 Pfennig... jährlich aus einem khleinen Häusl Zehen Schilling pfenning. Ist ain fürstlich Lehen." Be züglich des fürstlichen Lehens hatte Chrezzel letztwillig verfügt: „ich schaf auch, das mein Herr Herzog Albrecht in Oesterreich, und alle seine Nachkom men Herzogen daselbst in Oesterreich, dieselben Kapellen leichen schule (ver leihen sollen), einen ehrbaren Priester". Die Bestellung des ersten Kaplans be hielt sich Chrezzel jedoch selbst vor. Nach dem Tod desselben sollte die Ka pelle keinem verliehen werden, der eine eigene Pfründe hätte. Der Kaplan solle alle Tage eine Messe lesen und wenn er nicht kann,einen anderen Priester dafür gewinnen. Die testamentarischen Verfü gungen Stibor Chrezzels wurden 1350 von Albrecht II. zu Judenburg conflrmiert.'^ Damit ist - worum es hier ja geht - Stiborius Chrezzel von höchster Stelle als Bauherr bzw.Financier des Südchors der Michaeierkirche bestätigt. Hätte einer der Brüder Schenk mit dem Bau schon vor Chrezzel begonnen, so hätte Albrecht n. das Vorhaben seines Kü chenmeisters niemals gutgeheißen. So wohl Chrezzel als auch Wernhard Schenk standen im Dienst des Herzogs. Dem leidgeprüften, schuldlos des ver suchten Giftmords verdächtigten Chrez zel, wollte Wernhard Schenk mit einem konkurrierenden Projekt nicht in den Rücken fallen. Ritterlichkeit galt auch damals noch etwas. Wodurch aber unterscheiden sich die Stiftungen Chrezzels und Schenks? Chrezzel stiftete einen Geldbetrag für den Bau und außerdem Liegenschaften für ein Beneficium -Schenk aber stiftet und sichert nur ein Beneficium. Nach dem der Südchor zwischen 1350 und 1355'^ errichtet wurde, so sind in erster Liniejene Urkunden zu berücksichtigen, die in und um diesen Zeitraum ausge stellt wurden. Folgende Schenkische Originalurkunden sind im Michaeler Kollegsarchiv erhalten: 1355 stiftete Jan (Hans)Schenk eine ewige Messe aufden Katharina Altar"; 1362 stiftet Wernhard Schenk einen ewigen Jahrtag'-''; 1365 gibt derselbe seinen Anteil aufeinen Hof in Hennersdorf für den Kathrein Altar und für den Kaplan desselben'^; 1389 wurde ein Burgrechtsbrief um jährlich zwei Gulden zu Hans Schenks gestifte ten ewigen Messe auf St. Kathreins Altar gegeben'"': 1392 wurde ein Burg rechtsbrief um jährlich sieben Schilling zu Hans Schenks 1355 gestifteten ewigen Messe gegeben'®; All diese Stiftungen beziehen sich auf die ewige Messe bzw. die Jahrtagsmesse'®, nicht aber auf die Errichtung eines Bauwerks „in sand Niclas absehen". Die Aufbesserung des Schenkischen Beneficiums durch weitere Stiftungen scheint bedingt zu sein mit den inflatorischen Tendenzen des 14. Jahrhunderts. Ausgelöst wurden sie zur Zeit Albrechts II. durch eine Ballung von Naturkata strophen, die sich auf die Bevölkerung verheerend auswirkte®".Der ursprüngli che Bevölkerungsstand ging um 20 Pro zent zurück. Die biologischen Nachwir kungen waren noch schlimmer. Men schen, die in der Kindheit die Pest überstanden hatten, blieben dauernd geschwächt. Die vielen Kriege und wirt schaftlichen Depressionen trugen dazu bei, daß man mit der Auflassung von Dörfern begann, die irgendeiner Kata strophe zum Opfer gefallen waren. Wenn also in Belegen des 15. Jahrhun derts der Südchor als „Abseite des Forstmeisters Wernhard"®' bezeichnet wird, so berieht sich dies auf das von den Schenks gestiftete Beneficium, das durch neue Zuwendungen gestützt wurde. Aber einmal mußten diese Zu wendungen aufhören und damit auch die gestifteten „ewigen Messen". In St. Michael waren viele Stiftungen teils der Pfarre entzogen worden, teils durchein andergekommen. Um diesem Zustand abzuhelfen, ordnete Kaiser Maximilian II. 1567 die Union der noch vorhandenen Stiftungen an®®. Das Beneficium Stibor Chrezzels wurde mit den Beneficien Fridrich Purckharts und Hans Reichlins vereint. Sie wurden manchmal unter dem Sammelnamen Katharina Benefi cium geführt. Wöchentlich sollten drei Messen aufdem Katharina Altar gelesen werden.®" Am 6.Juni 1633 wurde neben anderen Gunsterweisen (z. B. die Übertragung der Pfarre Mistelbach) dieses unierte Beneficium von Ferdinand II. den Barnabiten geschenkt. Die Übergabe an sie scheiterte aber am Widerstand des Wie ner Ordinarius®'. Die Barnabiten aber gaben ihre Bemühungen zum Erwerb des Chrezzel Beneficiums nicht auf. Von 1633 bis 1669 wendeten sie sich deswe gen an den Geheimen Rat, die Regie rung, den päpstlichen Nuntius und an das eb. Consistorium. Allerdings erfolg los. Daneben und darüber hinaus ver wickelten sie sich in einen langwierigen Prozeß um „die Inhabung des Stae. Catharinae oder Stibory Krezls und Fridrich Purckharts und Hanß Reichüns unirtes Beneficium". Der Prozeß ging für sie verloren®". Nun gaben die Barna biten ein halbes Jahrhundert Ruhe. Aber 1736 traten sie erneut aufden Plan. Sie richteten ein Gesuch an den Kaiser. Durch ein Regierungsdekret vom 28. Mai 1736 wurden sie abgewiesen®". Nun aber kam eine Periode,in der die Barnabiten Rede und Antwort geben mußten,was es mit dem Stibor Chrezzel Beneficium für Bewandtnis habe. In ihrem Eifer, emsig alle Urkunden zur Erreichung dieses Beneficiums zusam menzutragen, waren sie zu profunden Kennern dieser Materie geworden. Nun wurden sie zur Auskunftsstelle für staat liche und kirchliche Behörden. 1794®"' wandte sich die Nö. Landesregierung an das eb. Konsistorium wegen des „Chrezlischen Beneficii simplicis St. Cathari nae", das nun dem Religionsfonds zufal len solle. Der Stiftbrief müsse entweder beim eb. Consistorium oder bei den Barnabiten liegen. Das eb. Consistorium solle St. Michael verständigen und die ses den Bischofstettner Pfarrer (ihm wollte man dieses Beneficium verlei hen), damit das Nötige vom bischöfli chen Consistorium St. Pölten ergehe. Am 24. Jänner teilte das eb. Consi storium dem Propst von St. Michael®® mit, der Chrezzelische Stiftbrief befinde sich nicht bei ihm.Im Antwortschreiben 38

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