Kirche viele hatte, von den Wänden genommen worden. Früher hallten die Steine der Wände von der Verehrung Marias wider, nun. da sich die Ordnung zum Besseren gewendet hat, mögen die Herzen von einer lieblicheren Melodie widerhallen! Dies sind die Lobgesänge der Marienverehrer für die große Mut ter. Und was uns der Pinsel häufig gemalt hat, möge sich in Zukunft in die Brust der Gläubigen einprägen."-' Machtlos, mit gebundenen Händen, mußten also die Mönche zusehen, wie die zahlreichen Votivbilder von den Wänden verschwanden. Wir können uns daher nur glücklich schätzen, daß doch das eine oder andere Bild die Jahrhun derte überdauerte und uns heute Ein blick gewährt in einen religiösen Volks brauch, wie er gerade in der Barockzeit besonders stark verbreitet war. Die verlobte Prozession der „Alsterund Währinger Gasse" Die Gemeinde Währing mußte schon früh Wallfahrten nach Mariabrunn un ternommen haben. Der Beweggrund ist allerdings nicht bekannt. Später, im Jahre 1715, hatten sich die Bürger der „Alster- und Währinger Gassen" verei nigt und „aus eyfriger Andacht wegen der von Gott verliehenen Gnad zur PestZeit entschlossen ein alljährige Wahlfarth nacher Brun"^'' zu unternehmen. Damit dürfte wohl die Pest des Jahres 1713 gemeint sein, von der Wien und die Vorstädte arg heimgesucht wurden. Auf einem Votivbild aus dem Jahre 1763, es ist das zweite, das die josephinische Zeit überdauerte, ist sehr anschau lich die Prozession bei ihrem Auszug aus der Minoritenkirche dargestellt. Im Hin tergrund ragt der Stephansdom über die Häuser der Stadt Wien,in der gerade die Pest wütet. Pesttote, die aufzwei freien Plätzen liegen, werden von Männern mit Stangen weggetragen oder auf einem Schubkarren zu einem Pferdewagen ge führt und abtransportiert. Vor diesem schaurigen Hintergrund aber formieren sich vornehm gekleidete Bürger, die Männer mit Perücken, die Frauen in schönen Festtagskleidern, zur Prozes sion. Das Chronogramm der Inschrift „qVanDo pICae sVbVrbs ClVItatls VIennensIs Vota sVa anno qVInqVegeslMo renoVaVet" ergibt das Jahr 1763, wo zum 50. Male die Wallfahrt veranstal tet wurde. Das Ansuchen allerdings nennt uns das Jahr 1715 als Gründung der Prozession. Später scheinen sich die Bürger der Alster- und Währinger Gasse wieder getrennt zu haben, denn schon seit dem Jahre 1784 treffen die Wallfahr ten an verschiedenen Tagen in Maria brunn ein. Beide Pfarren aber besuchen noch heute diesen Gnadenort,zu dem sie sich vor mehr als 250 Jahren verlobten. Ausklang Die Kirche von Mariabrunn war nicht, wie etwa Mariazell oder andere Gnaden stätten, ein Fernwallfahrtsort, zu dem die Prozessionen oft mehrere Tage un terwegs waren,sondern ein reiner Nahwallfahrtsort. von dem die Prozessionen meist noch am gleichen Tag in ihren Heimatort zurückkehren konnten. In den Monaten Juli, August und September kamen die meisten Wall fahrtsprozessionen nach Mariabrunn. Neben den günstigen sommerlichen Wit terungsverhältnissen dürfte die Ursache gewiß auch in den drei Marienfeiertagen Maria Heimsuchung(2. Juli), Maria Him melfahrt (15. August) und Maria Geburt (8. September)zu suchen sein. Zwischen 1610 und 1987 konnten insgesamt 711 Wallfahrtsprozessionen nachgewiesen werden. Ihre tatsächliche Zahl beträgt vermutlich ein Vielfaches davon. Die meisten Prozessionen kamen aus Orten des Wienerwaldes, aus dem Tullnerfeld, aus Wien und besonders aus den damaligen Vororten von Wien. Bemer kenswert ist jedoch, daß in den vergan genen Jahrhunderten keine einzige Wallfahrt aus einem Ort nördlich der Donau nach Mariabrunn gekommen ist. Der Strom war ein unüberwindbares Hindernis und bildete damit eine natür liche Grenze. Mariabrunn, einst ein blühender Wall fahrtsort, wenige Meilen vor den Toren der Residenzstadt gelegen, ist heute bereits stark in Vergessenheit geraten. Die Zahl von etwa 1000 Wallfahrern pro Jahr ist nur noch ein schwacher Abglanz jenes regen Lebens, das noch vor etwa 200 Jahren hier geherrscht hat. Vielfältig sind die Ursachen,die zu diesem Nieder gang geführt haben. Die religiöse Ein stellung des heutigen Menschen und die Motorisierung sind nur zwei davon. Dennoch aber kann es als erfreuliche Tatsache gewertet werden,daß nach wie vor Wallfahrer diesen Gnadenort besu chen, um hier religiöse Stärkung und seelischen Trost zu finden. Als Beweg grund stand und steht wohl auch heute noch „an erster Stelle die Bitte um Hilfe in Nöten und Schwierigkeiten, um Hei lung von Krankheit und um Klarheit bei wichtigen Entscheidungen^". Und so lange Menschen macht- und ratlos einem oft unerbittlichen Schicksal ge genüberstehen, so lange werden sie auch die Himmelskönigin um ihre Hilfe bitten. Anmerkungen 'Der Große Duden,Etymologie, 1963, S.752. Schmidt Leopold, Volkskunde von Niederösterreich,Bd.2, 1972,S.325. ProtocoUum Conventus B.V.Mariae Ii. Bericht des Pfarrers Von Franz Weninger 1. Historische Zusammenfassung: Im vorangegangenen Artikel hat Dr. Killian aus seinen reichhaltigen For schungen über Mariabrunn,den kleinen Wallfahrtsort im Westen Wiens(Hadersdorf-Weidlingau, jetzt: Wien XIV) und die Entwicklung des Wallfahriswesens berichtet und einige Beispiele geboten. Die Entstehung des Wallfahrtsortes verliert sich im Dunkel der zitierten Legende. Dabei ist auifallend, daß eine ad Fontes Frm. Erm. Discal. S.P. Augu stini..., S. 18; Pfarramt Mariabrunn. 'Ebd.S45-46. Klosterchronik der Augustiner Barfußer in Mariabrunn, fol. 46; Pfarramt Mariabrunn. "Gedenk-Buch der 1. f. Pfarre MariaBrunn, 1784-1902, fol. 48; Pfarramt Ma riabrunn. ^ Ebd.fol.56. « Ebd.fol. 58. ^ Gedenkbuch der Pfarre Mariabrunn ab 1902, S.170-171; Pfarramt Maria brunn. Bernardus a. S. Theresia, Fons signatus. Daß ist: Ein gezeichneter Brunn Deren Göttlichen Gnaden und Wunderthatten / Nemblich der Ursprung / und Fortsetzung der Andacht bey dem Gna denvollen Bild Maria zu Brunn / Unweit der Kayserl. Residenz=Stadt Wienn in Unter=Oesterreich..., Wien 1698,S.32. '' Origo Prozessionis: Archiv des Schottenklosters, Wien, Signatur Scrin. 10 C Nr. 2. Rapf Cölestin Roman, Das Schot tenstift. Wiener Geschichtsbücher, Bd. 13, Wien 1974,S.24. Archiv des Schottenstiftes Wien, Signatur Scrin. 10, C, Nr.3; Bestätigung der Wallfahrt durch Melchior Klesl. "Sammlung der Kaiserlich-Königli chen Landesfürstlichen Gesetze und Verordnungen in Publico-Ecclesiasticis, Teil I, Wien 1767-1782,S.34,Nr.31. Ebd.S.89, Nr.52. '« Ebd.Teil n,S.2,Nr.2. "Ebd.Teil VII,S.18, Nr.26. Stirner Karl Gustav, Die Ottakringer und ihre Straße,Kurier vom 12. XII. 1973,S. 24. Votivbild der Gemeinde Ottakring; derzeit Heimatmuseum Ottakring. Ottakring. Ein Heimatbuch des 16. Wiener Gemeindebezirkes, Wien 1924, S.104. Bernardus a.S. Theresia, Fons signatus...,S.55. Gedenk-Buch, 1784-1902, Folio 170; Pfarramt Mariabrunn. Sammlung... in Publico-Ecclesia sticis, Teil III, S. 13, Nr.9. Klosterchronik, fol. 9-10; Pfarramt Mariabrunn. Ansuchen zur Wallfahrt vom 2.IV. 1759; Diözesanarchiv Wien, Pfarrakten Mariabrunn sub dato. Klosterchronik, fol. 55; Pfarramt Mariabrunn. Statue zwei Mal im Wasser gefunden wird. Wir hören ja bei vielen Wallfahrts orten, daß das Andachtsbild im Wasser entdeckt wird, aber bei keiner anderen Legende in Österreich geschieht dies zwei Mal. Es gab um 1400 hier eine kleine Marienkapelle, wie dokumentarisch nach gewiesen ist. Diese dürfte - so wie die Pfarrkirche - in den Wirren der Türkenund Reformatibnszeit zerstört worden sein. Im Zuge der Glaubenserneuerung, der Gegenreformation, wurde der kleine Wallfahrtsort systematisch „aufgebaut". 26
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