Wiener Diözesangeschichte 1960 - 1996

Die Schottenwallfahrt Mag sich die kleine Marienkapelle auch schon in früherer Zeit eines regen Zustromes von Gläubigen erfreut ha ben'", so ist uns doch die älteste Wall fahrt nach Mariabrunn erst aus dem Jahre 1610 bekannt. Wie uns der Chro nist berichtet, hatten „im Jahr 1610 etliche wenig Burgerspersohnen, auf obbemelten Festtag der Haimbsuechung Mariae ein Wallfahrth mit einander nach obbesagtem Kirchl Vnser Lieben Frauen Prunn genant, angeslelt". Die Wallfah rer haben sich „tails in St. Francisci der Capuziner, tails aber in St. Vdalrici Kürchen Zue Morgens in aller früe versamblet, vnd dieweilen sich je lenger.Je mehr Personen Zuegeschlagen"". Die Kirche St. Ulrich gehört seit dem Jahre 1302 zum Schottenkloster'^ und wird noch heute von diesem verwaltet,so daß also diese Wallfahrt schon bei ihrer Gründung von einer Kirche des Schot tenklosters ihren Anfang nahm. „Nach dem die laidige Sucht Lutheri schen Ketzerey ach das gantze Oester reich also eingenommen daß in der Kayserlichen Residenz-Statt Wienn nit mehrer als zehen Catholische Burger sich befunden / und durch unterschidliche Verfolgungen / widerwärtigen Zufäl len / und Betrangnussen dermassen geplaget wurden / daß sie ihnen gleich sam nicht mehr zu helffen wüsten: nah men sie ihr Zuflucht zu der übergebenedeyten Jungfrauen und Mutter Gottes Maria / verlobten eine Kirchfahrt nach Maria Brunn an dem Fest der Heimsu chung Maria / als den Titular-Fest dises Kirchleins / inständig Gott umb Erhal tung deß Catholischen Glaubens / und Außreutung der Ketzerey bittend: sie hatten kaum die Kirchfahrt verrichtet / so hat die Ketzerey von Tag zu Tag abgenommen / der Catholische Glauben gewachsen / und endlich unter den Kayser Ferdinande den Anderten außgetilget worden / dahero dise Procession noch jährlich allzueit gantz Volckreich sich zu Maria Brunn einfindet / und ihr Andacht ableget."" Als 1613 „die Andacht der eüfrig Ca tholischen sehr Zuegenohmen", wurde ein schönes, großes Kruzifix angefertigt und „auf Befeien deß Hochwirdigen In Gott Herrn, Herrn Melchiorn Clösels, Bischoffens zue Wienn etc. von St. Ste phan solenniter processionaliter mit beglaidtung vieler 1000. Personen zue mehrgedachten heiligen orth vnser Lie ben Frauen Prunn getragen". Demnach hatte also in diesem Jahr die Wallfahrt von St. Stephan ihren Ausgang genom men. Das vom Chronisten erwähnte Kruzi fix, welches noch heute in der Kirche von Mariabrunn den sogenannten „Kreuzaltar" schmückt, wurde 1613 „von dem Hochwürdigen Herrn, Herrn Alphonso de Requescens,Bischoven Zue Passaw etc. geweicht: vnd nachmalen nach verrichtetem Heiligen Ambt vnd Predig, daß Te Deum laudamus gesun gen" und „an gegenwertigen orth, da es sich noch befindet, aufgerichtet"". Schon nach wenigen Jahren hatte also diese Wallfahrt solchen Zulauf gewon nen, daß es nun notwendig wurde, die offizielle Erlaubnis des Bischofs dafür einzuholen. „Also haben Ihr 12. als Authores vnd Anfanger diser procession, nach weiss gehaltenem öfftern Berathschlag auß sondern Eifer bewegt, vmb gemelter processions Confirmation vnd Bestedtigung bei der geistlichen Haupt obrigkeit allhier sich angemelt."" Diese Bemerkung des Chronisten, daß 12 „Authores vnd Anfänger diser proces sion" um die Bestätigung beim Bischof Klesl angesucht haben, scheint der Grund dafür gewesen zu sein, daß spä tere Autoren berichteten, es hätten zu dieser Zeit nur noch 12 Katholiken in Wien gewohnt. In Wahrheit aber waren diese 12 Bürger die Begründer dieser Prozession. Wie die noch erhaltene Ur kunde zeigt, hat Bischof Klesl am 11. Juni 1615 diese Wallfahrt auch bestä tigt.'" Das reich blühende Bruderschafts leben, das seit der Zeit der Gegenrefor mation das religiöse Bild unserer Kirche prägte, fand etwa eineinhalb Jahrhun derte später ein rasches Ende.Schon als im August 1771 von Maria Theresia die Verordnung erlassen wurde, daß, „tun bey den Bruderschaften sich verschie dentlich zeigender Mißbräuchen, und der darunter vielmals verborgenliegen den Gewinnsucht behörige Schranken zu setzen... in das künftige gar keine Bruderschaft ohne allerhöchster Einwil ligung zu errichten gestattet... werden sollen"'', kündigte sich bereits eine neue Ära an. Und als zwölf Jahre später Kaiser Joseph II. durch die Verordnung vom 9. August 1783 alle Bruderschaften verbot, war dies der logische Schluß punkt dieser Entwicklung. Ein ganz ähnliches Schicksal war in der Zeit der Aufklärung auch den Wall fahrtsprozessionen beschieden. Nach dem schon früher alle Prozessionen, die außerhalb der Erblande führten, verbo ten worden waren, wurden nun 1772 jene, „wo man auch innerhalb der Erb landen über Nacht ausbliebe'" ', unter sagt. Durch eine Verordnung vom 27. Dezember 1782 wurden schließlich „die allzuvielen Prozessionen abgestellet" und „nur zween einzige des Jahres belassen". Ausgenommen waren jedoch die „Vorbitten um Regen, gesegnete Aerndte, oder wegen sonstigen allgemei nen Anliegen'"". Zunächst war die Schottenwallfahrt durch dieses Verbot nicht unmittelbar betroffen. Doch durch das Verbot aller Bruderschaften vom 9. August 1783 hatte diese Prozession ihre Basis endgültig verloren. Wir finden daher auch ab dem Jahre 1784 keine Schottenwallfahrt mehr verzeichnet, ob wohl ein generelles Verbot aller Prozes sionen und Wallfahrten erst im Jahre 1789 erfolgte.'"' Doch all diesen Verboten zum Trotz besitzen wir, wie uns das Wallfahrtsver zeichnis zeigt, aus 1795 und den folgen den Jahren Kunde von zahlreichen Wallfahrten, die nach Mariabrunn ge kommen sind. Die Schottenwallfahrt wird sogar schon 1791 erstmals wieder erwähnt, auch wenn sie bei weitem nicht mehr diesen großen Prozessions charakter besaß wie zu jener Zeit, als sie noch von der Bruderschaft veranstaltet wurde. Die Kaferwatlfahrt der Ottakringer Zu den ältesten Wallfahrten, die sich bis in die jüngste Zeit erhalten haben, gehört zweifellos jene der Pfarre Ottakring. Es handelt sich hier um eine der zahlreichen Bittwallfahrten, die von der bäuerlichen Bevölkerung der näheren und weiteren Umgebung aus verschiede nen Gründen unternommen wurden. Der Anlaß für die Ottakringer Wein hauer nach Mariabrunn zu wallfahrten, war der sogenannte „Stanitzlkäfer" oder auch „Zigarrenwickler" genannt, der zu Ende des 17. Jahrhunderts ihre Weingär- .ten verwüstete"*. Der wissenschaftliche Name dieses 6 bis 9 mm langen, metal lisch grün oder blau gefärbten Käfers ist Rebenstecher(Byctiscus betulae). Dieser Käfer trat, ehe es noch geeignete Be kämpfungsmittel gab, immer wieder in Massen auf und richtete beträchtliche Schäden an. So „Verlobte sich die Ehr same Gemeinde Ottakring zu der Gna den Mutter Mariabrunn, um Abwen dung des Ungeziefers in den Weinber gen'"". Als die Weinhauer 1674-" tat sächlich die Bewilligung dazu erhielten, wallfahrteten sie nun alljährlich am 9. April nach Mariabrunn, wo sie von der Gnadenmutter Hilfe für ihre Weinberge erflehten-'. Ob diese Prozession tatsäch lich immer so verlief, „daß der Pfarrer am Samstag mit seinen Bauern nach Mariabrunn zog und am Sonntag mit dem Kreuz in der Hand allein in seine Gemeinde zurückkehrte", während mittlerweile „sich die Ottakringer bis Dienstag in Mariabrunn am Wein'"" labten, läßt sich wohl nur schwer nach weisen. Wie sehr sich die Ottakringer mit ihrem Wallfahrtsort verbunden fühlten, zeigt uns das Jahr 1884, als am 9. Sep tember eine Prozession von „mehr als zweitausend Personen, ein schönes in rothes Leder gebundes Missale der Kir che zum Geschenke" überbrachten. Schon im Jahre 1780 hatten die Otta kringer, zum hundertjährigen Bestehen ihrer Wallfahrt, ein Votivbild nach Ma riabrunn gebracht. Es ist in einer rei zend naiven Art gemalt und zeigt den Auszug der Wallfahrt aus dem Dorfe Ottakring. Dieses Votivbild ist eines der ganz wenigen in Mariabrunn, die den „Bildersturm" Josephs II. überdauerten. Denn durch einen Erlaß vom 9. Februar 1784 hat der Kaiser angeordnet, daß die Wände der Kirchen, die „mit Opfern, Opfertafeln, hölzernen Füssen, Kruken, Säbeln, Panzern, Ketten und derglei chen Zeugnissen meistentheils unerwiesener Wunderwerke mehr verunstaltet, als gezieret,... daß solche, ohne bei dem Volk ein Aufsehen zu erregen, nach und nach weggeschaft"-' werden. Viel volks kundliches Gut ist durch diese Verord nung für immer verlorengegangen. Wie wenig jedoch der Klerus selbst mit die ser Anordnung einverstanden war, läßt der Bericht jenes Augustinerpaters aus Mariabrunn erkennen, der in folgenden Worten seinem verhaltenen Zorn Aus druck verlieh; „Gemäß einem k. k. Er laß sind alle Opfertafeln, deren unsere 25

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