Wiener Diözesangeschichte 1960 - 1996

eure feine Jugendfeier im St. Pöltner Dom in Heimat und Feld weiterleiten. Am 16. Mai 1943 erfolgte nach einer Aufforderung ein Besuch der Gestapo zentrale am Morzinplatz (Hotel Metro pol), bei dem als Sicherheitsmaßnahme die Erlegung von 1000 RM auferlegt wurde, da ich einer sei, der illegale Jugendverbände beeinflusse. Am 17. Februar 1944 wurde ich in Gaaden verhaftet. Ich kam gerade vom Ort zurück in meinen Pfarrhof, als mir meine Haushälterin sagte: „In der Kanz lei warten zwei Herren auf Sie." Diese zeigten mir ihren Ausweis mit der Auf schrift „Geheime Staatspolizei" und sag ten „Hausdurchsuchung!". - Sie fanden eine große Anzahl von Feldpostbriefen, die ich von jungen Leuten aus dem Feld erhalten hatte -ich stand, wie gesagt, in regem brieflichen Kontakt mit Burschen aus der Neustädter Bibelrunde und aus meiner Pfarre. In den Briefen wurden natürlich unter anderen auch religiöse Themen berührt. Alle Briefe wurden beschlagnahmt, zwei Koffer mußte ich zur Verfügung stellen. Ich wurde aufge fordert, einige Sachen mitzunehmen, und daraufhin per Auto zur Geheimen Staatspolizei am Morzinplatz gebracht. Nach langen Verhören wurde ich am Abend mit dem ,.Grünen Heinrich" in das Polizeigefangenenhaus an der Roß auerlände überstellt. Für kurze Zeit sah ich dort P.Zeininger,der am selben Tag verhaftet worden war.^ Ich kannte P. Zeininger schon von früher und war bei ihm bei einer Jugendveranstaltung in der Pfarre Krim in Wien XIX gewesen. Ebenfalls am 17. Februar wurde auch Kaplan Johann Ruggenthaler von der Pfarre St. Brigitta in Wien XX verhaf tet. Der Tagesbericht der Gestapo Wien berichtete über unsere Verhaftungen folgendermaßen: „Am 17. 2. 1944 wur den die katholischen Konfessionsdiener Viktor Steffek..., Johann Ruggentha ler... und Josef Zeininger wegen Ver dachts der Vorbereitung zum Hochver rat festgenommen. Sie haben nach den bisherigen Feststellungen die Bestre bungen der illegalen bündisch-konfes sionellen .Liga junger katholischer Deutscher - Kampfbund für christlichen Glauben und deutsche Art' unterstützt. Steffek, Ruggenthaler und Zeininger sind bereits wiederholt staatspolizeilich in Erscheinung getreten. Weitere Fest nahmen stehen bevor." Im Schutzhaft befehl vom 20. April 1944 wurde der Verhaftungsgrund wie folgt angegeben;' ,,Er(Viktor Steffek)gefährdet nach dem Ergebnis der staatspolizeilichen Feststel lungen durch sein Verhalten den Be stand und die Sicherheit des Volkes und Staates, indem er der hochverräteri schen Betätigung für eine bündisch-kon fessionelle Jugendorganisation dringend verdächtig ist." Im Polizeigefangnis war ich zuerst allein oder zu dritt, einmal mit dem Pfarrer von St. Margarethen im Burgen land und einem Wiener Feuerwehr mann,einmal auch mit Pfarrer Dr.Poch von St. Leopold und einem französi schen Priester, dann aber lange Zeit in einer großen Gemeinschaftszelle. Zufäl lig war in der Zelle nebenan P. Zeinin ger. Manchmal konnten wir nach dem Abmontieren der Schrauben von einem Bettgestell miteinander reden. Auf die selbe Weise konnte mir aus der anderen Nebenzelle P.Hartmann Staudacher,ein Franziskaner, den Auftrag geben, ich möge an jedem Abend zu einem gegen überliegenden Fenster im 2. Stock einer Klosterschwester den hl. Segen geben, da er entlassen würde. Was das Essen betraf, so war es im Polizeigefangnis so. daß ich zuerst nichts essen wollte und diese Meinung hat sich bei fast jedem Neuankömmling wieder holt. Dann gewöhnte man sich an diese Kost. Nur einmal stellten wir die Mena geschalen alle vor die Tür, da es in ihnen von Würmern wimmelte. Eine seelsorgliche Betreuung gab es in der Roßauerlände nicht. Da man mir keine Schuld nachweisen konnte und nur ein Verdacht bestanden hatte, wurde mir nach etwa fünf Mona ten meine Freilassung in Aussicht ge stellt. Nach dem Attentat auf Hitler am 20. Juli 1944 war aber davon keine Rede mehr.Im Herbst wurde ich in die Unter suchungshaftanstalt des Wiener Landes gerichtes überstellt. Dort war das Essen durch Häftlinge bereitet und etwas bes ser. Es gab auch eine seelsorgliche Be treuung für die Gefangenen durch Oberpfarrer Eduard Köck."' Er konnte mir und anderen alle 14 Tage die heilige Kommunion reichen. Eine Feier bzw. Besuch der hl. Messe war dagegen nicht möglich.Im Landesgericht konnte ich das Brevier (auch schon "im Polizeigefang nis), die Hl. Schrift und die „Nachfolge Christi" lesen. Es war eine Freude, die beiden letztgenannten Werke mit einem evangelischen Christen gemeinsam zu lesen und zu betrachten. Wenn wir zum Spaziergang in den Hof hinunter geführt wurden, kamen wir an den „Todeszel len" vorbei, in denen die zum Tode Verurteilten aufihre Hinrichtung warte ten. Wir merkten uns die Anzahl der Insassen, die an den Türen ersichtlich war. An den Mittwochen fanden die Justifizierungen statt und am Donners tag konnte man beim Vorbeigehen erse hen.daß an den Türen weniger Insassen zu zählen waren. Bei den Spaziergängen im Hof konnten wir die zum Tod Verur teilten sehen und ihnen zuwinken. Es war ein sehr trauriger Anblick. Auf einem der Spaziergänge ging hinter mir der nachmalige Bundeskanzler Figl und bat mich flüsternd um ein CJebetbuch, das ich ihm an den nächsten Tagen geben konnte. Bevor die Russen nach Wien kamen, wurden wir zu sieben Mann in Einzelzel len gepfercht und es hieß, wir würden aufSchiffen aufder Donau auf die Feste Landsberg gebracht. Im Hofe des Lan desgerichtes sahen wir die Familien der Aufsichtsorgane ebenfalls in Erwartung des Abtransportes. Aber es kam nicht mehr dazu.Am Freitag,6. April, wurden wir alle,sowohl die sogenannten „Politi schen" als auch die Kriminellen, entlas sen,bevor noch die Russen diesen Stadt teil besetzten. Ich begab mich in den Heiligenkreuzerhof. wo ich die erste Nacht verbrachte. Die nächsten zehn Tage hatte ich Zuflucht bei den Minoriten in der Alserstraße gefunden. Erst als dieser Stadtteil von den Russen besetzt worden war, konnte ich nach Erhalt der nötigen Ausweispapiere in meine Pfarre Gaaden zurückkehren, wo ich im Pfarr hof meine von Wien geflüchteten Eltern und Schwester begrüßen konnte. Wenn man heute fragt,ob wir Priester dem nationalsozialistischen Regime Widerstand geleistet haben,so muß man sagen, daß wir keine großen „Aktionen" durchführten. Was ich getan habe ist, daß ich jungen Leuten gegen die Maxi men des Nazionalsozialismus den Glau ben erhalten habe. Insofern kann man wohl von einem geistigen Widerstand sprechen. Anmerkungen: ' Der folgende Bericht beruht auf einem Brief von P. Cornelius Steffek vom 26. November 1987 und auf einem auf Tonband aufgezeichneten Gespräch, das Johann Weißensteiner am 9.Dezem ber 1987 mit dem Autor führte. Zu P. Josef Zeininger (heute Bi schofsvikar für Wien-Stadt) vgl. Wider stand und Verfolgung in Wien 1934-1945, Bd.3(Wien 1975) 117f. " Abgedrucktebd.S. 118. ' Original im Besitz des Verfassers. Zu Gefangenenhausseelsorger Msgr. Eduard Köck vgl. Franz Loidl. Gefange nenhaus-Seelsorger Möns. Köck (1952) (Ein längst fälliger Nachruft- In: Beiträge zur Wiener Diözesangeschichte 8 (1967) 33-36. Ein Rundbrief an die „Jungstürmer der Marianischen Kongregationen" aus dem Frühjahr 1938 Von Altpfarrer KR JosefSedlmayer,Wien In meinem Besitz befindet sich ein Originalbrief, der nach den Tagen des Umsturzes von 1938 an die „Jungstür mer der Marianischen Kongregationen (MK)" geschrieben wurde. Er zeigt m.M. nach sehr gut Haltung,Stimmung und Hoffnung innerhalb der MK, bzw. der katholischen jungen Österreicher jener Tage; er sei daher im folgenden zur Gänze wiedergegeben: „Wir haben Tage der Spannung, des Umsturzes hinter uns. Vor uns liegt die Zukunft, die wir zu meistern haben. Großdeutschland ist eine Tatsache, die vieles für sich hat: wir hoffen, daß uns die neue politische Ordnung neben dem 17

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