Gärten, wie alles Vereinseigentura, an gefangen von Möbeln und Büchereien bis 2u Fahnen,Fußbällen, KafTeehäferln, Schultafeln, Bleistiften oder Musikin strumenten beschlagnahmt, entweder brutal zerstört oder sehr oft von Par teiorganisationen als neuen Eigentümern übernommen. Von den teilweise recht erheblichen Spargroschen der Vereine ganz zu schweigen. Diese Auflösung der Vereine war ein vernichtender Eingriff in die gesamte Seelsorge. Brutaler als wir uns das heute vorstellen können.Sie war auch ein schwerer finanzieller Schlag. Zunächst war daher auch die allgemeine Ratlosigkeit in den Pfarrge meinden sehr groß, zumal gleich am Anfang mit viel Lärm alles getan wurde, um uns einzuschüchtern, um Priester und Laien gegeneinander auszuspielen, zu verleumden, uns auf jede denkbare Weise zu verunsichern. Unter den vielen Verhafteten der ersten Stunde waren nicht wenige Vereinsfunktionäre; das bedeutete, daß die aktivsten und erfah rensten Laien fehlten, während die an deren gar nicht wußten, warum die Verhaftungen erfolgt waren,daher auch nicht wußten, ob man seine Freunde überhaupt treffen dürfe, wo man sich treffen könnte. Viele Priester kamen sich in der ersten Zeit wie verfemt vor. Nach wenigen Wochen waren dann zwischen der Erzdiözese Wien und der Gauleitung Richtlinien für die Seelsorge vereinbart. Ich erinnere mich vor allem an den Bereich der Jugend- und Kinder arbeit, wo ich ja weiterhin tätig war - nur mit dem Unterschied, daß auf mei nen Dokumenten der Arbeitgeber nun nicht mehr „Katholische Aktion" hieß, sondern „Erzbischöfliches Ordinariat Wien, Abteilung Seelsorge". Sehr genau entsinne ich mich der ersten Gehversu che im April 1938: der Kirche war das Recht zugesichert, „Kinder und junge Menschen zum Zweck der religiösen Weiterführung und Vertiefung in kir cheneigenen Räumen zu versammeln und rein religiöse Themen mit ihnen zu besprechen". Diese Formel wurde zur Grundlage für eine fruchtbare Kinderund Jugendpastoral in den nächsten Jahren. Zunächst gab es freilich mehr Probieme und Fragezeichen als klare Marschziele. Fast überall fehlten die „kircheneigenen" Räume. Was war außer den Kirchen und Kapellen darun ter zu verstehen? Die Sakristei war oft der erste Zufluchtsort, wenn es dort mitunter auch recht eng und ungemüt lich war. Langsam entstanden - zuerst sehr vereinzelt - die neuen „Pfarr heime", seither eine selbstverständliche Einrichtung und etwas ganz anderes als die alten Vereinshäuser. Mit einiger Phantasie und Mühe fand man in Pfarr höfen oder Klöstern alte Nebengebäude, Scheunen, Ställe und Keller, die sich provisorisch adaptieren ließen. In diesen neuen Pfarrheimen wurde die „Kinderseelsorgestunde" erfunden, bald auch die „Jugendseelsorgestunde"; für die Buben bot die Ministrantenstunde viele Möglichkeiten. Unsere diözesane Jugendstelle hatte genug zu tun. Wir wa ren viel unterwegs, besuchten die Pfar ren in Stadt und Land. Briefliche Kon takte oder Telephongespräche waren weniger ratsam. Zuerst ging es vielfach um Ermutigung, um Kontakte, Rat schläge. Da und dort gab es freilich sehr initiative Jugendseelsorger, an vielen Orten aber herrschte Ratlosigkeit. In vielen Gemeinden gab es ja auch wie derholte Übergriffe durch Parteiorgane, erbitterte Konkurrenzkämpfe um jedes einzelne Kind.In Landpfarren, wojeder jeden kannte und beobachten konnte, war die Situation oft besonders schwie rig. Fast überall fehlten die jungen Füh rer, fehlte es an konkreten Arbeitsvor schlägen und an Material, an einer Art Lehrplan,an Vorschlägen für die Gestal tung der Stunden. Wie sollte man junge Menschen mit rein religiösen Themen fesseln und interessieren? Bei soviel massivem Druck, bei so starker Gegen propaganda von außen? Spiel und Sport waren verboten, Unterhaltungsliteratur und die alten Jugendzeitschriften fehlten völlig, das religiöse Liedgut aus dem Diözesangebetbuch war sehr bald lang weilig. In den Seelsorgestunden konnte es ja auch nicht um eine Kopie des Religionsunterrichtes gehen. Wir waren daher reichlich beschäftigt mit Material vorschlägen, Stundenbildern und vor allem mit Führerschulung. Für die politischen Machthaber war die bald in vielen Pfarren aufblühende Kinder- und Jugendseelsorge ein uner wartetes Phänomen, mit dem sie nicht gerechnet hatten. Seit der berühmt ge wordenen Rosenkranzandacht im Okto ber 1938, bei der wir als Planer und Veranstalter selbst die größte Überra schung erlebten - nie hatten wir mit so vielen Teilnehmern, mit soviel glühen der Begeisterung zu rechnen gewagt -, seit diesem Abend wußten Gauleitung und Gestapo, daß es trotz der Zerschla gung der Vereine und Jugendgemein schaften ein reiches kirchliches Jugend leben gab. Fortan wurden erfolgreiche Jugendseelsorger immer wieder vor die Gestapo zitiert. Man versuchte sie einzu schüchtern, auch ohne konkrete Ver stöße gegen irgendwelche staatliche Vorschriften wurden sie inhaftiert, an dere ohne Angabe von Gründen einfach „gauverwiesen", das heißt, in die Ver bannung geschickt, im milderen Fall nach Bayern oder Südmähren, meist in entferntere Gebiete wie etwa in den hohen Norden oder den fernen Westen des Reiches. Sie durften bis zum Kriegs ende nicht in die Heimatdiözese zurück. Das riß spürbare Lücken in die Reihen der Priester, die bald ohnedies durch die Kriegsdienstverpflichtung der Kapläne gelichtet waren. In der Kinderseelsorge war dies besonders schmerzlich spürbar; der Jugend fehlten die Seelsorger frei lich auch, doch war es erstaunlich, was damals junge Leute, Mädchen und Bur schen in Eigenregie an Gruppenleben wachhielten, wie intensiv Kontakte mit Nachbarpfarren gepflegt wurden. In dieser Situation kam der Leiter des Seelsorgeamtes, Dr. Karl Rudolf, auf den Gedanken, die weiblichen Schulor den, deren Mitglieder ja nach der Schlie ßung ihrer Schulen ihrer Aufgaben be raubt waren, zur Mitarbeit in den Pfar ren einzuladen. Ein Teil der bisherigen Lehrerinnen hatte gleich im Herbst 1938 in ordenseigenen Spitälern eine neue Aufgabe gefunden, aber da es ja damals keinen Schwesternmangel gab, war der Einsatz in der Krankenpflege nicht für alle möglich und sinnvoll. Die Schwe stern mußten fürchten, irgendwann zu einem Zwangseinsatz verpflichtet zu werden. Den Pfarren waren neue zu sätzliche Aufgaben erwachsen,für die es an Mitarbeitern und an Erfahrung fehlte. Neben der schon erwähnten Mit arbeit in der Kinderseelsorge - dieses Anliegen war umso dringlicher, als der Religionsunterricht in den Schulen weit hin ausfiel -, gab es in den Pfarren seit 1939 noch ein völlig neues Arbeitsgebiet, nämlich die Einhebung der Kirchenbei träge. Durch das Kirchenbeitragsgesetz waren die Pfarren verpflichtet, von den Gläubigen den Kirchenbeitrag einzuheben. Zu diesem Zweck mußten Listen aller Beitragspflichtigen angelegt wer den und dazu waren Hausbesuche und Erhebungen durchzuführen. In diesem Bereich gab es keine Vorbilder, Erfah rungen oder Unterlagen. Die Finanz kammer wurde ja erst errichtet. Ihr erster Direktor, Gründer und Organisa tor war der spätere Erzbischof Dr.Josef Schoiswohl. Aber während der Planung und Vorbereitung mußten die Pfarren selbst erste Gehversuche auf diesem Gebiet machen. Die staatlichen Behör den hatten ja gemeint, mit der Kirchen beitragspflicht der Kirche einen vernich tenden Schlag zuzufügen, hatten sich aber darin ebenso verrechnet wie im Bereich der Jugendseelsorge. Wider al len Erwarten war die Bereitschaft sehr groß, den Kirchenbeitrag zu bezahlen, sie wurde bald so etwas wie eine Treueerklärung an die Kirche, mancher orts auch eine Art schweigenden Prote stes gegen das NS-Regime. Auf jeden Fall aber war den Pfarren damit eine zusätzliche und ungewohnte Belastung erwachsen. Die Hausbesuche waren zu dem damals ein Wagnis, niemand wußte ja, wie die Menschen gerade in jener Umbruchszeit fremde Besucher aufneh men würden, die im Auftrag der Kirche mit Fragebögen kamen. Das Seelsorgeamt fragte also in den Klöstern an, ob Schwestern zur Mitar beit in der Kinderseelsorge und bei der Einhebung der Kirchenbeiträge bereit seien und bot diesen zur Einführung in die neuen Aufgaben einen Kurs an, der am Beginn des Jahres 1939 im SacreCoeur-Kloster in Preßbaum stattfand. Dieses Haus war damals und auch in den nächsten Jahren ein wichtiger Stützpunkt für viele pastorale Veran staltungen; da es seit den fernen Tagen seiner Gründung im Grundbuch als spa nisches Eigentum aufschien, entging es der Beschlagnahme und konnte noch lange Zeit eine ziemlich große Selbständigeit bewahren. Bei zahlreichen pastoralen Veranstaltungen waren wir dort vor unliebsamen Beobachtern und „In spektoren" sicher. So auch in diesem Schwesternkurs im Jänner und Februar 1939. 14
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