neu erworbener Räumlichkeiten am 13. Februar 1936 aussprach. Wörtlich sagte der Kardinal: „...In einer Zeit, wo der Rassenhaß und die Vergötzung der Rasse ihre Triumphe feiern, ist es gut, wenn wir von der alten Kultur unseres Vaterlandes Österreich aus betonen,daß wir einen anderen Standpunkt einneh men....Wenn Christus, der Herr, gesagt hat, sie sollen alle eins sein, so sind die Brüder im Judentum nicht ausgeschlos sen. ...Wir werden die große Parole Gerechtigkeit und Liebe im Auge behal ten, gerade in einer Zeit - ich sage das nicht Ihnen zuliebe, es sollte viel öfter gesagt werden in der den Juden das elementarste Naturrecht abgesprochen wird. In dieser Zeit sollen wir auf unsere Fahne schreiben, daß wir diese Auffas sungen nicht nur nicht teilen, sondern sie so niedrig hängen, wie sie es verdie nen."-' Diese Worte spiegeln eine grund sätzliche Einstellung wider, welcher dann, als es notwendig wurde, auch die Tatfolgte. Bald nach der Besetzung Österreichs durch die deutschen Truppen in der Nacht vom 11. auf den 12. März 1938 traten auch hier die Nürnberger Gesetze in Kraft. Die Reaktion der Kirche er folgte, den Umständen entsprechend, unmittelbar. An dieser Stelle muß aber zuerst die Beantwortung einer Frage versucht werden, die im Raum steht: Gibt es einen unmittelbaren Zusammenhang zwischen dem Verhalten Kardinal Innitzers in jenen Märztagen des Jahres 1938 und dem Schicksal der Juden in der Folgezeit? Offenbar wird - zumindest von jüdischer Seite - hier ein Zusam menhang geortet, sonst hinge Ja der Brief Innitzers nicht in Yad Washem. Diese Frage kann nur negativ beantwor tet werden: Mit ihrer gemeinsamen Er klärung vom 18. März 1938' haben die österreichischen Bischöfe offenbar - in ihrer Bestürzung über die eingetretene Lage, unter dem Eindruck erster Ver haftungen von Priestern und katholi schen Laien - versucht, eine den außer gewöhnlichen Umständen entspre chende kleinste gemeinsame Basis für eine Art Koexistenz zwischen Kirche und neuen Machthabern zu erreichen. Unter unaufrichtigen Voraussetzungen, auf fragwürdige Weise im Büro des Gauleiters Bürckel zustandegekommen, ist daher dieses Dokument, das alle Bischöfe unterzeichnet haben,sicherlich ein schmerzliches Dokument, für die Bischöfe wohl zeit ihres Lebens. Es ist aber dieses Dokument, samt dem Be gleitschreiben Innitzers, in jedem Fall abzukoppeln von dem furchtbaren Schicksal der Juden in der Folgezeit. Immer aus der Bewußtseinslage der Zeit heraus muß man feststellen, daß in erster Linie die Sorge um das Schicksal vieler Katholiken, die sich persönlich und schriftlich an den Kardinal um Hilfe gewandt hatten, bestimmend war. Es mußte dem Kardinal in erster Linie zunächst um die ihm Anvertrauten ge hen. Und - das muß gesagt werden - dazu gehörten in dieser Zeit nicht die jüdischen Mitbürger. Über ihre Grenzen hinauszusehen, hat die Kirche erst in der Folge schmerzlich gelernt. Doch nun zurück zur Reaktion der Kirche auf die neuen,für die österreichi schen Juden bedrohlich gewordenen Verhältnisse. Im Mai 1938 richtete ein Jesuit, P. Bichlmair, der zwei Jahre zuvor mit einer judenkritischen Rede aufgefallen war,eine Denkschrift an den Kardinal, worin er sich für eine großzü gige und offizielle Hilfe für die bedräng ten Juden einsetzte. Sein Vorschlag, einen Verein nichtarischer Christen zu gründen, kam nicht zur Durchführung. Auch das Caritas-Institut sah sich auf Grund entsprechender Auflagen von Seiten der Gestapo nicht dazu in der Lage, getaufte Juden zu unterstützen. So kam es schließlich zur Gründung einer Hilfsaktion -„Aktion K"-an der Universitätskirche, bereits mit finanziel ler Unterstützung des Kardinals. Diese kleine Gruppe von Helfern konnte,stän dig überwacht, aber immerhin ein Jahr lang relativ effizient arbeiten. Dann kam aber mit der Verhaftung und Auswei sung P. Bichlmairs im November 1939 das Ende der Hilfsaktion in dieser Form. Ein Mitbruder P. Bichlmairs, P. Ludger Born SJ, versuchte in der Folge, die private und dadurch sehr leicht angreif bare Aktion zwecks besseren Schutzes an das Caritas-Institut anzugliedern, was auch für kurze Zeit gelang. Die „Erz bischöfliche DiÖzesanstelle für nichtari sche Katholiken" nahm mit 1. Juni 1940 ihre Arbeit auf, aber auch sie bekam bald Schwierigkeiten. So kam es schließlich im Dezember 1940 zum Ent schluß Kardinal Innitzers, die Hilfs aktion in seine persönliche Verantwor tung zu übernehmen. Er stellte ihr Räume in seinem Haus, im dritten Hof des Erzbischöflichen Palais, zur Verfü gung,er beauftragte P.Born offiziell mit der Leitung der „Erzbischöflichen Hilfs stelle für nichtarische Katholiken", wie sie nun hieß, er finanzierte sie zum großen Teil aus Geldern, die er auf verschiedenste Weise aufgetrieben hatte, und er hielt auch persönlich ständigen menschlichen Kontakt mit den Mitarbei tern und Schützlingen der Hilfsstelle. Hier ist nun der Ort, um eine zweite Frage, die im Raum steht, zu beantwor ten: Warum kümmerte man sich nur um katholische Nichtarier, warum half man nicht allen Juden, ohne Rücksicht auf ihren Glauben? Die Antwort ist klar und eindeutig: Die Hilfsstelle kümmerte sich in erster Linie um nichtarische Katholi ken, nicht, weil man mosaischen Juden nicht helfen wollte, sondern weil diese sich in erster Linie an die Israelitische Kultusgemeinde wandten, von welcher sie auch ausreichend unterstützt wur den. Die nichtarischen Katholiken hin gegen wurden von ihren „mosaischen Rassegenossen"in der Regel als Abtrün nige betrachtet und von vornherein von jeglicher Unterstützung ausgeschlossen und saßen so gewissermaßen zwischen zwei Sesseln. Sowohl P. Bichlmair in seinem Pro memoira und seiner Denk schrift"' als auch Kardinal Innitzer in einem Schreiben an Papst Pius XII. vom 28. Februar 1941 stellen diesen Sachver halt ganz eindeutig dar: „...während der jüdischen Glaubensgemeinde in Wien von ihren Glaubensgenossen im Ausland monatlich 150.000 Dollar für Zwecke der Auswanderung überwiesen werden, ...haben wir außer der von Euer Heiligkeit mir zuteil gewordenen Hilfe an den katholischen Stellen des Auslandes bisher keine Unterstützung gefunden. ...Viele gute Katholiken nichtarischer Abstammung haben seit Monaten und Jahren all ihre Hoffnung auf die Anstrengungen der kirchlichen Organisationen gesetzt und sehen sich heute furchtbar enttäuscht. Ihre Enttäu schung wächst durch die immer größer werdende Notlage, zumal sie sich einer seits von ihren christlichen Glaubensge nossen im Stich gelassen fühlen, ander seits von den jüdischen Rassegenossen als Abtrünnige betrachtet und so von jeglicher Unterstützung ausgeschlossen werden und dazu noch wegen ihres Übertrittes zur katholischen Kirche mancherlei Kränkungen erdulden müs sen..."" Und tatsächlich verhielt es sich so, daß Glaubensjuden, von wenigen Ausnahmen abgesehen, gar nicht zur Hilfsstelle kamen, weil sie es nicht not wendig hatten. Doch wieder zurück zur Hilfsstelle und ihrer Arbeit:Im Gegensatz zu ihren beiden Vorgängerorganisationen hat sich von der Erzbischöflichen Hilfsstelle einiges an schriftlichem Material erhal ten. Hier sind in erster Linie die unmit telbaren Quellen zu nennen, die Tätig keitsberichte', die alljährlich zusam mengestellt wurden und die einen um fassenden Überblick über die Art und das Ausmaß der Arbelt und der geleiste ten Hilfe geben. Sie sind im Original vom Jahr 1940 biszum Ende des Krieges erhalten: sie legen Rechenschaft über ein- und ausgegangene Geldsummen, über die Schule in der Grüngasse und über das Altersheim in der Töllergasse. Die Mitarbeiterinnen der Hilfsstelle waren zum größten Teil selbst jüdischer Abstammung. Die meisten von ihnen erwartete am Ende das gleiche Los wie jene,für die sie da waren.Indem sie also selbst betroffen waren, brachten sie auch ein größtmögliches Maß an Ver ständnis auf. Von den insgesamt 23 Mitarbeiterinnen, die von 1940 bis Kriegsende in der Hilfsstelle tätig wa ren, waren zwölfim Sinne der Nürnber ger Gesetze Juden. Von ihnen wurden neun nach Polen bzw. Theresienstadt deportiert, eine einzige kehrte zurück. Drei Mitarbeiterinnen gelang die Flucht nach Argentinien. Die Arbeit der Hilfsstelle erstreckte sich - den Gegebenheiten und Anforde rungen entsprechend - zunächst auf Auswanderungshilfe, dann auf Hilfelei stungen verschiedenster Art im Zuge der Deportierungen, und darüber hinaus auf die allgemeine Fürsorge, die buch stäblich alle Bereiche des menschlichen Lebens umfaßte. Das Wichtigste war aber wohl, neben all diesem, die seeli sche Betreuung der Ausgestoßenen. Ein kurzer Überblick soll hier gegeben werden: Bis zur zweiten Hälfte des Jah res 1941 war eine Auswanderung noch 6
RkJQdWJsaXNoZXIy NzM2NTQ=