bringen; er sandte seine Vertreter zu allen Bischöfen, ließ einzeln mit ihnen verhandeln auffolgender Basis: Es sollte eine Stillhaltefrist festgesetzt werden, innerhalb derer weder Staat noch Partei noch Kirche eine friedensstörende Handlung setzen; als Beweis seines Frie denswillen biete der Gauleiter das schon entzogene Öffentlichkeitsrecht den Kna benseminaren wieder an. und zwar auf ein halbes Jahr. In dieser Stillhaltefrist sollte eine endgültige Friedensvereinba rung Zustandekommen, tatsächliche Übergriffe sollten abgestellt werden. Obwohl die Bischöfe sich untereinan der nicht verständigen konnten, obwohl die Abgesandten des Gauleiters einen gegen den anderen auszuspielen such ten, hatten alle die eine Antwort: Wir wollen Taten sehen, bevor wir irgend eine Unterschrift, leisten, Worte und Versprechungen haben wir genug ge hört. Die Stillhaltefrist bindet uns die Hände, die Partei läßt sich in ihren Maßnahmen doch nicht aufhalten. Auf diese einmütige Haltung der Bischöfe hin läßt der Gauleiter folgendes mittei len: er lädt alle Bischöfe zu einer Aus sprache bei sich ein, er komme eigens vom Parteitag aus Nürnberg nach Wien. Die Bischöfe werden nach Wien kom men, werden in einer gemeinsamen Beratung sich über diese Bitte des Gau leiters entscheiden und dann antworten. Am 7.September kamen die Bischöfe zusammen, die Entscheidung war bald gefällt; denn in der Wiener Zeitung dieses Tages waren wieder neue „Friedensfacta" veröffentlicht: der katholi sche Gesellenverein aufgelöst, der deut sche Ritlerorden aufgehoben. Daraufhin richtete der Kardinal im Auftrag der Bischofskonferenz ein Schreiben an den Gauleiter, die Bischofskonferenz habe mit großem Erstaunen und Befremden zur Kenntnis genommen von den in der amtlichen Wiener Zeitung veröffentlich ten Maßnahmen gegen die katholische Kirche; da auch die bisherigen Verfü gungen gegen die Kirche noch nicht zurückgezogen worden waren, sehen sich die Bischöfe nicht in der Lage weiter zu verhandeln;sie seien nach wie vor bereit, zu einem ehrlichen Frieden zwischen Staat und Kirche beizutragen, aber nur, wenn sie durch Taten des Friedens zur sicheren Überzeugung des Friedenswillens auf der Gegenseite ge langen. Am Sonntag,den 4.September hatten die Bischöfe ihren ersten gemeinsamen Hirtenbrief erscheinen lassen; sie behan delten darin die Ehe- und Schulfrage. In der Einleitung bemerkten sie, daß sie sich redlich bemüht hatten, zu einem gedeihlichen Einvernehmen mit der staatlichen Obrigkeit zu gelangen. Doch seien sie enttäuscht worden; viele Ka tholiken verloren um ihres Bekenntnis ses willen ihr Brot, den Kranken in den Spitälern wurde der Zugang zu den hl. Sakramenten sehr erschwert, den Ge fangenen die seelsorgliche Betreuung versagt. Noch immer war die Lage ernst des wegen. weil der Klerus im allgemeinen besser behandelt wurde als die katholi schen Laien. Man mußte darin ein Sy stem erblicken, es wurde ein Riß gezo gen zwischen Hirten und Gläubigen.Das sollte nun durch ein Ereignis sich grund legend ändern. Nachdem der Kardinal schon im September in Kirchschlag vor einer großen Menge von Gläubigen in mutiger Form die Rechte der Kirche verteidigt hatte, nahm er die Gelegen heit wahr, am 7. Oktober 1938 im Ste fansdom zu den etwa 7000 jungen Leu ten zu sprechen. Nach Beendigung der Andacht brachten die jungen Leute dem Kardinal aufdem Stefansplatz eine Ova tion dar: „Wir wollen unseren Bischof sehen"; es wurde das Herz Jesu Bundes lied gesungen. Am nächsten Tag etwa um 20 Uhr ließen sich Sprechchöre und Pfuirufe auf dem Stefansplatz verneh men; bald darauf sausten die ersten Steine gegen sämtliche Fronten des Pa lais. Sofort wurde der Polizeinotrufbetä tigt, da zu befürchten war, daß die Demonstranten das Tor einbrechen könnten; die Polizei antwortet auf wie derholte Rufe, das nächste Kommissa riat sei verständigt. Schon das war nicht in Ordnung,da beim Alarmrufsofort das Überfallskommando ausfährt. Nach einer viertelstündigen Belagerung mit Eisenstangen gab das schwere Eichentor nach. Die Demonstranten stürmten schreiend in den Hof und über die Hauptstiege hinauf in die Räume des Kardinals. Mit den schweren Messing stangen, die im Stiegenhaus den Tep pich festhalten,beginnen sie die gesamte Einrichtung in vandalischer Weise zu zertrümmern. Die beiden Priester aus der Umgebung des Kardinals, Dr. Wein bacher und Jachym, hatten vorher den Kardinal ins Archiv, das durch eine schwere Eisentür verschlossen war, in Sicherheit gebracht, und dann sich am Eingang zur Hauskapelle aufgestellt, um das Heiligtum vor Verunehrung zu schützen: sie konnten auch noch vorher das Allerheiligste an sich nehmen. Sie wurden in ein fortwährendes Handge menge verwickelt. Inzwischen geht die Zerstörung in den Räumen weiter. Mö belstücke werden zertrümmert, wert volle Bilder durchlöchert und zerfetzt, kein Fenster blieb ganz, alle religiösen Bilder, alle Kreuze wurden zerschlagen oder schwer beschädigt. Aus dem Zim mer des Kardinals wurden alle Kleider gestohlen, die Bischofskette mit dem Brustkreuz, die Ringe. Zeremoniär Ja chym glaubt den Ruf zu vernehmen: „Kardinal entdeckt", und sucht ihm zu Hilfe zu kommen, doch erhält er einen Schlag mit einem Bronzeleuchter und muß auf sein Zimmer flüchten, wo er wieder den Polizeinotruf betätigt. Dr. Weinbacher wird inzwischen aus der Kapelle gezerrt, um aus einem Fenster auf die Rotenturmstraße gestürzt zu werden; im letzten Augenblick kommt dies nicht zur Ausführung. Dr. Weinba cher eilt wieder zur Kapelle und kann eine Schändung verhindern. Da ertönt plötzlich der Ruf: „Zurück, Polizei kommt". Die Eindringlinge, etwa 40-50 an der Zahl,im Alter zwischen 14 und 25 Jahren, verlassen ungehindert das Haus. Langsam kommen Polizisten, es wurde keine Verhaftung vorgenommen. Im Kurhaus, Stephansplatz 3, war inzwi schen eine andere Gruppe eingedrungen und hatte den Domkuraten Krawarik aus dem Fenster geworfen,der dann mit doppeltem Oberschenkelbruch bis Fe bruar im Spital lag. Die zerstörten Räume im Palais wur den von der geheimen Staatspolizei photographiert und versiegelt. Das Palais wurde geschlossen, niemand durfte her aus, niemand hinein. Nur mit Mühe konnte der Kardinal am nächsten Tag erreichen, in den Dom zu kommen - es war ein Sonntag -, um die hl. Messe zu zelebrieren. Am Sonntag erscheint auch der Nuntius zufällig in Wien, er nimmt von den Sachen Kenntnis, wird aber von der Polizei trotz seines Diplomatenpas ses nicht in die Räume eingelassen. Er nimmt einen Beschwerdebrief des Kar dinals an den Führer mit, der aber nie einer Antwort gewürdigt wurde. Den aller Sitte hohnsprechenden Er eignissen wurde die Krone dadurch auf gesetzt, daß am 13. Oktober der Gaulei ter Bürckel auf dem Heldenplatz in Wien, wohin aus allen Betrieben die Leute zusammengetrieben wurden, eine gemeine und brutale Rede gegen den Kardinal hielt, in der er den Kardinal für alle Ereignisse verantwortlich machte. An die Rede schloß sich ein Demonstra tionszug,der unter Pfuirufen beim erzbi schöflichen Palais vorbeizog. Die Staats gewalt hatte sich also ganz auf die Seite der Demonstranten und Plünderer ge stellt. Das Palais war in den nächsten Tagen ein Ziel der Wiener; alle wollten die Zerstörungen sehen, die Front war wie der geschlossen, Bischof und Gläubige standen in einer Linie. Von da an setzte auch eine Pressepro paganda gegen den Kardinal ein, aber sie konnte nicht hindern, daß nun auch die katholische Weltöffentlichkeit ihre ganzen Sympathien dem Kardinal zu wandten;die 130 Bischöfe Nordamerikas sandten von einer Konferenz ein Sympa thietelegramm an den Kardinal. Auch der hl. Vater hatte sofort durch den Nuntius seine Teilnahme ausdrücken lassen, der Osservatore Romano brachte Berichte über die Ereignisse und die häßliche Rede des Gauleiters. Noch zweimal war der Kardinal das Ziel von Insultationen. Am 2. Juli 1939 weilte der Kardinal zur Firmungs- und Visitationsreise in Königsbrunn (Nieder österreich); die kirchliche Feier verlief würdig unter reger Anteilnahme der braven Bevölkerung des Ortes. Als der Kardinal mit seiner Begleitung das Got teshaus verließ, waren etwa 30 Bur schen unter Führung eines Fachlehrers aus einem Nachbarort gekommen und empfingen den Kardinal mit Pfuirufen, sie schleuderten Steine und faule Eier auf ihn, der Kardinalspurpur wird be schmutzt. Priester und Gläubige um drängen den Kardinal, um ihn zu schüt zen. Die Türe zum Pfarrhaus ist von einem Burschen besetzt, er wird von einem Priester zur Seite gestoßen, als er den Kardinal an der Schulter fassen will. Der Pfarrhof ist von da an blokkiert. Erst spät am Abend gelingt es mit dem Schutz der Gendarmerie nach Wien zurückzufahren. Zu diesen Ereignissen
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