Brief in die Maschine; dann setzte er sich zum Schreibtisch, um den Brief zu unterschreiben. Er fragte Dr. Himmel reich: „Wie soll ich unterschreiben?" Dieser antwortete: „Im Verkehr mit den Behörden ist die Formel Heil Hitler!" Der Kardinal: „Ja, aber muß denn auch ich so schreiben?" Antwort:„Ja,es ist so der Brauch!" So schrieb dann der Kardi nal die Formel unter den Brief. Die feierliche Erklärung der Bischöfe sollte am Sonntag, dem 27. März, in allen Kirchen Österreichs verlesen wer den. In der Woche zuvor hatte der Nuntius im Auftrag des Hl. Vaters beim Kardinal vorgesprochen und mitgeteilt, der Hl. Vater erinnere die Bischöfe daran, die Rechte Gottes und der Kirche zu wahren. So wurde dann die Erklä rung mit folgender Einleitung vorgele sen: „Um jegliches Mißverständnis zu vermeiden, wird betont, daß diese feier liche Erklärung verstanden werden muß mit voller Wahrung der Rechte Gottes und der Kirche!" Nach all diesen Ereignissen, die in ihrem Ablauf eine starke Nervenprobe bedeuteten, war es dem Herrn Kardinal sehr daran gelegen, den Hl. Vater per sönlich zu informieren; es wurden sofort die nötigen Schritte eingeleitet, die Aus reise zu erwirken. Nun wurden die Kreise um den Gauleiter nervös. Warum der Kardinal nach Rom fahre, das sei nicht nötig, das könne nur die begon nene gute Entwicklung stören. Der Füh rer habe sich bereit erklärt, als Antwort aufdie feierliche Erklärung der Bischöfe in seiner Rede in Wien am 9. April 1938 eine bindende Erklärung bezüglich der katholischen Kirche abzugeben. Die Romreise könne auch dieses wertvolle Versprechen in Frage stellen. Die Ten denz war mehr als klar: der österreichi sche Episkopat sollte vom Hl. Vater so lange als möglich ferngehalten werden. Der Kardinal blieb fest, trotz der unauf hörlichen Versuche des Gauleiters, ihn von der Reise abzuhalten. Der Kardinal war schon im D-Zug auf dem Wiener Südbahnhof, als er fünf Minuten vor Abgang des Zuges vom Gauleiter zum Telephon gebeten wurde. Er beschwor den Kardinal, die Reise nicht"zu unter nehmen, es stehe alles auf dem Spiele. Der Kardinal blieb fest: man wird mir doch die Reise zum Hl. Vater nicht verbieten können, es ist auch nicht einzusehen, warum dies die begonnene Entwicklung stören könne. Mit einer Verspätung von zehn Minuten fuhr der Zug ab (4. April). Am 5. April abends kam der Kardinal in Rom an und fuhr gleich in den Vatikan zu Kardinal Pacelli. Er fand dort viel Verständnis, die Beweggründe zur Erklärung der öster reichischen Bischöfe wurden anerkannt, doch konnte man sich nach den vielen Erfahrungen nicht zu jenem Vertrauen durchringen, das die österreichischen Bischöfe bekundet hatten. Worte hätte man schon genug gehört,die Taten seien immer anders gewesen. In ähnlicher Weise äußerte sich der Hl. Vater am nächsten Tage bei der Audienz. Es wurde dann vereinbart, daß die österrei chischen Bischöfe eine ergänzende Er klärung abgeben sollten. Diese gab der Kardinal in Rom ab, sie erschien am Abend im „Osservatore Romano". Sie lautet: 1. Die feierliche Erklärung der öster reichischen Bischöfe vom 18. März die ses Jahres wollte selbstverständlich keine Billigung dessen aussprechen, was mit dem Gesetz Gottes, der Freiheit und den Rechten der katholischen Kirche nicht vereinbar war und ist. Außerdem darfjene Erklärung von Staat und Par tei nicht als Gewissensbindung der Gläubigen verstanden und propagandi stisch verwertet werden. 2. Für die Zukunft verlangen die österreichischen Bischöfe: a) in allen das Österreichische Kon kordat betreffenden Fragen keine Ände rung ohne vorausgehende Vereinbarung mit dem Hl.Stuhl; b)im besonderen eine solche Handha bung des gesamten Schul- und Erzie hungswesens sowiejeglicher Jugendführung, daß die naturgegebenen Rechte der Eltern und die religiös-sittliche Er ziehung der katholischen Jugend nach den Grundsätzen des katholischen Glau bens gesichert sind; Verhinderung der religions- und kir chenfeindlichen Propaganda. Das Recht der Katholiken, den katho lischen Glauben und die christlichen Grundsätze für alle Bezirke des mensch lichen Lebens mit allen dem heutigen Kulturstand zu Gebote stehenden Mit teln zu verkünden, zu verteidigen und zu verwirklichen. Rom,den 6. April 1938 Th. Card.Innitzer auch im Namen des gesamten österreichischen Episkopates Der Kardinal reiste noch am selben Tag mit einem von der deutschen Bot schaft beim Vatikan zur Verfügung ge stellten Flugzeug nach Venedig und von da mit der Bahn nach Wien, wo er am 7. früh eintraf. Gauleiter Bürckel war sehr enttäuscht über diese „Gegenerklä rung"; nun sei die ganze Aktion des Friedens gescheitert. Der Führer sagte dann am 9. April zum Kardinal: „Ich wollte eine bindende Erklärung bezüg lich der katholischen Kirche in Öster reich abgeben, nach dieser Ihrer Erklä rung in Rom muß ich davon Abstand nehmen." Der Kardinal berichtete durch die Nuntiatur von dieser zweiten Unter redung mit dem Führer. Kardinal Pacelli antwortete u. a.: „Die Erfahrungen der Vergangenheit zwingen dazu, sich nicht mit Erklärungen und Zusicherun gen für die Zukunft abzufinden,sondern auf greifbare Taten und eindeutige Sicherungen in der Gegenwart hinzuar beiten. Es ist schwer zu verstehen, wie die Festlegung von Selbstverständlich keiten in der vom ,Oss. Rom.' veröffent lichten Erklärung des österr. Episkopa tes zu einer Verstimmung Anlaß geben konnte, falls man nicht annehmen soll, daß in der von dem Herrn Reichskanzler beabsichtigten bindenden öffentlichen Erklärung die von dem österreichischen Episkopat erwähnten Punkte ausge schlossen gewesen wären." Die Wahl war vorüber, der Gauleiter reiste ab.Dr.Himmelreich reiste ab,von der den Bischöfen in Aussicht gestellten Besprechung war keine Rede mehr. Es begannen die Aktionen gegen die Kirche und ihre Einrichtungen. Das Material wurde immer umfangreicher. Der Kardi nal konnte endlich am 30. Mai eine Vorsprache beim Gauleiter erreichen. Sie verlief anders als vor zwei Monaten. Der Gauleiter sagte es ganz offen her aus, daß man eigentlich die Kirche gar nicht gebraucht hätte für die Wahl, man hätte die Stimmen auch so bekommen, die Beschwerden des Kardinals wurden bagatellisiert. Der Kardinal hatte Beschwerde ge führt, daß man die Bischöfe, die sich seinerzeit mit vollem Vertrauen, ohne den Anschein eines Tauschgeschäftes zu erwecken, zum neuen Staat bekannt hatten, schwer enttäuscht habe. Men schen werden wegen ihres katholischen Bekenntnisses von ihren Posten ent fernt, werden mißhandelt und einge sperrt, in der Schule ist bei Behörden und Lehrkräften bereits eine feindselige Haltung gegen Religion zu bemerken, Maßnahmen werden gegen die Religion getroffen, ohne daß man mit den Bi schöfen Fühlung nimmt. Trotz wieder holter Vorstellungen war es bisher un möglich, den politischen Gefangenen priesterlichen Beistand zu bieten. In der Folgezeit unterließ es der Kar dinal nicht,immer wieder im Verein mit den Bischöfen zur Abstellung von Miß ständen vorstellig zu werden, so daß sich der Gauleiter entschloß, wieder einen Verbindungsmann zu Bischöfen aufzustellen, und den Dr. Himmelreich wieder aus München zurückrief. Von da ab, also ungefähr ab anfangs Juli beginnt nun eine neue Phase. Der Gauleiter arbeitete hin auf ein Abkommen zwi schen Kirche und Staat im Lande Öster reich, wobei von Anfang an klar war, daß die Partei, die in katholischen Krei sen bereits starke Ablehnung erfuhr, durch eine neuerliche Veröffentlichung in kirchlichen Belangen eine Stärkung erfahren könne. Es wurde aber in der Zwischenzeit nichts getan, über die Be schwerden der Bischöfe zu entscheiden, es wurde nur versprochen, bei den Ver handlungen wurde Abhilfe zugesagt, man beteuerte, solche Übergriffe unter geordneter Stellen würden wieder rück gängig gemacht werden, aber trotz und während der Verhandlungen gingen die Übergriffe und Maßnahmen weiter. So wurde im Juli der Religionsunterricht aus den Handelsschulen entfernt, es wurden die katholischen Privatschulen geschlossen usw. Begreiflicherweise konnte das Vertrauen bei den Verhand lungen dadurch nicht wachsen. Oft und oft betonte man, Worte und Verspre chungen hätte man genug gehört, man wolle nun Taten des Friedens und der auft-ichtigen Gesinnung sehen. Die Ver handlungen zogen sich bis Ende August hin, der Fürsterzbischof von Salzburg hatte auch in Rom eine eingehende Aussprache darüber mit Kardinal Pacelli. In den ersten Septembertagen wollte der Gauleiter die Sache zum Abschluß
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