Wiener Diözesangeschichte 1960 - 1996

hat, durchaus nicht geduldet werden können,so wird das fürsterzbischöfliche Konsistorium dringend aufgefordert, dem Pfarrer zu Heiligenstadt und bezie hungsweise das Stift Klosterneuburg anzuweisen, die erwähnten an der Kir che am Josephsberge vorhandenen Bau gebrechen unverzüglich und zwar noch ehe die rauhe Jahreszeit eintritt herstel len zu lassen. Zu dieser Herstellung ist das Stift Klosterneuburg um so mehr zu verhal ten, da durch die im Jahre 1811 von der Regierung bewilligte Auflassung der am Josephsberg bestandenen Lokalie das Stift in Anbetracht der geltend gemach ten ungünstigen Vermögensverhältniße zwar von der Besetzung diese Lokalie durch einen Stiftspriester, keineswegs aber von der Verbindlichkeit für die dort fortbestehende Kirche Vorsorge zu tref fen enthoben worden ist. Dem f. e. Konsistorium wird diese Angelegenheit um so dringender emp fohlen, da der Kahlenberg von so vielen Einheimischen und Fremden besucht wird, und da es für jeden, der Sinn für Religion hat, betrübend ist zu sehen, wie die letzten Überreste des religiösen Sin nes der Vorfahren aufeinen historischen merkwürdigen Punkte ihrem unver meidlichen Verfalle entgegengehen, während die um die Kirche gelegenen Gebäude und Anlagen täglich eine schö nere Gestalt gewinnen. Auch wird es der Erwägung des f. e. Konsistoriums anheimgestellt, ob es nicht zweckmäßiger wäre, die in der Frage stehende Kirche befindliche Gruft ganz abzusperren,als die in halbzerfalle nen Särgen vermodernden Gebeine der hier ruhenden Kamaldulenser-Mönche den Blicken jedes Neugierigen Preis zu geben. Ein anderer Übelstand ist der, daß unmittelbar neben der Kirchenthüre, oberhalb einer Thür, welche dem äuße ren Anscheine nach zu einen Bestandtheile der Kirche zu führen scheint, eine ausgehängte Tafel die Wohnung eines Schneiders ankündigt. Die Regierung verkennt nicht, daß wegen Beseitigung dieses Übelstandes Privatrechte zur Sprache kommen, und mancherlei An stände erhoben werden könnten, allein sie zweifelt nicht, daß der Herr Fürst Lichtenstein als Nutznießer dieser Loka litäten, dessen religiöser Sinn bekannt ist, wenn er von der geistlichen Behörde auf diesen Übelstand aufmerksam ge macht wurde, denselben abzuhelfen be reit sein würde. Die Regierung muß endlich die Auf merksamkeit des f. e. Konsistoriums auch auf den am Kahlenberge befindli chen Friedhof wenden. Auf demselben befinden sich mehrere ausgezeichnet schöne Monumente. Es liegen ja Perso nen aus höchsten Ständen begraben,der Friedhof hat überdieß eine sehr schöne Lage. Alle diese Umstände dürften viele einheimische und fremde Besucher da hin führen. Wie unangenehm muß es da nichtjeden ergreifen,einen katholischen Begräbnißort in so verwahrlosten Zu stande zu treffen, als der ist, in welchem sich der genannte Friedhof befindet. Das Thor ist unversperrt. Die Umzäunung ist theils ganz niedergerießen, theils in dem schlechtesten Zustande, so daß das in der Gegend weidende Vieh oder das hier befindliche Wild ohne Anstand in den Friedhof gelangen und die Gräber der Verstorbenen aufwühlen kann. Da alle diese Übelstände in der nunmittelbaren Nähe Wiens unter den Augen der geistli chen und weltlichen Obrigkeit vorhan den sind, überdieß an einem Orte sich befinden oder zu den besuchtesten der Umgebungen Wiens gehört, mithin bit tere Bemerkungen hierüber von Einhei mischen und Fremden unvermeidlich sind, so wird das f. e. Konsistorium nicht verkennen, daß die Regierung nur im Interesse der guten Sache zu handeln glaubt, wenn sie diese Mängel zur Kenntniß des f. e. Konsistorium bringt und dasselbe zur Beseitigung derselben durch das Stift Klosterneuburg dem die Seelsorge dieser Gegend obliegt, drin gend auffordert. Wien,am 10. August 1844. Lago m.p. Rubana m. p."-° Das f. e. Consistorium wandte sich gleich unter Nummer 6633 an die StiftsVorstehung in Klosterneuburg mit fol gendem Schreiben: In der Nebenlage wird ein hoher Re gierungsbefehl ddo 10. August d.J. Z 54193 in Abschrift und dem Bedeuten mitgetheilt, über Sachlage der inner wähnten Beschwerde Punkte die genaueste Erhebung zu pflegen und läng stens bis 2. September dieses Jahres hierüber eine umständliche Äußerung über die ehemöglichste Abhilfe dieser Übelstände anher vorzulegen. Mathias Pollitzer Bischof von Telmissus Gen. Vikar Ex Consist. Archieppl. Wien,den 18. September 1844 Leopold Eckelhart Kanz.Direktor-' Dieses Schreiben löste im Stifte eine Menge von Aktivitäten und Reaktionen aus, zumal es das Ansinnen der Regie rung, das Stift für die Erhaltung der Kirche (und damit auch des Friedhofes), dessen Eigentümer doch die Grundherr schaft, derzeit also Fürst Lichtenstein, ist, verantwortlich zu machen. Daher schrieb der in Strebersdorf weilende Kanzleidirektor Adam am 21. September 1844 an den Stiftsdechant: Das Konsistorialdekret vom 18. Sept. 1844 Z. 6633 fordet das Stift auf, über die Sachlage im angebogenen Regierungser laß dto 10. Aug. d.J. berührten Be schwerden genaue Erhebung zu pflegen, und dann eine umständliche Äußerung vorzulegen. Die Erhebung ist bei dem H.H. Pfarrer zu Heiligenstadt, der im obgedachten Erlaße des Mangels an gehöriger Aufsicht und Anzeige beschul digt wird, vor allem andern zu machen. Er muß es wissen, ob er wirklich die Sache unberührt ließ, oder die Herstel lung bei Fürsten Lichtenstein betrieb. Euer Hochwürden müssen daher als Spi ritual Administrator mit dem Venerab. Herrn Norbert sich ins Einvernehmen setzen, und von ihm eine schriftliche Äußerung abverlangen, die er, da ein sehr kurzer Termin dem Stifte zur Äu ßerung gegeben ist, binnen 48 Stunden, an Sie zu erlassen hat. Vielleicht ist von Ihnen als Spiritual-administrator und insofern parochus primitivus, aber nicht als Obrigkeit und Patron, eine ocular =Inspection auch vorzunehmen, was natürlich Ihrer Einsicht anheimgestellt ist. Die Regierung muthet dem Stifte die Obliegenheit der Reparatur jener vernachläßigten Kirche zu; allein dieß, soviel mir bekannt ist, mit Unrecht. Es sind demnach alle dem Josephsberg und dessen Kirche betreffenden Akten im Archive und in der Kanzlei hervorzusuchen und genau durchzugehen. Beson ders wichtig wäre die Pfarr-Errichtungs und Aufhebungs-Urkund. Auch wäre von älteren Leuten die Übung und Gewohnheit, welche bey Reparaturen dieser Kirche Statt hatte, zu erforschen. Vielleicht können dar über der H. H. Pfarrer zu Heiligenstadt, andere Bewohner zu Heiligenstadt, der Lehrer am Josephsberg etc. Auskunft geben, und H. Hofrichter, dem Sie diese Angelegenheit mittheilen werden, wird sich alle Mühe geben, etwas Gegründe tes darüber zu erfahren. Auch hinsichtlich des Friedhofes ist diee Gepflogenheit zu Rathe zu ziehen, und insbesonders, ob die Kirche Heili genstadt eine Grabstellgebühr vom Jo sephsberg beziehe. Daß die Versperrung der Gruft das Rathsamste ist, wird wohl niemand be zweifeln. Mehr kann ich in meiner Stellung, da ich keine Jurisdiction in spiritualibus über die H. H. Capitiulare habe, wenig stens vor der Hand nicht thun. Indem ich die Communication wieder im Anschlüsse zurückmittle, ergreife ich die Gelegenheit, mich dem Wohlwollen E.Hochwürden zu empfehlen, womit ich stets seyn werde Euer Hochwürden er gebenster ADAM Kanzleidirektor. Strebersdorfden 21. September 1844.-^ Verhöre, Protokolle, Berichte an Con sistorium und an Ämter waren die Folge.-' Binnen vier Tagen verlangte noch nachträglich das Konsistorium vom Herrn Probsten Wilhelm Sedlaczek eine „Anzeige wer Eigenthümer des Josephs berges ist, da das Gerücht geht, der Herr Fürst Lichtenstein sei blos Pächter".-' Auf alle Fälle mußte das Stift Kloster neuburg aufeigene Kosten die beanstan deten Mängel an Kirche und Friedhof beheben.Und dies zu Unrecht. Die Landesregierung machte nur die Kirche, nicht aber den Friedhof dem rechtmäßigen Besitzer - dieser war Fürst Lichtenstein -strittig. Man hat die alte und zugleich falsche Behauptung vom 5. 12, 1811 wieder ausgegraben, in der gesagt wurde: „Übrigens kann man nicht unberührt lassen, daß die Herr schaft Josephsberg in dem jetzt aufge nommenen Inventarium das Kirchenge bäude daselbst sammt der inneren Ein richtung ganz irrig als ihr Eigentum erklärt, da doch Kirchen öffentliche 47

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