Zur Weiterführung der „Beiträge zur Wiener Diözesangeschichte" Am 1. Jänner 1960 erschienen zurr ersten Mal die Beiträge zur Wiener Diözesangeschichte als Beilage des Wie ner Diözesanblattes. Mit dem vorliegen den Heft endet der 28. Jahrgang. Allein das ununterbrochene Erscheinen dieser Zeitschrift seit 1960 zeigt schon deutlich, daß sich die Initiative und die Mühen des nunmehr verstorbenen Gründers der Beiträge gelohnt haben. In zahlrei chen Artikeln und Aufsätzen wurden viele Mosaiksteine zu einer umfassenden Geschichte der Erzdiözese Wien zusam mengetragen: sie haben zum Teil Ein gang in die noch von Professor Loidl verfaßte Geschichte des Erzbistums Wien gefunden. Ein Registerband, der für das Jahr 1990 aus Anlaß des dann dreißigjährigen Bestehens der Beiträge geplant ist, wird die Fülle des in dieser Zeitschrift gebotenen diözesangeschichtlichen Materials deutlich vor Augen führen und auch seine Verwendung und Auswertung erleichtern. Die FeststelIxmg, die Professor Loidl im ersten Heft der Beiträge traf, daß „Diözesangeschichtsforschung und -Schreibung nicht bloß Dienst an der Wissenschaft, son dern auch Dienst an der Kirche und an der Diözese" ist, „weil Kirchen- und Diözesangeschichte immer wieder Rechtfertigung der Kirche und Darstel lung des Glaubenlebens im Wandel der Zeiten bedeutet", gilt auch heute noch. Wenn nunmehr das Diözesanarchiv die Redaktion der Beiträge übernimmt, so sollen diese im Sinne ihres Gründers auch weiterhin als Publikationsorgan für Aufsätze und Artikel zur vielfältigen Geschichte der Erzdiözese Wien dienen. Falls es möglich ist, soll dabei in einem Heft jeweils ein bestimmtes Thema von verschiedenen Gesichtspunkten her be handelt werden. So sind aus aktuellem Anlaß für das Jahr 1988 vorläufig die Schwerpunkte ,,Kirche und Nationalso zialismus" und „Beiträge zur Geschichte der Marienverehrung in der Erzdiözese Wien" vorgesehen. Daneben sollen aber auch weiterhin Artikel, die zwar nicht dasjeweUige Schwerpunktthema behan deln,jedoch die Diözesangeschichte-im weitesten Sinn verstanden -zum Inhalt haben,abgedruckt werden. Jede Zeitschrift ist bekanntlich so gut wie ihre Mitarbeiter und Autoren. Es ergeht daher die herzliche Bitte, auch weiterhin recht zahlreich an den Beiträ gen mitzuarbeiten. Die Zusendung ein schlägiger Manuskripte soll an das Di özesanarchiv Wien erfolgen. Hier sollen auch anfällige Wünsche, Anregungen und Kritik vorgebracht werden. Dr.Johann Weißensteiner 850 Jahre Tauschvertrag von Mautern Von Dr.Richard Perger 1987 jährt sich zum 850. Male ein Rechtsakt, der für die Entwicklung der Kirchenorganisation in Wien von Bedeu tung war: der Tauschvertrag, den Mark graf Leopold IV. von Österreich und Bischof Reginmar von Passau an einem unbekannten Tag des Jahres 1137 in Mautern an der Donau abschlössen. Von den beiden Ausfertigungen der damals ausgestellten Urkunde - der ältesten, in der Wien genannt wird - hat sich jene, die für den Bischof bestimmt war, im Original erhalten; sie wird im Bayeri schen Hauptstaatsarchiv, München, un ter der Signatur Hochstift Passau, Ur kunden, Nr. 39, verwahrt. Das für den Markgrafen bestimmte Exemplar ist verschollen, jedoch abschriftlich im so genannten Lonsdorfer Codex (Bayeri sches Hauptstaatsarchiv, München, Hochstift Passau, Lit. Nr. 3, fol. 83, Nr. 119) überliefert. In der Literatur wird der Tauschvertrag von Mautern erst mals 1763 in den von Felix Andreas Oefele herausgegebenen „Scriptores Ke rum Boicarum" und 1771 in Leopold Fischers ,,Brevis notitia urbis Vindobonae" erwähnt; der volle Text wurde erstmals 1827 von Joseph Freiherrn von Hormayr in den Wiener Jahrbüchern der Literatur publiziert, die nächste Edition fand 1829 in den Monumenta Boica statt.' Die Urkunde hat folgenden Wortlaut:- „Notum sit cunctis Christi fidelibus, tam futuris quam presentibus, qualiter marchio L. per manum fratris sui A. advocati tradidit super altare sancti Stephani protomartyris ecclesiam beati Petri apostoli in Wiennensi loco positam, recipiens a venerabili Patauiensis ecclesie episcopo R.in legitimum concanbium vineam unam Wartberc sitäm et dimidiam partem dotis iuxta civitatem posi tam, exceptis curtilocis, ubi stabula sunt constructa; eo tenore, ut supradicta ecclesia et cetera oratoria in eadem barrochia consecrata deincebs in Wiennensis blebani sint regimine. Et ut hec amodo inconvulsa permaneant, supradictus marchio inpressione sigilli sui sanccivit et episcopus sub banno sue auctoritatis confirmavit. Huius rei testes sunt; Ernustus frater marchionis, Theodericus comes, Leutoldus comes, Otto, Adelram mus advocatus, Chadodus, Waltchun de Greizpach, Chadoldus, Diepaldus de Chagere; ministerialis vero: Hadamarus, Marcwardus, filius eius Odalricus, Adal bero, Chunradus, Heinricus de Guncinesdorf; ministerialis episcopi: Theoderi cus, Ebo, Pertoldus. Aderant etiam capellani episcopi: Pertoldus prepositus tituli beati Ypoliti, Adalbertus preposi tus cenobii beati Nicolai, Ludegerus pre positus tituli beati Georii, Lanzo archipresbyter, Gotfridvs." Mit L, ist der Babenberger Leonold rv., Markgraf Österreichs von 1137 bis 1141, gemeint, mit A. sein älterer Halb bruder Adalbert, mit R. der von 1121 bis 1138 regierende Passauer Bischof Regin mar. Dies vorausgeschickt, läßt sich der Urkundentext wie folgt übersetzen:" „Allen Christgläubigen, den künftigen wie den gegenwärtigen, sei kundgetan, daß der Markgraf Leopold durch die Hand seines Bruders, des Vogtes Adal bert, aufdem Altar des heiligen Erzmärtyrers Stephan die auf einem Platz in Wien gelegene Kirche des heiligen Apo stels Petrus hingegeben und als recht mäßiges Tauschgut vom ehrwürdigen Reginmar, Bischof der Passauer Kirche, einen zu Wartberg gelegenen Weingar ten sowie die bei der Burg gelegene Hälfte des Widums - ausgenommen die Hofstätten, auf denen Ställe errichtet worden sind - erhalten hat; mit der Maßgabe, daß die obgenannte Kirche und die in derselben Pfarre geweihten übrigen Gotteshäuser fortan dem Pfar rer von Wien unterstehen sollen..." Eine Ubersetzung des restlichen Tex tes scheint hier entbehrlich. Einzelne Ausdrücke und Wendungen im Text lassen unterschiedliche Deutun gen zu; dementsprechend hat sich mit dem Tauschvertrag von Mautern von seiner erstmaligen Veröffentlichung bis heute eine stattliche Anzahl von Wissen schaftlern befaßt, eine allseits aner kannte Interpretation gibt es bis heute nicht. Auf alle bisherigen Auslegungen im einzelnen einzugehen, würden den vorgegebenen Umfang dieses Aufsatzes weit überschreiten, doch habe ich im Anhang wenigstens die Titel des bisheri gen Schrifttums zusammengestellt, um Lesern, die sich selbst eine Meinung bilden wollen, die Orientierung zu er leichtern. Im folgenden beschränke ich mich darauf, im Rahmen einer Textana lyse die Problematik, die sich aus man chen Passagen ergibt, aufzuzeigen; aus der Literatur wird nur vereinzelt zitiert, allgemeine Kenntnisse über das baben bergische Österreich werden vorausge setzt.' Die „traditio" (Hingabe, Übergabe) erfolgt ,,super altare sancti Stephani protomartyris", also auf einem und nicht an einen St. Stephansaltar. Aus Belegen des 12. Jahrhunderts, insbeson dere aus dem Traditionsbuch des Stiftes Klosterneuburg, wissen wir, daß die Vornahme solcher Traditionen durch Niederlegung eines symbolischen Ge genstandes auf einem Altar damals üblich war." Der im Vertrag genannte Stephansaltar dürfte jener in der St. Stephan geweihten Pfarrkirche von Mautern, dem Ausstellungsort der Ur kunde, gewesen sein"; darin eine Um schreibung des unter dem Stephanspatronat stehenden Bistums Passau oder der Wiener Stephanskirche zu sehen', scheint durch die Diktion „super altare" (statt altari) ausgeschlossen. Die Ein schaltung Adalberts erklärt sich aus seinen Funktionen als Vogt (advocatus) des Bistums Passau für dessen Besitzun gen in Österreich und als Vogt des bei Mautern gelegenen Stiftes Göttweig, dem seit seiner Gründung durch den Passauer Bischof Altmarm die Mauter34
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