Wiener Diözesangeschichte 1960 - 1996

2. Gruft des Fürsten de Ligne Das dem Friedhofseingang zugewandte Steinkreuz trägt die Inschrift: MEMORIAE PRINCIPIS A LIGNE PROPINQUI renoviert 1911 Inschrift des linken Grabsteines: CAROLO LAMORAUO PRINC(ipi)A LIGNE SUPR EXERC(itu)DUCI PRAETOR(io)PRAEF(ecto) VIRO FORTI LITTERATORICONSP(icuo) NAT(us)XXin MAII MDDDCXXXV OB(üt)Xm DEC(embris) MDCCCXIV Inschrift des rechten Grabsteines; FRANCISCAE XAV PRINC(ipissae)A LIGNE NAT(a)PRINCIPISSA A LIECHTENSTEIN NATA XXVII NOV. MDCCXXIX OB(üt)XVn MAH MDDDCCCXXI Inschrift des gegenüberliegenden Grab steines: HANG AEDEM AETERNAE QUIETIS CARAE SONSORTISUAE SIDONIAE DE GENTE PRINCIPUM DE UGNE X DECEMBRIS MDCCLXXXVn NATAE Vin SEPTEMBRIS MDCCCVII SPONSAE XIV MAI MDCCCXXVn DENATAE FRANCISCUS COMES A POTOK IN ZBARAZBRODY POTOCKI MAESTUS EREXrr ® TODESANZEIGE DES ORDENS VOM GOLDENEN VLIES Der hohe Orden des Goldenen Vließes hat soeben einen sehr empfindlichen Verlust erlitten in der Person seiner Hoheit des Prinzen Karl Lamoral von Ligne, Commandeur des Maria-Theresien-Ordens, Kammerherr, Feldmar schall, Oberstinhaber eines Infanteriere giments, Kapitän der Trabantenleib garde, Doyen des Ordens vom goldenen Vließ. Er starb in Wien den 13.Dezem ber 1814 in seinem achtzigsten Lebens jahr. Er ist In Brüssel am 23. Mai 1735 geboren und hatte die Ehre, von Vertre tern Seiner Majestät des Kaisers Karl VI. und der Erzherzogin Elisabeth über das Taufbecken gehalten zu werden. Mit zwanzig Jahren vermählte er sich mit der Prinzessin Franziska von Lich tenstein und kam als Hauptmann in den kaiserlichen Dienst. Der siebenjährige Krieg gab ihm die Gelegenheit, sich in den Schlachten von Kolin, Görlitz, Bres lau, Leuthen, Hochkirch und Maxen auszuzeichnen. Im Jahre 1758 wurde er zum Oberst ernannt und brachte an Ludwig XV. die Mitteilung vom Sieg bei Maxen, 1760 nimmt er Teil an der Besetzung von Berlin und kämpft in der Schlacht bei Torgau. 1764 wird er Generalm^or, 1770 ist er Zeuge der berühmten Zusammenkunft zwischen Josef II. und Friedrich dem Großen in Neustadt. 1771 wird der Generalleutnant und Oberstinhaber eines Regimentes. 1772 wird er Vließritter.» 1778 ist er Kommandant bei der Armee in Böhmen. 1787 wird er mit einer Mission am Hofe Katharinas betraut und begleitet diese Herrscherin aufihrer Reise in die Krim. 1788 dient er in der russischen Armee unter dem Befehl des Fürsten Potemkin. 1789 nimmt er Teil an der Belagerung und an der Eroberung von Belgrad und bekommt 1790 das Commandeurkreuz des Maria-Theresien-Ordens. Um ihn für seine langen und guten und hervorragenden Dienste zu belohnen, ernannte ihn seine Majestät Kaiser Franz 1805 zum Kapitän der Trabantenleib garde und 1808zum Feldmarschall. Er war geliebt und geachtet von seinen Untergebenen, betrauert von den Gebil deten, der Liebling der ihm gleichgestell ten, geschätzt von seinem Souverän. Der Tod dieses seltenen Mannes bedeutet einen empfindlichen Verlust für den Staat. Sein unerschütterlicher Ehrgeiz im Dienst,seine angeborene Zuneigung für das erlauchte Haus Österreich, seine liebenswürdige und dauernde Heiterkeit und seine Loyalität: diese Eigenschaften haben ihn immer ausgezeichnet und be wirken, daß sein Tod vom Hof, von den Freunden, von seinen Untergebenen und von der Öffentlichkeit bedauert wird. Indem wir den Herrn Ordensrittern den Tod dieses würdigen Mitglieds mel den, haben wir die Ehre, die Messen und Äußerungen der Mildtätigkeit re spektvoll für sein Seelenheil einzufor dern,die durch das Statut bestimmt sind. Expediert in der Kanzlei des Ordens. Wien,de^ 9. Jänner 1815 * Die Todesanzeige läßt uns die Größe dieser Persönlichkeit, des „rosaroten Prinzen" des „Genie des Lebens", des ,,frohesten Mannes des Jahrhunderts" (Goethe)ahnen. Von 1790-1814 war seine Stadtwohnung in der Mölkerbastei 87/88 (1845 abgetragen, heute Mölkerbastei 10/12[neben dem Pasqualatihaus]). In der einstigen Kamaldulensereremie, dem nachbenannten Josefsdorf am Kahlenberge, hatte er die ehemalige Eremita gen 9 und 10(Südseite, 2. Reihe 4 und 5, Konskr. Nummer 6 und 7)samt dazuge hörigen Gärten käuflich erworben.Dane ben hatte er von der Traiteurin Gauglerin noch Räume gemietet, sich auch ein großartiges Lusthaus erbaut und ein Theater eingerichtet. Hier „lebte" er und „feierte" er mit seinen Gästen Feste. Am Leopoldsberg wohnte er im „alten Gschloß" (Rittersaal), das er sich zu einem ,,Bon repos" einrichtete. BEATUS ILLE,QUIPROCUL NEGOTIIS-Glück lich, der ferne von Pflichten und Ämtern lebt (Horatz), stand am Eingang seines Kahlenbergareals. Am Leopoldsberg ließ er am der Do nau zugewandten Balkon schreiben; QUO RES CUMQUE CADANT, SEMPER STAT LINEA RECTA - Wie immer die Dinge sich gestalten, immer bleibe aufrecht. „A mon refuge sur le Leopoldsberg pres de Vienne" schrieb er sein in 34 Duodezbänden in Dresden erschienenes Werk „Melanges miütaires, Litteraires et Sentimentaires". Wer weiß heute noch,daß de Ligne es war, der den Nasenweg vom Leopoldiberg ins Kahlenbergerdörfel anlegen ließ? Wer weiß heute noch, daß der Name „Eiserne Hand"aufFürst de Ligne zurückgeht, weil er eben eine eiserne Hand aufeinen Holzpflock als Wegweiser anbringen ließ? Am Leopoldsberg fühlte sich der „rosa rote Prinz" wohl und nannte ihn das „Optimum Vindobonense" - das Schön ste von Wien. In der Mölkerbastei verstarb er am 13.12. 1814 während des Wiener Kongres ses. Nach dem Seelenamt in der Schotten kirche setzte sich der Leichenzug Rich tung Kahlenberg in Bewegung. Eine Kompanie der kaiserlichen Trabanten leibgarde flankierte den Leichenwagen, ein Ritter in schwarzer Rüstung auf einem mit schwarzen Schleier bedeckten Pferd folgte hinterher. Marschälle, Admiräle und Generäle aus aller Herren Länder, Fürsten und Herzöge, Staatsmänner und Diplomaten, ja die ganze Hautevolee des Wiener Kongresses, 8000 Infanteristen und an dere Verbände folgten dem Trauerzug. Ein Schauspiel, wie es Wien kaum ein mal schon gesehen. Kaiser Franz I, König Friedrich Wilhelm von Preußen und Zar Alexander ließen den Trauerkonvoi auf der Bastei stehend vorbeiziehen. Im ehemaligen Josefsdorfer Friedhof am Kahlenberg, der jetzt nach de Ligne auch öfters „Ritterfriedhof' genannt wird,fand er seine letzte Ruhestätte. Das Schloß BELOEIL in Belgien, Ge burtsstätte Charles de Lignes, ist seit 6 Jahrhunderten die Residenz der Prinzen de Ligne. Es besitzt kostbare Sammlun gen von Kunstwerken aus dem 15. bis 19. Jahrhundert und viele historische Erinnerungen an europäische Fürsten und Herrscher und eine namhafte Bi bliothek mit 25.000 Bänden. FRANZISKA FÜRSTIN DE LIGNE geborene Fürstin Lichtenstein (geb. 1739), heiratete mit 16 am 6.8. 1755 in Feldsberg (Mähren) Prinz de Ligne auf Elternbeschluß hin. Sie wurde Mutter von 7 Kindern. Zur Zeit der franz. Revo lution aus dem Palais zu Paris vertrie ben, übersiedelte in die Mölkerbastei nach Wien.Im Alter von 82 Jahren starb sie am 17.5. 1821 im Palais ihrer 2. Tochter Gräfin Euphemie Palffy in Wien, Wallnerstraße 273 (heute 6a) und wurde im Kahlenberger Waldfriedhof an der Seite ihres Gatten bestattet. (Schluß folgt) Anmerkungen ' Statistisches Jahrbuch der Stadt Wien 1984, Friedhöfe. - WLSTA,HS 111/1. 'WIENER KIRCHENZEITUNG. 138. Jg., Nr.44 vom 2. 11. 1986. 'STAKLN, HS 60, IIII De Benedictione Ecclesiae, pag.7. 29

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