meinem Pfarrer (Dienstort St. Othmar unter den Weißgärbern, Wien III) stimmte der sofort zu, da er mich auf diese Weise vor der Einberufung als einzigen Mitarbeiter zu erhalten hoffte. Ich war bereits zweimal,irrtümlich oder beabsichtigt, als Priester, der nur als Sanitäter in Frage kam. zu den Pionie ren einberufen worden, was aber abge wehrt werden konnte. So sagte ich zu, da Wehrkreispfarrer Tegel noch er klärte, die Gestapo habe gegen mich nichts einzuwenden. Welches Glück! Bald wußte ich es: Warum? Ich hatte im Sommer 1938 bei einer Haustaufe einen antinationalsozialistischen Oberst leutnant des österreichischen Bundes heeres, Goppold mit Namen, kennenge lernt und damals im Laufe des Gesprä ches unter anderem den Wunsch geäu ßert. sollte ich zur Deutschen Wehr macht eingezogen werden, dann als Mi litärpfarrer. Nun wurde Goppold, älte ren Jahrgangs, mit Kriegsausbruch von der Deutschen Wehrmacht übernommen und mit der Verbindungsstelle Wehr macht - Gestapo betraut. Der kam nun an einem Septembersonntag 1941 in die Sakristei, meldete mir und gratulierte mir zugleich, daß ich in etwa drei Wochen zum Standortpfarrer in N. für Groß-Wien ernannt werde. Ich konnte dies nicht glauben und bemerkte, da liege ein Irrtun, eine Verwechslung vor, es müsse meinen älteren Mitkaplan be treffen, der im Ersten Weltkrieg als Leutnant gedient habe. Goppold bekräf tigte aber, es gehe mich an, in drei Wochen werde ich's ja sehen. Tatsäch lich traf das Ernennungsdekret ein. dazu ein handlicher Ausweis und die Auffor derung, mich beim Stadtkommandanten von Wien, General Stümpfl, vorzustel len. So begab ich mich in Begleitung des älteren Kollegen, Standortpfarrer Ottin ger, zur Stadtkommandantur Wien I, Universitätsstraße 7 (heute Neues Uni versitätsgebäude). Der General empfing uns sehr freundlich, unterbrach die Be sprechung mit den Offizieren und be merkte mit Tränen in den Augen vor uns, daß sein ältester Sohn, den ich als österreichischen Jugendführer in meiner Pfarre gekannt hatte, wegen dieser Ba gage (Ns.) habe fallen müssen, und be stätigte mir nach Handschlag den Aus weis bzw. Passagierschein zum Betreten aller militärischen Stellen und Objekte in Groß-Wien. Schon einige Tage hernach wurde ich vom Mittagstisch zum Telefon gerufen, wo mir Wehrkreispfarrer Tegel mitteilte, ich solle mich ,,zusammenpacken" und mich mit den Versehutensilien(heute zu sehen in der Ausstellung des Dokumen tationsarchivs) zum Militärgefangenen haus(Kaserne)in der Troststraße, Wien X, begeben. Um 18 Uhr sollte ich dort erscheinen und dann mit der Vorberei tung eines Todeskandidaten auf den nächsten Morgen beginnen. Ehrlich ge standen: Ich erschrak und bat den Anru fer um Aufschub, da mir der Auftrag zu erregend erschien, hatte ich doch weder eine pastorale Ausbildung hiefür genos sen, noch die nötige Erfahrung, was bei einer Hinrichtung zu tun sei. Tegel blieb aber hart und erklärte; Einmal muß damit begonnen werden; Aufschub habe keinen Sinn. So fuhr ich denn zur Trostkaserne, erstmals im Talar, später nicht mehr, meldete mich in der Direktionskanzlei, wo ich schon erwartet, freundlich be grüßt und vorgestellt wurde. Anwesend waren: Der Kommandant(ich glaube ein Wiener Neustädter), ein Richter und noch eine Militärperson, alles „Ostmärker". Punkt 18 Uhr wurde der Todeskandi dat vorgeführt, und der Kommandant verlas das Dekret: Begnadigung abge lehnt etc., unterzeichnet von Keitel. Bei späteren Urteilen hieß es auch: Göring für die Luftwaffe, Räder für die Marine. Hitler hatte nie gezeichnet. Dann deu tete der Kommandant auf mich, stellte mich als Pfarrer vor, der in allen Belan gen nun dem Mann zur Verfügung stehe. Daraufhin wurde der Soldat von zwei Begleitern abgeführt, in eine abge tragene Militärhose samt Rock gesteckt und zur Armensünderzelle geleitet. Man nannte dies „Ausstoßung aus dem Heer". Die düstere Zelle hatte kein Fenster, nur eine Klomuschel, einen wackeligen Tisch und zwei einfache Sessel als Einrichtung. Ein paarmal gab es ein dürftiges Henkermahl auf einem Blechteller, auch das hörte später auf. Nur Zigaretten verblieben. Nun begann für mich die Tortur. Zur Wache vor der offenen Tür gesellten sich immer wieder abwechselnd Soldaten (Kameraden), die den Armen durch Ge spräche, Witze etc. abzulenken suchten, auch sich mit ihm zu unterhalten anfin gen, was für mich insofern äußerst nerv lich anspannend war, da unser Zwiege spräch, unsere Aussprache, der pastorale Dienst ständig gestört, unter brochen, ja behindert wurde. Da die ganze Nacht über geraucht wurde und der Qualm keinen Abzug hatte, brann ten mir ein paar Tage lang die Augen oder schmerzten mich, wie man besser sagt. Seither weiß ich, wie ähnlich nach einer Operation eine Nacht dahinschleicht und wie eine Ewigkeit nicht zu vergehen scheint. Dieses Warten die Nacht über bis zum Morgen des letzten Tages, sei die eigentliche Todesstrafe und Abbüßung, da jeder Todeskandidat die unabwendbare sofortige Vollstrekkung als Erlösung empfinden, ja sogar wünschen würde, wie mir vom Kom mandanten erzählt wurde. Um uns die Nachtwache etwas erträg licher zu gestalten, hatte ein evangeli scher Kollege vorgeschlagen, daß für uns in einem Nebenraum eine einfache Pritsche aufgeschlagen werde,damit wir leichter durchhalten könnten, auch wä ren einige Pausen für den Todeskandi daten wünschenswert. Wir kamen aber bald davon ab, da die schweren Stiefel tritte, das laute Rufen und das Zuschla gen der Eisentüren kaum ein Stündchen Ruhe zuließen. Auch ließ es mir keine Ruhe, wollte ich ja den Armen nicht allein und sich selbst überlassen. Man hatte mir nicht nur einmal bedeutet, daß ein auf das Sterben Wartender das Al ieinsein und Gefühl der Verlassenheit sehr hart und beängstigend empfinde. Mit dem Morgengrauen wurde es im Haus immer lebendiger, da nun die letzten Vorbereitungen für die Abfahrt zur Schießstätte nach Kagran getroffen wurden.Dem Todgeweihten wurden die Hände auf den Rücken gefesselt (durch Klammern geschlossen), die Ketten an den Füßen so weit gelockert, daß ein Gehen möglich war, und hinab gings die Stiegen in den kalten Gefangnishofzum Armensünderkarren. Ich stieg jedesmal mit dem oder den Todeskandidaten in den Wagen ein, was deutlich beruhigend wirkte, und nicht in den vorausfahren den Wagen mit den Offizieren, obwohl mich diese stets zu sich einluden, ge hörte ich ja nach ihrer Aussage eigent lich zu ihnen. Übernächtig blickte ich durchs kleine Fenster während der trau rigen Fahrt über den Gürtel, die PrinzEugen-Straße, den Ring vorbei an der Urania auf die Leute hinaus, die ihren Geschäften zueilten und keine Notiz von unserem Gefährt nahmen oder mitleidig ihm nachschauten. Nach dem Russen kirchlein zweigten die Wagen zum Schießplatz ab, dessen Wall und über hohe Bäume einen makabren Anblick boten; davor die Pfähle wie Kreuze ohne Querbalken anzusehen. Die Wagentür wurde aufgerissen und vorbei gings am offenen Sarg zum Pfahl (oder den Pfäh len), wo zwei Soldaten(davon einer eine Charge) den Armen (oder die Armen) mit einem dicken Strick anbanden. Nochmals wurde gekürzt das Todesur teil verlesen, währenddessen ein Leut nant die zehn Schützen hinter uns im Rücken kommandierte. Daß mir dabei nie ganz geheuer war, darf man mir glauben. Einmal gingen nämlich die Schüsse zu früh los, so daß der Feldwe bel und ich fast in den Rücken oder Unterleib getroffen worden wären und wir uns nur durch einen Sprung zur Seite retten konnten. Ich schielte daher von da an jedesmal nach hinten, um zu sehen, wie nahe die Gewehrläufe schon ausgerichtet waren. Ein paar er munternde Zusprüche und dann sprang ich über den Graben aus der Schuß weite, stellte mich aber so auf, daß ich neben dem Peloton (Schützenzug) zu stehen kam und vom Pfahl aus zu erblicken war. Wie ich dem Todeskandi^ daten versichert hatte, daß ich bis zu letzt bei ihm ausharren werde,so schlug ich ihm auch vor, wenn er sich die Augen nicht verbinden lasse, solle er nach mir schauen, ich würde ihm das Kreuz entgegenhalten, was gewiß eine Ablenkung von den Todesmündern der Gewehrläufe mit sich bringen werde. Die meisten befolgten meinen Ratschlag, und so schieden wir voneinander, Aug' in Aug'. Daß die Treffer nicht so exakt ausfallen würden, wie es auf der Bühne im Theater darzustellen gepflegt wird, erlebte ich fast immer und ist verständ lich, waren die Schützen ja Menschen und Kameraden. Hie und da mußten zwei bis drei Salven abgegeben oder mit einem Genickschuß die Erlösung herbei geführt werden. Doch genug davon, das Grausige wurde ohnehin bereits an derswo beschrieben. Aber solch aufs Letzte gehende Eindrücke prägen sich unauslöschlich ins Gedächtnis. Frontsol daten gestanden mir ehrlich ein, daß die Erschießungen im Feld nicht so erre6
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