„Quarto habe ihme", schließt Pfarrer Frölich seinen Bericht, „der exponierte medicus alda sagen lassen, daz, wan in seiner pfarr eine verdächtig kranckhe person sich fündete, so solte er ihms wissen lassen; er glaube aber,daß dieser niemandt eingelassen wurde; wäre also das beste, wan man der Landtsf(ü)r(stlichen) Jnfectionsordtnung de anno 1680, part 2da, cap. 2do nachlebte."""'® Vier Monate lang konnte man im Kagraner Pfarrsprengel glauben, die Seuche sei überwunden. Zwar starb im Mai plötz lich das erst zweijährige Söhnchen Ma thias jenes Joseph Schäringer, den Pfar rer Frölich Anfang Jänner noch vor der Ortssperre versehen hatte'® und dessen Tochter Catharina damals als Pestopfer zu Grabe getragen worden war®®, aber offensichtlich an anderer Ursache.®® An gesichts der Saumseligkeit, Sorglosig keit, ja Widersätzlichkeit der Ortsbeam ten, der Fischer und der Bauern, „die keine Trennung der Gesunden und Kranken duldeten"-„...nullam separationem infectorum a n(on) infectis", wie Pfarrer Frölich verbittert im Taufbuch vermerkt hat -, bedurfte jedoch der exponierte Medicus für seine dem Geist lichen gegenüber geäußerte Warnung nicht des prophetischen Blicks. Schon bald nach dieser Äußerung sollte die Seuche wieder zuschlagen: im Juni in der Filiale Hirschstetten, im August am Pfarrort selbst. Das Konsistorium sandte Frölichs Schreiben an den Sanitätspräsidenten Baron von Oedt weiter. Drei Tage muß ten sich die Stadlauer und ihr Seelsorger noch gedulden, bis am 5. März 1713 der „gespehrte orth Stadlaw"®' wieder geöffnet wurde. Die Seuche war erlo schen, acht gräßliche Wochen (18. Jän ner bis 5. März 1713) waren endlich vorbei, das Leben begann sich nach und nach wieder zu normalisieren. Auch die Beziehungen zu den umlie genden Ortschaften wurden wieder auf genommen, wie aus dem Kagraner Tauf buch deutlich hervorgeht. So heißt es etwa am 23. Juni bei einer Taufe im Hause Holzer: „lev(ante) Nicoiao Mar chart vic(ino) ex Aspern ad Dan- (uvium)"®®; das Mädchen wurde dem nach von einem Bewohner des Nachbar ortes Aspern aus der Taufe gehoben. Weit länger gedulden mußte sich der ehemalige „Curatus in Stadlaw, Kovat schiz Geörg"®'*, bis er zu seinem hart erarbeiteten Salär kam.„Es seye vorhin bekhandt", klagt er am 8. März 1713, „wie das Er den 18. Jenner auf das inficirte orth Stadlaw ex offo beordert worden vnnd alldorten biß den S.ten Martij gestanden; wann nun Er biß dato wegen seiner mühe kainen kreuzer er halten vnnd H: Graff von ödt, alß Praeses concilii sanitatis, auch sich nichts bequemmen will; solchemnach batte Er, in ansehung seiner so gefährlichen Ex position, vnnd d(a)s Er auch ziembbch schlecht verpflegt worden, Jhne zu sei nen wohlverdienten salario g{nä)d(i)g verhilfflich zu sein.""® Dieser persönli chen Klage entspricht der Inhalt eines gleichzeitigen Konsistorialschreibens an Baron von Oedt, das sich in der Sache des Pestpriesters, der ja „nicht allein schon 10 Jahr, vnnd zwar bey gefähr lichsten rebellions Zeithen in der Dioeces gedienet, sondern auch am ersten sich pro pestiferis zue Stadlaw (hatte) exponiren lasßen""®, annimmt und zu gleich wesentliche Zusammenhänge of fenbar macht, wenn es darin heißt: „Auß denen beylag ist zu ersehen, wei chergestalten Priester Georg Kovatschitsch..., in(dem)inflcirten orth Stad lau... exponirt gewester Seelsorger, supplicando vor= und angebracht, wie daz die Zaith(der)lebensgefahrl: exposi tion (ihm) nicht allein kein salarium nicht gereicht, sondern noch daryber sogar die bezahlung der schlecht und wenig genossenen khost von(ihm)praetendirt werden wolle. Wann nun Vnß billich frembt vorkhommen solle, mit denen Geistl(ichen), welche Ihr Leib imd Leben gewagt, anstatt des Deogratias oder wohlverdienten Recompens auf solche Waiß zu verfahren - alß an der Verrichtung... ia ein waith mehrers als an denen Comissarijs, Medicis, Chyrurgis und andern dergleich (welchen ihre mühe und gefahr nur wohlergibig be zahlt worden) gelegen wäre -, dahero das bessere... umb so vil mehr verhof fen wollen, alß die anteacta zeigen, das bey der in anno 1679 vorgeweßenen leidigen Contagion ein ganz anders observiret und denen exponirten Geistl- (ichen) von einer Löbl: Landschafft aus mit Gelt succuriret worden ist."®® Trotzdem verstrichen weitere neun Monate, ehe sich der Pfarrer von Kagran,in dessen Sprengel freilich die Pest inzwischen auch in Hirschstetten und am Pfarrsitz selbst gewütet hatte, am 22. Dezember 1713 zur Hinterlegung der restlichen 18 Gulden im Passauerhof veranlaßt sah, nicht ohne dabei die Bitte ausgesprochen zu haben, „Jhne von dem importunen Kovatschizzue absolviren".®® Ganz anders Richter und Gemeinde von Stadlau. Trotz der negativen Folgen auf die Lebensbedingungen, die ihnen aus den Abwehrmaßnahmen gegen die Pest, im besonderen aus der achtwöchigen Kontumaz mit ihrer Abdrosselung von Handel und Gewerbe, erwachsen waren, wußten sie, die Überlebenden, glücklich, fromm und gläubig für das Erlöschen der Seuche zu danken und um künftige Verschonung zu bitten, indem sie ein Gelübde einlösten: „Es seye vorhin bekhandt, wie daz auch sye wegen bey ihnen eingeschlichen yblen krankheit 8 gannzer wochen eingesperret gewesen, nun aber, Gott lob, widerumb frey gelassen worden; dargegen sye sich dahin verlobet, ein Creüz Capellen gleich vor dem dorff, in form der Asperischen, mit einem altar zu Ehren der AUerhöchsten Dreyfaltigkeit, d(er) allerseeligsten Muett(er)Gottes und der heyl: Pest Patronen erbauen zlassen, auf daz alle Jahr 3 heyl: Messen, alß die erste in festo S. Sebastiani, die änderte in festo S.Rochi vnnd die 3te in festo S. Rosaliae auf ihre Unkhösten darinnen gelesen werden sollen." Damit verbanden sie die Verpflichtung, „daz solche Capellen von ihnen auf ewig bäulich vnderhalten. nicht weniger alle Sonn: und Feyertäge daz ganzejähr hindurch zue ehren obgemelt heyl: Pest Patronen darinnen ein Rosenkranz, mit erscheinung der ganzen gemainde, gebettet werden solle, damit sye inskhünfftig von verer ybler Seuche verschonnet werden möchten".'® Was bewog die Stadlauer bei ihrem schönen Vorhaben, sich gerade Aspern. und dessen Sebastianikapelle als Vor bild zu nehmen? Zwei Gründe mögen dafür maßgeblich gewesen sein: Erstens gab es wahrscheinlich eine alte, zumin dest auf die Tage der furchtbaren Epide mie von 1679/80 zurückgehende Tradi tion, nach der die Kagraner Pfarrbevöl kerung (der Pfarrort mit den Filialen Hirschstetten, Jedlersdorf, Jedlesee und Stadlau) alljährlich in einer Prozession in die Nachbarortschaftzog. Fehlen auch kontinuierliche Nachrichten über sie, so ist sie doch etwa 1702 faßbar, denn in der Kirchenrechnung dieses Jahres, als „Mathias Stainprecher Richter zu Statt lau" und „Leobolt Dreuslämbl" sowie ,,Jacob Paur Gerichtsgeschworne zu Stattlau" waren, findet sich eine Ausga benpost aus folgendem Anlaß vermerkt: „desgleichen, da man mit der Procession nacher Asparn gegangen.""" Zweitens war ja überall in Niederösterreich, ne ben Rochus und Rosalia, bisweUen auch Vitus, Jakob dem Älteren und Leonhard sowie den Landespatronen Koloman und Leopold, St. Sebastian der Haupt pestheilige. Ihm hatten schon 1673, be vor noch im Juli des großen Pestjahres 1680 der „Schwarze Tod" gleich in der ersten Woche seines Auftretens unter ihnen sechs Opfer fordern sollte''', „Richter vnnd gemain" zu „Asparn an der Thonau"ein feierliches Versprechen gemacht; am 9. August 1673 begannen sie es zu verwirklichen, indem sie beim Konsistorium um die diesbezügliche Konsenserteilung ansuchten, da „sie die neuerbaute Kirchen erweitern, vnd eine Capellen zu Ehren deß heyl: Martyris • Sebastiani auß einem gelübt erbauen" wollten."'® Nach dem Lokalaugenschein durch den Probstdorfer Dechanten wurde ihnen verwilligt, „daz ohne scha den der Kirche, welche neu erbaut imd noch nicht consecrirt, die maur durchbrochen vnndt die neue Capellen daran erbaut werden möge".^' Solcher Erfolg war der Stadlauer In itiative nicht beschieden. Das Konsi storium befand, daß die Frömmigkeit der Stadlauer Kagran zugute kommen sollte. Es fertigte daher keinen Stiftbrief aus und erteilte keinen Konsens, son dern verfügte in seinem Antwortschrei ben, „daz Supplicanten anstatt der Ca pellen einen neuen altar in ihrer Pfarrkürchen zue Kagran zu Ehren inuermelten Heyl(igen)aufrichten(zu)lassen und darbey erwehnte andachten(zu)verrich ten" hätten."'® Ob der neue Altar zustande gekom men ist, darüber erlaubt die Quellenlage nur Vermutungen. 1702 ist jedenfalls schon ein Seitenaltar des heiligen Seba stian im Kagraner Gotteshaus nachweis bar; laut Kirchenrechnung zahlte näm lich damals „Matthaeus Gaullacher von Jrrlerstorff'(= Jedlersdorf)„in die ampl 43
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