Wiener Diözesangeschichte 1960 - 1996

Stadlaw ybherkhommen khönne, son dern vor hunger und durst crepiren müeste, da doch Er verhofiet, die Stad lauer alß vermöglichte Leuth wurden einen aigenen Priester gerne verkhösten; hoffet dahero,es werde ein solches nach der infectionsordtnung von dem vicedhomb-Ambt denen Stadlauem ge messen aufgetragen werden." „Er", be tont der Kagraner Pfarrinhaber ab schließend, „wie gerne er auch wolte, khönne es unmöglich ausstehen, weillen er fast selbst nicht zu leben hat."'^'' Wir haben dieses Dokument auch deswegen hier ausgeschrieben, weil es zunächst einmal belegt, daß für Stadlau zu diesem Zeitpunkt (20. I. 1713) die Ortssperre bereits wirksam geworden war. Die Stadlauer waren, um ihre eigenen Worte zu gebrauchen, „eingespöhrte Leuth"! Ihren Heimatort hatte der Dorfrichter - nach Ausweis der Kagraner Matriken war dies Georg Lud wig Mittermayr"'' - bannisieren, d.h. absperren, seinen Namen auf die schwarze Contagionstafel schreiben und ein strenges Ein- und Ausreiseverbot verkünden lassen. Davon ausgenommen blieben lediglich die -in unserer Quelle gleichfalls erwähnten - „Gräniz Reütter"; das waren Dragoner, die dem Grenzkommissär zur „Bereitung" der Umgegend und zum Nachrichtendienst beigegeben, als Patrouillenreiter die Kommunikation mit der niederösterrei chischen Landesregierung gewährleiste ten. Wollte jemand dennoch aus dem Fischer- und Bauerndörfchen eine drin gende Fahrt in einen nichtinfizierten Ort unternehmen, mußte er sich einer vierwöchigen Kontumaz unterziehen. Um mit den Gütern und Waren nicht auch gleichzeitig die Pest zu verkaufen und neuerlich einzukaufen, war gemäß der Infektionsordnung der Handels- und Versorgungsverkehr zwischen den ein zelnen Dörfern und der Stadt unterbun den - kein Wunder also, wenn die Le bensmittel rund um Kovaschiz bald knapp wurden. Der bedauernswerte Mann mußte während „seiner so gefähr lichen exposition... sich 14 Täg lang auß aigenem beuttl, mitsambt dem exponirten Schuellmaister verkhösten"""', bis auf dem schleppenden Amtswege seine „vnderhaltung... denen Vicedhombdschen) Vnderthanen zu Stadlaw auferlggji.-.3 worden war. Nicht weniger zu bedauern ist der mit dem Pestpriester zugleich ausgesetzte Schulmeister, dessen Namen ungenannt bleibt. Er war das Opfer jener Verknüp fung von Schulmeisteramt und Mesner dienst geworden, wie sie damals durch aus üblich gewesen ist."'''" Sein Vorge setzter, der Kagraner Pfarrherr, den er beim Gottesdienst und bei der Sakramentenspendung mit Ministrieren, Sin gen, Orgelspielen und anderen notwen digen Verrichtungen zu unterstützen verpflichtet war, hatte ihn dem für die Filialgemeinde bestellten Expositus bei gegeben. Diesem machte während sei nes Seucheneinsatzes Punkt 9 des „Un terrichts vor die Seel=Sorger / wie sie sich verhalten sollen / wann sie zu denen inflcirten Personen beruften wer den" von 1692 folgende Vorgangsweise hinsichtlich des Schulmeisters zur Pflicht: „Wiewohlen zu Zeiten aus An dacht oder anderer Ursachen halber sich einige auf dem Weeg ihme zugesellen / so solle er doch keinen andern / außer den Meßner oder Schulmeister bey sich gedulten / deme er so wohl als vor sich Selbsten Vorsehung thun solle / und weilen nicht vonnöthen / daß ein der gleichen Person in ein inficirtes Hauß eingehe / als solle er von aussen des Priesters erwarten.""*'"''' Daß ein Lehrer als Angestellter sowohl des Pfarrers als auch der Gemeinde dabei bisweilen in diesen Tagen, in denen beide Dienstge ber ihn beanspruchten, sogar zwischen die Fronten kommen konnte, läßt uns die Beschwerde des Pfarrers von Laden dorf, Johann Valentin Müller, über den dortigen Dorfrichter wissen: Dieser habe „tempore contagionis", wie das KonsistorialprotokoU festhält, „dem Schuell maister verbothen ihne zu assistiren". Die eben angeführte Niederschrift ist uns gleichzeitig aber auch ein Zeugnis für die Religiosität der Stadlauer zur Seuchenzeit. Wie sehr der Dorfgemeinde nicht nur die Pastorisierung der Kran ken xmd Gesunden, der geistliche Bei stand für alle, sondern auch der Gottes dienst am Herzen lag, veranschaulicht das folgende Dank- und Bittschreiben vom 27. Jänner 1713: „Stadlau N: gesambte Gemeindte erstatten forderist gehorsammen danckh, d(a)z Ein Venerabile Consistorium sye mit einem aigenen Geistlichen consoliret habe; beynebens aber bitten, diesen zu erlauben, d(a)z er bey ihnen auch messlesen dörffe; zu dem endte sye auf ihre unkhösten eine neue hütten aufrichten wolten, worein nimandt anderer alß der Geistliche und der Schuellmaister khommen solte. Batte also, sye betrankhte und eingespöhrte leuth dises geistlichen Seelen Trost theilhafRig zu machen.""^® Als spontanen Ausdruck der Dankbar keit und Zuflucht zu der furbittenden Pestheiligen werden wir es übrigens verstehen, wenn wenig später, am 25. Jänner 1713, der Stadlauer Fischer Jo hann Georg Hueber und sein Weib Ger trudis ihre Tochter - das einzige Kind, dsis in diesen grauenvollen Tagen im Ort geboren worden ist - von Expositus Kovatschiz auf den Namen Rosalia tau fen ließen.'*'' Schon am nächsten Monatsersten konnte Pfarrer Frölich das Nachlassen der Pest nach Wien berichten: „weillen die zu Stadlau verdächtige Seuche, Gott lob! zimblich nachgelassen."""'® Voll Freude schließt er zwei Bitten und zwei Informationen an. Als erste und vor dringlichste Sorge Frölichs hören wir: „Dahero batte Er primö dahin gedacht zu sein, d(a)z die Spörr alda etwan widerumen in bälde aufgehoben vnnd die inficirte heusser purificiret (werden mögen...'""'® Worum hier gebeten wird, hätte bedeutet, daß die Stadlauer Häu ser, die auf jeden Fall vierzig Tage gesperrt sein mußten, da in ihnen ein Infektionsfall oder mehrere aufgetreten waren, und aufderen mit einem weißen Kreuz versehenen Eingangstüren noch immer der Name des Erkrankten und das Datum der Infektion verzeichnet standen, durch die von der Obrigkeit bestimmten Kommissare zu öffnen ge wesen wären - vorausgesetzt, daß man sie, um sie wieder beziehbar zu machen, geräuchert, vollständig gesäubert und geweißt hatte.®® Die zweite Bitte betraf den Pestprie ster, der den Stadlauern Beistand lei stete; „2do; d{a)z auf den exponirten Kovatschiz wegen der vacanten pfarr Marggraff Neusidl,indeme er ad examen weder erscheinen kan noch darff, nichts destoweniger in ansehung seiner frey willigen exponirung in gnaden gedacht werden möchte."®® Da es verständli cherweise nur schwer möglich war, Seelsorger für die verpesteten Orte zu erhalten, versuchten die Behörden einen gewissen Anreiz dadurch zu schaffen, daß sie „allen exponirten Priestern ver sprachen, bey vorfallenden aperturen auf selbe vor anderen zu gedenckhen"; das ist es, worauf hier der Kagraner Pfarrer anspielt, am 10. Jänner 1714 dann etwa der Expositus „zu TrästorfT', Johann Christoph Vältl, bei seiner Be werbung um das vakante „Guetenbrun" mit allem Nachdrucke sich beruft.®" Der dritte Berichtspunkt rügt die mangelnde Einhaltung der Infektions ordnung durch die Stadlauer Jugend: „3tio: berichtet er (= Pfarrer Johann Baptist Frölich), daz die junge bursch zu Stadlaw beyderley geschlechts stetts sehr frech zusammenlauffen und umb deß dorfftichters befehl nichts geben wollen."®® Es ist dies ein Musterbeispiel dafür, wie man sich bisweilen - sehr zum eigenen Schaden - über die Vor schriften der Autoritäten, der staatli chen und der dörflichen, hinwegsetzte, indem man die Einschränkung der Ver sammlungsfreiheit mißachtete.Denn na türlich waren in Pestzeiten, das wurde für 1710 schon eingangs gezeigt, Zusam menkünfte und Versammlungen der Dorfleute untersagt, wie sie Kirchtage, Jahrmärkte, Tanz, Hochzeiten, Kinds taufen, die Weinlese, der Besuch von Wirtshäusern und Weinkellern mit sich brachten. In diesem Zusammenhang ist es übrigens auffällig, daß das hochfürst lich passauischere unterennsische Kon sistorium zwei Tage später, am 3. Fe bruar 1713, die Erlaubnis erteilte, daß „Gregory Preylehner mit Catharina Wagnerln, beede ledigen Standts", „nach bereits vorgenohmenen 3mahligen verkhündtigung zue Stadlaw bey dem aufgrichten Altar durch Priester Kovatschiz copulirt" wurden.®' Der Trauungsakt findetsich in den Kagraner Pfarrbüchern verzeichnet. Wir lesen dort, daß der Knecht („famulus") Preilehner, aus „Branstatt" in Oberöster reich stammend, am 19. Februar 1713 zur Zeit der Pest(,,tempore pestis") von dem exponierten Priester Georg Kova schiz („per Expositum Sacerd: Georgium Kovaschüz") mit seiner Verlobten Catharia, weiland Georg Wagners, Ein wohners in Aspern, und seiner Ehewir tin Ursula eheliche Tochter, vor den Trauzeugen Michael Paar und Caspar Rust aus Stadlau kopuliert wurde."® 42

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