oberste Instanz in allen Sanitätsangele genheiten. Namentlich in „besorgen den contagions Zeithen"''" wie der von 1713 hielt es täglich Sitzungen ab, um seinen Aufgaben als Pestbehörde nach zukommen, indem es etwa über die grassierenden Seuchen Nachrichten ein holte, im Bedarfsfalle die Ärzte schickte, die Regionen, wo wenig Apotheken wa ren, mit Arzneien versorgte, die Kontu mazorte bestimmte, die Sperre der infi zierten Orte und Häuser anordnete, bei Gefahr die Absperrungen des Landes gemeinsam mit dem Hofkriegsrat über wachte und die Infektionsordnungen herausgab.-" Auf die behördliche Pestbekämp fungsmaßnahme, die er sich von diesem bei seiner Arbeit sehr schwerfälligen Gremium erhoffte -die strenge Orts- und Häusersperre für Stadlau -, sollte Pfar rer Frölich erstaunlicherweise nicht allzu lange warten müssen. In der Zwi schenzeit erstattete er seinen zweiten Bericht über das Seuchengeschehen vom 3. bis zum 16. Jänner 1713, der am 18. Jänner dem Konsistorium vorlag. Es heißt darin, „d{a)z seither den 3.ten biß 16. Jenner wid(er) ein Weib im dritten hauß erkranckhet vnnd nach aussag deß herrn Medici Johann Anthon Auers zwey bubones yberkhommen, dauon einer schon zog und durch den Baader eröffnet worden; vor 3 Tägen seye aber mahlen in deß Edlmayers hauß" - dem am frühesten infizierten - „ein weibsbildt erkranckhet, und solle auch würcklich 2 Pestpeüllen gehabt haben. Heundt aber seye in diesem haus wid(er) ein 16 jährig Fischer Bueb erkranckhet und gestorben. Besagt(er) Herr Medicus theuet sehr lamentiren, und weillen dieser schon 3 mahl vnpäsßlich worden, also glaubt er, er möchte auch schon inficiret seyn.""' Hier werden, ohne daß der eindeutige Terminus „bubones {so. pestilentiales)" vermieden würde, da nun die Beulen pest nicht mehr abzuleugnen war, zu nächst nüchtern und sachlich die Aus wirkungen der Seuche in Stadlau regi striert: Bereits drei Häuser - rund ein Drittel des örtlichen Bestandes - sind infiziert, drei oder gar vier Personen zusätzlich erkrankt, darunter bezeich nenderweise zwei Frauen und ein Ju gendlicher, wie sich ja während der gesamten Epidemie von 1713 etwa im Weinviertel eine stetige Abnahme der Sterblichkeit bei zunehmendem Lebens alter und ein höherer Prozentsatz aus dem weiblichen Geschlecht ergeben sollte.-'Ob diese neuen Ansteckungsop fer die Krankheit überstanden haben, wissen wir nicht; möglich ist es immer hin, da in den Kagraner Pfarrmatriken bis Mitte April kein einziger Todesfall für Stadlau verzeichnet wird. Freilich melden sich gerade deshalb auch Zwei fel an der Vollständigkeit des Sterbbu ches. Es muß nicht an ein Vertuschen von Pesttoten, wie es 1679 vorkam, gedacht werden und an ein wildes Be graben im Garten oder irgendwo nächst dem Dorf, auf dem Feld oder im Stra ßengraben, indes ist es leicht möglich, daß unter den Schrecken und Kümmer nissen des großen Sterbens die Ein schreibungen nach der ersten Jänner hälfte ganz unterblieben sind. Gerade dieser Umstand ließe sich aber mit der Annahme erklären, daß im verseuchten Filialort Stadlau ab dem 18. Jänner 1713 durch den exponierten Pestpriester Kovatschiz ein eigenes Verzeichnis geführt worden ist, das Namen für Namen ins Sterberegister zu übertragen der Pfarrer sich nicht mehr die Zeit nahm. Es könnte auch verlorengegangen sein, worauf die einschränkend vor den Jän ner-Abschnitt gesetzte Bemerkung Hochwürden Frölichs zu deuten scheint; „Series sepultorum in tantum in quantum intercessor in pagellis reliquit", d. i. „Reihe der Bestatteten insofern sie auf einer Liste verbürgt hinterlassen wor den ist".'^ Die Infektion erfolgte innerhalb der Ortschaft, wie so oft, bei Verwandten, Dienstleuten, Nachbarn, also bei Dorfbe wohnern, mit denen die Infizierten ver kehrten. Daß zweimal dem Berichter statter bekannte Personen eine Rolle dabei spielten, die mit dem Fischhandel zu tun hatten, mochte mit eben jener gefährlichen Sorglosigkeit zusammen hängen, deretwegen schon die Infek tionsordnung vom 20. Oktober 1656 ge rade der Berufsgruppe der Lebensmit telhändler (die mit Kraut und Rüben, Fisch und Krebsen, Fleisch und Käse handelten) die Sauberkeit besonders ans Herz gelegt hatte.'- Was hier für die Verkäufer als allgemeine Men schenpflicht betont worden war, baute übrigens Anno 1679 die „Höchst=nothwendige und nutzliche Erinnerung / Welcher gestalten man sich zu diesen gefährlichen Zeiten für der Leidigen Pestilentz / durch gute Mittel versehen und erhalten möge" vor allem dadurch weiter aus, daß sie den Marktrichtern, Auflegern und Abtragern unter ande rem folgendes einschärfte: „Dieser ihr Obsicht solle seyn / nichts vor dem Gottes=Dienst auf öffentlichen Marckt zu verkauffen verstatten; Zur Zeit der Pest aber solle allein der Verkauft des Fleisch/Fisch/ Brodt / und dergleichen nothwendige Lebens=Mittel zugelassen seyn / das Baum= und anders Obst aber / welches leicht faulet / solle nicht verkauftet werden / zu solcher Zeit ist die Zufuhr der abgestandenen/geräu cherten / und dergleichen Fischen / so leicht verderben und stinckend werden / verholten / worunter zu zehlen seynd die Schleyen/Weiß=Fisch/gesaltzene Hering / und dergleichen. - Sie sollen fleißig nachfragen / von wannen / und von was Ort die Waaren beygebracht worden / und ob selbe nicht unter Weegs an einem inficirten Ort eingekehret / von welcher Sach dann sie die Obrigkeit ausführlich berichten sollen.";''^' Dann wird vom Kagraner Pfarrvorsteher die drohende Gefahr einer kontagiösen Durchseuchung der Dorfbevölke rung angedeutet und, in schon empfind licherer und kräftigerer Sprache, aus der unmittelbaren Gefährdung des pest behandelnden Arztes und der eigenen Person das Fazit gezogen: Rigorose staatliche Abwehrmaßnahmen und die Neuordnung der Pfarrseelsorge an Ge sunden und Kranken sind notwendig. „Er habe",betonte Hochwürden Frölich, „Gottlob noch biß anhero magna cum cautela (= unter Anwendung größter Vorsicht)seine Schuldigkeit in der Seelsorg verrichtet, aber laider! seine kräfften wollen alsogemach auch abnehmen, indeme ihm heundt ein groses Vnglickh begegnet, da Er auf dem eiß gefallen und seinen rechten S. V.(= salva venia, d. h. mit Verlaub zu sagen) fueß sehr verlezet habe, also zwar, daß Er großen Schmerz daran leidet; hatte solchemnach, dazienige zu verordtnen, was vor hin bey contagionszeithen in diesem Decanat observiret worden,inmitlß aber Ihme sobaldt nur möglich, einen Prie ster zuezuschickhen.""' Daß man sich nach dem jetzt erreich ten Ausmaß der Seuche bei Vertröstun gen allein nicht mehr beruhigen konnte, zeigen die Anordnungen, die das Konsi storium im folgenden erläßt: Es „ist dem sanitäts Praesidi Herrn Baron von Ödt verere communication zuertheillen; in mitlß aber ist Priester Kovatschiz ex offo nach Stadlaw zu expediren, und dem Pfarrer befehlichlich aufzutragen, daß Er sich darmit verstehen und demselben in allem verhüfflich an die handt gehen solle".'" Diese Anordnungen, deren wichtigste die Exponierung eines Geistlichen nach Stadlau war, bewegen sich ganz im Rahmen der bisher üblichen Maßnah men.Schon vor mehr als drei Jahrzehn ten, während der letzten großen Epide mie von 1679/80, hatte man den Pfarr vorstehern am 1. September 1679 die personelle Zweiteilung der Betreu ungspraxis in eine Kranken- und eine Gesundenseelsorge aufgetragen, wie fol gender Protokolleintrag bezeugt: „Also ist geschlossen worden:Primo: der Prie sterschafft nochmahlen anzuebefehlen, d(a)z im fall die contagion an ein oder andern orth einreissen solle, iedes mahls Ein Priester für die Kranckhe vndt Ein and(er)er für die gesundte bestellet wer den solle.""'' Sich den Kranken in Stad lau zu widmen und geistlichen Trost gegen die Pest zu spenden, dazu war jetzt, also dem 18. Jänner 1713, der exponierte Priester Georg Kovatschiz bestimmt und sollte es bis zum 5. März bleiben. Als Pestpriester hatte Kovatschiz, von allen Gesunden gänzlich und in Bezug auf Kost und Wohnung separiert, in erster Linie die infizierten Kranken in ihren Häusern oder im Lazarett mit den Sterbesakramenten zu versehen. Falls der Angesteckte sich auf seinem Lager in „fiberischer hiz""'nicht hin und her warf, durfte er sich bei Spendung der Kommunion eines silbernen Stilettlöffels bedienen -neben Brevier, Kleidung und Petschaft nicht selten der einzige Gegen stand, den ein exponierter Seelsorger als Verlassenschaft hinterließ, wenn er schließlich selbst vom „Schwarzen Tod" hinweggeralft worden war."'"' Chorrock und Stola waren für den Versehgang nicht vorgeschrieben. Da die Ärzte des 18. Jahrhunderts vielfach der Lehre von der Kontagiosität der Pest anhingen. 40
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