sowie der Ursula, seiner Ehefrau, im Alter von 8'/j Jahren; sie ist an der Pest gestorben, denn vorher hatte sie sich in Wien im Bürgerspital angesteckt; vmd so hat die Pestin Stadlau angefangen." Den 28. Dezember gab es die nächste Pesttote: Regina Rustin, eine achtzigjäh rige Witwe, die, mit den Krankensakra menten versehen, bezeugtermaßen an der Pest („peste infecta") gestorben war.'- Für die ersten drei Tage des neuen Jahres verzeichnet das Sterbere gister zwei Todesfälle: Am 1. Jänner 1713 lag Gregor Prager,erst 18 Jahre alt, der im Edlmayerschen Haus als Fi scherknecht(„famulus piscatoris")gear beitet hatte, aufder Bahre,am 3. Jänner die Tochter seiner Brotgeber, Catharina, noch ein Säugling von 1 Jahr und 6 Wochen.'-' Ergriffen waren von der Infektion zu diesem Zeitpunkt, wie zu vermuten, auch schon andere Personen, und zwar sowohl im Hause der Pesturheberin selbst die Mutter der beiden dahingeraff ten Mädchen und der Stallknecht als auch außenstehende Ortsangehörige wie ein gewisser Joseph Schäringer, der mit der erkrankten Familie zu tun gehabt hatte. Dies entnehmen wir einer ganz anderen Quelle als die pfarrlichen Ster bematriken es sind, obwohl beide den selben Verfasser haben. Pfarrer „bey dem würdigen Gotts Haus zu Kagran" war zu diesen Zeiten seit 1699 Johann Baptist Frölich." Be reits am 4. Jänner 1713 sandte er, der nicht nur alle Patienten fürsorglich mit den Sterbesakramenten versehen, son dern auch erkannt hatte, daß es sich bei der aufgetretenen Seuche um die Pest handeln mußte, einen ausführlichen Be richt an die kirchlichen Vorgesetzten nach Wien. Darin hielt er fest, „d(a)z sich den 25.ten X(=Decem)bris in seiner filial zue Stadlaw deß Aegidij Edlmayers Muetter Regina, ein weib von 70 jähren, weillen sye geschwöhr vnder dem rech ten ohr gehabt, von Ihme mit allen heyl(igen) Sacramentis versehen lassen vnnd den 3.ten Tag darauf gestorben, vnnd gleich nach ihr nicht allein ein Fischerknecht, mit nahmen Gregory, sondern auch daß Edlmayers Eheweib in eadem domo(= im selben Hause)an gleichen Zueständten von Jhme habe versehen werden müessen; obbenandter Gregory aber infrä et penes membra virilia - sicuti ipsi relatum est(= unter halb und neben den Geschlechtsteilen, wie ihm berichtet worden ist) - eine grosse geschwulst gehabt habe, welche der baader zu Asparn, Michael Heiz, mit seinen remediis vertriben, nichts destoweniger daryber gestorben (sei), die Edlmayerin aber mit einer geschwulst am arm noch in größter gefahr liget; ihr saugendes khündt aber ist den S.ten Jenner gestorben; sonsten befunden sich noch etliche khranckhe in diesem Haus, darundor der Stahlknecht, welcher auch gestern hinder dem Ohr ein geschwulst oder Tippel bekhommen; nicht weniger ist N. Schäringer, so in dieses Haus gangen,erkrankhet, welche patienten er alle maxima cum cautela(= mit größter Vorsicht) versehen". Zugleich habe er, schreibt Pfarrer Frölich weiter, „den richter zu Stadlaw ersuecht, wan was contagioses sich alda befundet, Jhme solches zu offenbahren, allein habe er Jhme nichts verdenckliches beybringen wollen". Die Schlußzeilen sind dann von sezierender Enthüllungskraft und zei gen, daß Frölich mit seiner Erkenntnis Emst zu machen gewillt war, wenn er erklärt, „ein solches sine mora(= un verzüglich) gehorsamst berichten" zu müssen, „weillen Jhme... solche ge schwulsten verdächtig zu sein scheinen, und die Stadlauer wegen ihres Fisch verkhauff zu Wienn solche Krankheiten nur vertuschen wollen".""' Frölichs exakte und detaillierte Be schreibung überzeugt uns, daß In Stad lau seit Weihnachten 1712 die Beulen pest offen auftrat, wenngleich der Pfar rer die von ihm gemeinsam mit dem Asperner Bader erkannte Krankheit - anders als im Sterberegister - nicht mit diesem Wort, sondern vorsichtig und dem zeitgenössischen Sprachgebrauch entsprechend mit dem diffusen Sammel namen „(et)was Contagioses" bezeich net. Was an Symptomen - sowohl des Krankheitsbildes als auch des Seuchen verlaufes - angegeben ist, entspricht im großen und ganzen dem modernen Wis sen über die Pest. Da sind zunächst die Bubonen, vom Kagraner Pfarrer vorerst noch allge mein „geschwöhr',, „geschwulst" oder „Tippel", zwei Wochen später bereits in unmißverständlicher Deutlichkeit „bubones" und „PestpeüUen" ge nannt.'® Wo sie auftreten, ist mit Sicherheit Pest vorhanden." Auch die Stellen des menschlichen Körpers, die erwähnt werden, sind mit denen iden tisch, an denen die alle Mißdeutungen ausschließenden Pestbeulen einzig und allein zu erscheinen pflegten: „vnder dem (rechten) ohr" bzw. „hinder dem ohr", „am arm" und „infra et penes membra", wonach man im vergangenen Jahrhundert Hals-, Achsel- und Leistenbubonen unterschieden hatte.'® Es feh len bloß, weil an den Stadlauer Pest kranken nicht beobachtet, die Kniebubonen, die freilich äußerst selten wa ren.Ebenso stimmtschließlich der ange gebene Lebenszeitraum („den S.ten Tag darauf'), der den Pestbefallenen vom Auftreten eines Pestbubo an in der Regel verblieb, wenn die Krankheit tödlich verlief: ,,An welchen Leuten sich rote Sprinkel oder schwarze erhoben, die starben alle am dritten Tag, und auch entsprangen den Leuten Drüsen unter den Achseln,die starben nahe alle am dritten Tag.'"® Die Infektion zu bestimmen, bedurfte es freilich keiner besonderen Fachkun digkeit, wußten doch in immer ausfuhr licheren Formulierungen die verschiede nen Infektionsordnungen darüber zu berichten,„wie man(die)Pest an einem Krancken erkennen und von andern Leibs=Gebrechen unterscheiden kön ne".'®" Da solche allein in dem Jahrhun dert von 1580 bis 1680 nicht weniger als vierzehn an der Zahl veröffentlicht wor den waren'®^ mangelte es nicht an Informationsmaterial. Als ein Bespiel hiefür möge die Begriffsbestimmung und Beschreibung „Von Natur und Eigen schafft der Pest" stehen, die Dr. Jo hann Wilhelm Mannagetta, der Leib arzt dreier Kaiser und einer der bekann testen Wiener Mediziner des 17. Jahr hunderts, seiner 1665 verfaßten und 1679 von Dr. Paul de Sorbait, in noch um eigene Beobachtungen erweiterter Form, herausgegebenen „Pest=Ord nung" vorangestellt hat: „Pest / oder Pestilentz / heist eine böse / und vergifte Kranckheit / oder schädliche Seuche / daran die meisten nicht allein für sich umkommen / und sterben / sondern auch andere darmit beflecket / und angestecket / daß sie mit gleichmäßiger Seuch angriffen / gähling in äusserster Todts=Gefahr gestürtzet werden. Ist also die Pest der alten Artzten Meynung nach zu reden / ein sehr giftig=anstekkende und tödliche Kranckheit / von einen solch=giftigen Saamen / und Zun der herrührend / welcher aus seiner sonderbaren Eigenschafft dem Hertzen / und menschlicher Natur fürnemlich zu wider / alle desselben Kraft und Würkkung geschwind / und unversehens ver zehret / viel schädliche Zufäll / und Neben=Schwachheiten mit sich führet / auch den mehrern Theil der jenigen / so es ergriffen / mit Beulen / Drüsen / Dippel=Zeichen / oder mit(IJarfunckeln / braunen / schwartzen Flecken / und Kohl / Zündt=Blattern / neben grosser inwendiger Hitz ansteckt / und inner wenig Tagen oder Stunden / tödlich hinrichtet.*"®* Noch detaillierter und wohl auch zu verlässiger, weil auf einem gründliche ren Studium der Pestsymptome beru hend, zu dem die letzte große Epidemie von 1679/80 Gelegenheit gegeben hatte, war eine Zusammenstellung der „Warhafften Kenn=Zeichen dieser giftigen Seuche", die dem Kagraner Pfarrherrn erst vor kurzem gedruckt zugegangen war. Sie bildete einen Teil der „Bewahrung=, Hülf= und Rettungs=Mittel, welche in dem 1713.ten Jahr aus dem Nider=Oesterreicherischen Gesundheits=Rath seynd angeordnet und ver anstaltet worden", um ,jedermänniglich auf dem Land in bevorstehender Ge fahr" die Möglichkeit zu geben, „vorsichtiglich von der einschleichenden Seuche sich (zu) retten und (zu)bewah ren", und lautet wie folgt: „(Diese Kranckheit) greiffet gemeiniglich an mit einem Schauer oder Kälte / und darauf folgende zuweilen grössere / zuweilen geringere Hitze. Zuweilen kommet nach solchem Schauer / oder auch ohne des selben nur eine aufsteigende Angst und Entzündung des Haupts und Gesichts. Zuweilen kurtzer Athem und engbrüsti ges Seufftzen. Einige / und zwar die meiste / haben große Kopf=Schmertzen darbey. Einige werden bald unruhig / unrichtig / und der Sinnen beraubt. Andere bekommen eine starcke Neigung zum schlaffen / die sie schwär überwin den können. Etliche / ja viele / bekom men einen Grausen / Auffstossen des Magens und Brechen... Viele haben unersättlichen Durst / meistens ohne / doch auch zuweilen mit Speere und 38
RkJQdWJsaXNoZXIy NzM2NTQ=