Wiener Diözesangeschichte 1960 - 1996

Salvatorianer Provinz und es bestand Gefahr, daß es als deutsches Eigentum behandelt würde. Als das Haus den Eigentümern wieder zurückgegeben werden konnte, wurde P. Paulus nach Graz berufen, um den Bau eines neuen Internates für die Studenten der öster reichischen Provinz zu beaufsichtigen und die dortigen Liegenschaften zu ver walten. Beim Ausbau des dortigen Kolleges hatte sich P. Paulus buchstäblich zu Tode gearbeitet. Er starb am 14. Februar 1965 in Graz an Herzinfarkt und wurde im Familiengrab zu Bregenz beigesetzt^. War P. Paulus der Typ eines Men schen, der faktisch in allen Situationen seinen Mann stellte, so tritt uns in P. Ernst Trompeter eine überzeugungs treue. kritische und kompromißlose Per sönlichkeit entgegen. Am 10. Juni 1908 in Dortmund geboren, war er - bevor er bei den Salvatorianern Aufnahme fand - in einem Kohlenbergwerk des Ruhrge bietes als Kumpel tätig. Als Spätberufe ner wurde er am 29. Juni 1938 im Dom zu Passau zum Priester geweiht. In Margarethen am Moos, Bezirkshaupt mannschaft Bruck an der Leitha,fand er als Kaplan seine erste Anstellung. Er war ein origineller, furchtloser Prediger, der sich nicht scheute, den unchristli chen Geist der damaligen Machthaber scharf aufs Korn zu nehmen. Beim Be gräbnis der debilen Tochter eines Partei funktionärs nahm er Stellung gegen das Schlagwort „unwertes Leben". Sinnge mäß führte er aus: man sage vielfach, es wäre für dieses Mädchen gut, daß es nicht mehr lebe, da es für alle nur eine Last gewesen wäre. Demgegenüber wage er zu behaupten, so sei für die Übung der Barmherzigkeit auch das Kranken- und Siechenbett notwendig. Gewiß könne man ihn nun fragen, wo her er das so genau wisse. Daraufkönne man nur so antworten wie es einst Abraham im' Gleichnis vom reichen Prasser und dem armen Lazarus getan. Als der Prasser bat, Abraham möge den Lazarus zu seinen Brüdern senden, da mit er sie warne, lehnte dieser seine Bitte mit den Worten ab: „Sie haben Moses und die Propheten, auf diese sollen sie hören"(Lk 16, 22). Den Rat, sich von dem Juden Moses belehren zu lassen, empfanden die Nazis als em pörende Provokation. Als P. Ernst einige Zeit später vom ersten Stock des Pfarrhofs Margareten a. Moos hinunterstieg, kamen ihm zwei Kriminalbeamte entgegen und erklärten ihn als verhaftet. Psychologisch interes sant war dessen erste Reaktion. Bei einem russischen Schriftsteller der Za renzeit hatte er einmal gelesen, nicht so sehr die Verhaftung, sondern die Tatsa che, daß er ungewaschene Füße habe, sei für ihn der größte Schreck gewesen. Die gleiche Beklemmung befiel nun auch P. Ernst und er bat die Beamten, sie möchten ihm gestatten, sich vorher noch die Füße waschen zu dürfen. Die erstaunten Beamten erlaubten zwar die Fußwaschung, aber er durfte die Stiege nicht verlassen, sondern mußte sich an Ort und Stelle auf die Stufen setzen, während ihm ein Beamter die Wasch schüssel brachte. Nach beendeten Fuß bad ließ sich P. Emst mit einem Gefühl der Erleichterung nach Wien in das Polizeigefangenenhaus abführen. Von dort wurde er in das Konzentrationsla ger Dachau überstellt. In Salzburg muß ten die Häftlinge in einen anderen Zug umsteigen, der ziemlich weit von ihnen bereitstand. Vor dem Marsch durch die Stadt wurden die Gefangenen in Ketten gelegt. Diese reichten aber nicht für alle, darum mußten sich die übrigen gegen seitig mit den Armen einhängen. P. Ernst, der Salzburg schon in besseren Tagen gesehen hatte, kam die jetzige Situation, daß er mit Männern einge hängt durch Salzburg zog, so komisch vor,daß er laut auflachte. Ein alter Polizist, der den Zug der Gefangenen begleiten mußte, trat mit leidsvoll zu ihm hin und sagte: „Sie sind wohl ein Geistlicher, weil Sie in dieser Lage noch lachen können." In welchem Kontrast stand da die Gleichgültigkeit derer, denen das Schicksal von P.Ernst-rein amtsmäßig - hätte nahe gehen sollen. Als ich von Rußland auf Urlaub nach Wien kam, erkundigte ich mich an höherer Stelle innerhalb unsereer Gesellschaft, wie es P. Emst gehe. Man wußte nichts Nähe res, nur seien vor einiger Zeit seine Kleider von Dachau gesandt worden. Auf die Frage, ob man nie versucht hätte, über ihn etwas zu erfahren,wurde mir bedeutet, man wolle nicht unnötig die Aufmerksamkeit auf sich lenken. Dann sei dies auch zwecklos. Da ich der Meinung war, auch in diesem Fall soll ten wir etwas unternehmen, damit wir bei seiner Heimkehr ihm sagen könnten, wir hätten wenigstens versucht, ihn frei zu bekommen. Da erhielt ich die Ant wort: „Er ist selbst schuld. Hätte er nichtso dumm dahergeredet." Nur wenig hat später P. Ernst über seine Leidenszeit in Dachau erzählt. Aber eines blieb mir in Erinnerung: um nicht stumpfsinnig zu werden, trachtete er bei dem täglichen Ausmarsch zur Arbeitim Moor immer wieder mit einem anderen Leidensgefährten eingeteilt zu werden. Er ließ sich dann von diesem dessen Lebenslauf erzählen. Diese Ge spräche gaben ihm viel Anregung,sowie Trost und Kraft zum durchalten. Nach seiner Befreiung aus dem KZ bei Kriegs ende war er kurze Zeit als Kaplan in Kaisermühlen und Mistelbach tätig und wurde dann Pfarrverweser von St. Mar gareten a. Moos. Er starb am 9. Dezem ber 1966''. Von den anfangs genannten Patres ist P. Rudigier Schmidseder am besten mit den zeitbedingten Schwierigkeiten fertig geworden - er mußte weder einrücken, noch erfuhr er sonderliche Belästigung von Seiten der Behörden. FreUich ge schah dies nicht ohne sein Zutun. P. Rudigier Schmidseder wurde am 7. Mai 1909 in Tauflcirchen a.d. Pram/OÖ, ge boren. Am 29. Juni 1939 wurde er im Dom zu Passau zum Priester geweiht. Durch irgendeinen geheimen Kanal konnte er rechtzeitig erfahren, wann Wehrpflichtige mit dem Anfangsbuch staben seines Familiennamens elnrükken mußten. Nahte ein solcher Zeit punkt heran, dann schlug er seinen Wohnsitz im Kolleg eines anderen Wehr bezirks auf. Auf diese Weise pendelte er zwischen Passau und Wien hin und her. Natürlich konnte er diesen Trick nicht endlos fortsetzen. Einmal mußte die Falle zuklappen. Aus Furcht, dies könnte bald geschehen, mied er nach Möglichkeit alle Straßen, auf denen er Bekarmten begegnen könnte, die wahr scheinlich an ihn die Frage richten wür den, warum er noch nicht eingerückt sei. Dies bezog sich vor allem auf den Ortsbereich von Passau, Schärding und Schardenberg. Als er eines Tages in Passau an der Friedhofskirche St. Severin vorbeiging, kam ihm blitzartig der Gedanke, diese Kirche hat keinen Rektor.Sofort eilte er in das Passauer Ordinariat und bat eindringlich,ihn zum Rektor dieser Kir che zu bestellen. Da P. Rudigier als ein Pater vom Kloster Hamberg gut be kannt war, so erfüllte man gerne seine Bitte. Damit war er vom Militärdienst gerettet. Nach dem Krieg war P. Rudigier Schmidseder als erfolgreicher Volksmis sionär vom Kolleg Hamberg aus in Oberösterreich tätig. Von 1959 bis 1968 war er Provinzial der österreichischen Salvatorianerprovinz mit dem Sitz in Wien. Dann kehrte er wieder auf den Hamberg zurück. Dort bekleidete er mehrmals das Amt eines Superiors. We gen Leutemangel erfolgte am 31. August 1982 die Schließung des traditionsrei chen Klosters Hamberg.An Stelle dieses Kollegs wurde eine Pfarre in BraunauNeustadt übernommen'. Da P. Rudigier einen Großteil seines Lebens auf dem Hamberg verbracht hatte, gingen ihm diese Ereignisse sehr nahe. Am 29. August 1984 starb er infolge eines Gehirnschlags im Kranken haus zu Schärding''. Nach Verkauf des Kollegs wurde am 10. März 1985® der letzte Gottesdienst vor der Profanierung der Kapelle gefeiert. Der Rest der ehe maligen Klostergemeinschaft fand Auf nahme in verschiedenen Kollegien"'. Anmerkungen: 'Persönliche Mitteilungen der im Text Genannten. ^ Nekrolog d. österr. Provinz d. Salva torianer(Abk.NS.)V. 14. 2. 1965. 3 NS. V.9.dez. 1966. " S.D.S. Informationes, Nr. 8, Rom 1982. ® NS. V. 29.8. 1984 und Nachruf in d. Wr.Kirchenzeitung v.9. Sept. 1984. ® unterwegs SDS, Österr. Provinz d. Salvatorianer,Rundbrief2/85, Wien. 1938 war mein Weihejahr. Wie die Zeitereignisse damals auf mich wirkten, wurde in folgenden Aufsätzen niederge legt; Waldemar Posch, Als die Heimat aufhörte zu sein... In: Mariahilfer Pfarr bote. 31. Jg., Nr. 1, Wien 1983, S. 2ff. Ders.,1938-zwei Glaubensbekenntnisse während einer Bahnfahrt. In: Beitr. z. Wr. Diöz.-Gesch., 25. Jg., Nr. 1, Wien 1984,S.5 f. 34

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