Beiträge Diözesangesdiichte BE I LAQE DES WIENER DIÖZESANBLATTES Nr. 3(März 1963) 101. Jahrgang Nr.2 Wien, 1. März 1963 4.Jahrgang Inhalt: 6. Gebirgspfarrer Dr. phil. Anton Hrodegh, namhafter n. ö. Prähistoriker. — 7. Mitarbeiter am Kopallik'sdien Regestenwerk: Pfarrer Otto Eigner. — 8. Kleines heiliges Wien: Religiöse Hauszeichen und Pietätsgegenstände. 6. Gebirgspfarrer Dr. phil. Anton Hrodegh, namhafter n. ö,Prähistoriker Dr. Franz Loidl Dem am 28. Oktober 1875 in Schiltern 123 (Vier zigerwald) unweit von Langenlois, Diözese St. Pölten, geborenen und am selben Tag ebenda auf die Namen Anton Bernhard getauften Sohn der alteingesessenen Revierförsterfamilie Hrodegh^) scheinen, seinem spä teren Lebensweg und seinen mehrfachen Geständ nissen nach zu schließen, von kernig-frommen Eltern^) der Keim zum Priestertum und vom idyllischen För sterhaus im Vierzigerwald^) Naturverbundenheit und Heimatliebe schon früh mitgegeben worden zu sein, und zwar beide dann so zusammenwachsend, daß man dieses Leben charakteristisch etwa überschreiben könnte: Leben eines priesterlichen Privatgelehrten. Was ihm sein vom Wald umsäumtes Elternhaus bedeutete, drücken die später von ihm unter dessen Bild geschriebenen Verse Emanuel Geibels aus"^). Von 1886/94 Zögling des Knabenseminars (Ober-)Hollabrunn, maturierte er am 28. Juni 1894 am Staatsgym nasium daselbst mit Auszeichnung, absolvierte als stiller, fleißiger Alumnus die vier Studienjahre an der theologischen Fakultät ebenfalls „mit lauter Eminen zen" \md wurde am 24. Juli 1898 in St. Stephan zum Priester geweiht. In seiner Schwärmerei fürs Gebirge erbat sich der Neomyst seinen ersten Kooperatorposten dorthin und kam tatsächlich mit 1. September 1898 nach Zöbern in der Buckligen Welt, war dann ab 15. Juni 1899 Kooperator in Mariabrunn bei Wien imd ab 17. Mai 1901 zu St. Johann Evangelist, Wien X. Die gleiche Liebe zu den Bergen und überhaupt zur Natur bewog schließ lich Hrodegh, um die materiell wenig einträgliche und von der Lage her schwierige und opferreiche Pfarre Schwarzau im Gebirge zu kompetieren. „Als Sohn des Waldes", schreibt er im Gedenkbuch, „hatte ich Berg und Wald so lieb gewonnen, daß es mich in Wien, der Weltstadt, wo ich durch dreieinhalb Jahre im zehnten Bezirk als Kooperator wirkte, nicht auf die Dauer litt und ich wieder den Bergen zustrebte". Aber gleich bei seiner Übersiedlung am 10. Novem ber 1904 und im ersten Winter bekam er eine Ahnung von den Opfern, die ihm das rauhe Klima allein schon in den zwei Jahrzehnten seines Hierbleibens auferle gen werde. Er beginnt damit im Gedenkbuch: „Als ich von St. Aegyd, der Bahnstation, herüberfuhr, reg nete es in Strömen und zähneklappernd hüllte ich mich in meinen Mantel, aufgeregt wegen des zu erwartenden Empfanges von Seite der Pfarrkinder, wie es eben ein neugebackener Pfarrer von 29 Jahren bei solchen Ge legenheiten zu sein pflegt. Der Empfang gestaltete sich trotz der Ungunst des Wetters jedoch sehr herzlich". „Minder erfreulich aber waren die folgenden Tage, da der Möbeltransport schwierig vonstatten ging, der eine Möbelwagen am Fuße des Ochsensattels stechen blieb und die Möbel unter heftigem Schneegestöber auf Leiterwagen umgeladen werden mußten, so daß die nagelneuen Möbelstücke zum Teil zerschunden imd durch die Nässe vergilbt und verblaßt in Schwarzau ankamen, wo wir bereits zehn Tage ohne das Not wendigste ihrer harrten... Der folgende Winter war nun sehr strenge. Fürchterliche Stürme heulten oft Tag und Nacht grausig in den Schornsteinen und rüt telten gebieterisch an Fenstern und Türen, starkes Schneetreiben baute an vielen Stellen ganze Schnee mauern auf, die Wege glichen Tunnels, das arme Wild, Hirsche wie Rehe, verendeten infolge des Hungers und Entkräftung oder magerten zu Skeletten ab. Viele Vög lein lagen erfroren auf der Schneedecke. Einige Ver sehgänge, die ich zu dieser Zeit hatte, besonders einer zu Fuß ins Preintal, lehrten mich, was es heißt, im Gebirge zu pastoriereh. Das war zu Wien dagegen ein Phäakenleben, was die physische Anstrengung betrifft. Vom November bis März sah ich eine ununterbrochene Schneefläche vor den Fenstern und jetzt noch, Mitte Mai (da ich dies schreibe) glänzt der Schnee vom Obersberg zu uns hernieder. Wie wohl tut es aber dann im Frühling! Grün sind die Auen, die uralten Linden bäume am Kirchbühel droben vor der Friedhofsmauer rüttelt der kosende Frühjahrswind aus der winter lichen Lethargie zu neuem Leben, die Kirschbäume, die wir vor einigen Wochen droben gepflanzt, treiben zur größten Freude junge Knospen und, du lieber Nach folger, der du vielleicht nach Jahren Kirschen davon abpflückst, gedenke auch des Pflanzers, der dann viel leicht lang schon im Grabe ruht"°). Es war kein leichter Seelsorgsposten. Zum Markt mit seinen über 200 Seelen und der dreiklassigen Volksschule mußte über ein halbes Dutzend verstreuter „Rotten"") mit über 1100 Seelen betreut werden, wohin Wege mit zwei, zweieinhalb und sogar dreieinhalb Stunden allein hin zurückzulegen waren. Alle Arbeit lastete auf dem Pfarrer, da die wohl systematische Kaplanstelle unbesetzt war und es fürderhin blieb').
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