Wiener Diözesangeschichte 1960 - 1996

die hohe Bedeutung des Bergheiligtums ganz klar ergeben, denn eine simple Bergkapelle hat niemals eine derartige geradezu überreiche Ausstattung gefun den wie eben unsere Kirche auf dem Leopoldsberg. Die Gründe hiefür sind deutlich genug für jeden objektiven For scher: Es handelte sich doch um ein dynastisches, an die mittelalterliche Ideenwelt und an den Sankt Georgskult, ebenso wie an die traditionelle Vereh rung des großen Babenbergers Leopold III. des Heiligen anknüpfendes Heilig tum, darin gewiß nicht nachstehend der Wiener und Wiener Neustädter Burg, mit eigenen Benefiziaten und Burgvög ten, in unserem Falle noch außerdem Sitz des Oberstjägers und Forstmeisters, dem wichtige Aufgaben des Forst- und Wildschutzes sowie des Wald- und Waidrechtes zustanden und der vom Kaiser Maximilian I. den erblichen Adelsstand erhielt. Wie das Ferdinandeische Kruzifix als Gedenkzeichen an den Sieg der Gegen reformation und die Wiedererrichtung des Heiligtums (an Stelle der 1529 zer störten Burgkapelle) durch Kaiser Leo pold I. als Dankessymbol.für das Erlö schen der Pest im Jahre 1679 und die nach dem zweiten Türkenkrieg durchge führte Restaurierung und Erweiterung der Bergkirche als würdiges monumen tales Denkmal des von dort ausgegange nen Entsatzes Wiens und der Rettung Österreichs gewertet werden muß, so bedeutet die Ausschmückung derselben mit den marianischen Bildern und Pla stiken, Juwelen, Paramenten sakralen Gefäßen u. a. gottesdienstlichen Ge brauchsgegenständen (häufig mit kaiser lichen Wappen und Adler versehen)eine bevorzugte Rolle, die auch in den unter dem Protektorate der Kaiserin stehen den Prozessionen auf diesen Berg - unter eigens vorgeschriebenen feierli chen Zeremoniell - und in dem großen Interesse zum Ausdruck kam,das Kaise rin Maria Theresia an dieser Stätte nahm...-' Wiederholt haben Eßling und Stopfen reuth um einen Priester für ihre verwai sten Kirchen gebeten, jedoch ohne Er folg.-"' Johann Adam Mayer, K. K. Rath und geheimer Zahlmeister, Schloßhaupt mann auf dem Leopoldsberg, hat die Kapelle in Eßling schon vor einiger Zeit auf eigene Kosten restaurieren lassen. Dies berichtet K. R. und Dechant von Orth an das Passauische Konsistorium Ende Februar 1783.-'' Dieser Schloßhauptmann schlug am 9. November 1782 dem Kaiser die Überset zung des k. k. Hofkaplansbenefiziaten Philipp Jakob Obermayer nach Eßling und die des dierischen Benefiziaten An dreas Jakob Obermayer(74a)nach Stop fenreuth vor. Prompt reagierte der Kai ser und sprach bereits am 14^November die Versetzung aus.-" Damit war das Ende für die k. k. Leopoldi-Schloßkapelle gekommen. Die beiden Seelsorger scheinen sich fest widersetzt zu haben, wie aus Berichten so nebenbei zu ent nehmen ist, aber schließlich mußten sie dem Zwang weichen. Über das Schicksal der Kirche in diesen Tagen liegt ein geheimnisvoller Schleier. Bis jetzt wur den keine näheren Angaben in keinem der durchsuchten Archive gefunden. Während von der St. Josephskirche am Josephsberg (Kahlenberg) der Tag der Exsecration, die dabei Anwesenden und das weitere Schicksal des Kircheninven tars feststeht, ist über das Schicksal der Leopoldi Schloßkapelle nichts zu finden. In der Literatur wird allgemein das Jahr 1784 für. die Entweihung der Kirche angegeben. Das widerspricht jedoch der damals geübten Praxis. Man hat -die Kirchen immer möglichst bald nach deren Aufhebung exsekrieren lassen, damit das Kircheninventar ja recht schnell verkauft werden konnte. Bereits am 24. 11. 782 hat Regierungsrat MATT ein Dekret ex offo an die N.Ö. CAAL Administration Item an die zwey geistli chen benefiziaten auf dem Leopoldiberg Item an den Herrn Hofrath Franz Edler von Doblhof-Dier -Item das Erzbischöf liche Consistoriium (ddo zu 9bris 782 ad N. 399 in geistlichen Sachen, expedit. den 27ten November 1782) abgehen las sen. Darin wird eine Meldung über die erfolgte Übersetzung der Benefiziaten verlangt, um sodann wegen exsecrirung derselben Kirche das weitere einleiten zu können. Die CAAL Administration wurde in diesem Dekret ex offo aufge fordert, die Gebäude und Grundstücke des Leopoldiberges seiner Zeit zu über nehmen. Dieser Text weist darauf hin, daß die Exsekrierung bald erfolgt sein muß. Die laut Inventar vom Jänner 1780 gut und wertvoll ausgestattete Kirche wurde richtig geplündert. Aber in kei nem der vielen Recepisse von neuerrich teten Pfarren oder Lokalkaplaneien oder sonstigen armen Kirchen und Kapellen scheint auch nur ein einziges Mal die Kirche am Leopoldsberg auf. Auch nicht in der Zentralsammelstelle, dem sog. Depositorio, ist ein Stück der Bergkir che zu finden. Der für Eßling zuständige Pfarrer Johann Michael Ransbäck schildert in seinem Bericht die dem Hl. Josef ge weihte Schloßkapelle, die von jetzt an der ehemaligen k. k. Hofkaplansbenefiziat Philipp Jakob öbermayer betreuen sollte, in einem sehr erbärmlichen Zu stand. In diesem Bericht schrieb er 14mal ,,hievon nichts vorhanden". Die Summe des Vermögens bezifferte er mit „per fl nichts".-^ „Was die Paramente in Eßling anbe langt", schrieb Dechant Robl an das passauische Konsistorium, „ist die Ca pelle in Eßling indessen zur höchsten Nothdurft, das Kirchl zu Stopfenraith aber hinlänglich versehen. Nebst deme das beyden Benefiziaten von der kaiyserlich Königlichen Witschafts= Direktion /:wie ich höre:/ angetragen wurde, das Sie alles, was ihnen hirinfahls abgängig, von Leopoldiberg herab nehmen können."-" Im Inventarium von Eßling, das von Konsistorialrath, Dechant am Marchfeld neben der Donau und Pfarrer von Orth, Ludwig Röbel, sowie von Franz Ludwig Novacek, Pfarrer von Groß Enzersdorf und von Franz Gering, investiertem Landesfürstlichen Benefiziaten, unter schrieben ist, finden sich unter den Kirchengerätschaften 2 auf den Leopol diberg hinweisende „Andenken": ein Altar mit dem Bild des heiligen Leopold ohne Tabernakel und ein Bruststück des hl. Leopold von Holz, vergöltet, in des sen Mitte ein obal Silbernes Capserl mit dem Partikel des hl. Leopolds ohne Audendic mit weggerissener Petschaft.'" Bei diesem Reliquiar dürfte es sich um die im Inventar/Jänner 1780 erwähnte ,,Particula ex Ossibus St. Leopoldi Marchionis, in Silber gefaßt, die aus der k. k. Schatzkammer heraufgegeben worden ist, die dem Volk zum Küssen gereicht wurde", handeln. Ob mit dem Leopoldsbild „das Altar Blat am Hochaltar, wo der Bildnuß des Heiligen Leopold Marggrafen von Öster reich pranget" gemeint ist? Wahrschein lich nicht. Da man den Hochaltar ir gendwohin transferiert hat, wird man sicher das entsprechend große Altarblatt davon nicht weggenommen haben. Ein Hochaltar ohne Altarblatt wäre ziemlich wertlos gewesen. Die Kirche wurde auf alle Fälle radi kal geplündert. In der Schätzungsbe schreibung vom 12. Mai 1786 erscheint das „samentliche von guten Mauerzeich aufgeführte Gebäude samt der Kirche, welches durch drei Werkhverständige Meister wohl in Augenschein genom men, mit einem Schätzwerk von 2757 Gulden und 25 Kreutzern auf. Das ganze Kirchen- und Sakristeiinventar wurde auf nur mehr 11 Gulden und 3 Kreutzer geschätzt, ein Zeichen, daß gründlich ausgeräumt wurde. Einige Kirchen bänke und Schemmel sind in der St. Josefskirche am Josephsberg gelandet, als diese zur Lokalkaplanei eingerichtet wurde.Der Wald wurde mit 3210 Gulden geschätzt. Summa Summarum: Gebäude, Kirche, Wald plus Inventar von Hfl 33X=597911,57 Xr." Franz de Paula Gaheis schildert seine Eindrücke von der Kirche im Jahre 1799, also 16 Jahre nach der Schließung durch Joseph II., in seinen „Wanderungen und Spazierfahrten in die Gegenden um Wien". Er holt etwas weiter aus und erzählt kurz die Geschichte... Im Jahre 1679, .,da wegen der großen Pest, die in Wien herrschte, der Hofsich endlich entfernen mußte, verfügte sich Kaiser Leopold I. den 9. August auf diesen Berg, und um da seinem Gelübde zufolge zu einer neuen Kapelle im alten Schloß des heiligen Leopold den ersten Stein zu legen". Im Jahre 1683. da die türkische Armee vor Wien rückte, befand sich der kaiser liche Hof auf seiner Flucht eben in Korneuburg im Nachtlager, als dießseits der Donau die vorausstreifenden Tarta ren schon bis auf diesen Berg vorge rückt waren und die vor kurzen neuer baute St. Leopoldskirche nebst dem gegenüberliegenden Kloster der Kamaldulenser in Brand steckten. Als aber die christliche Armee nach einigen Monathen zum Entsatz heranrückte, hatten die Kaiserlichen gerade um Mitternacht diese Spitze des Berges erstiegen, und die durch alte Mauern sowohl, als den 25

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