Wiener Diözesangeschichte 1960 - 1996

einen Vertrag zur Lieferung einer Orgel für Kaisermühlen. Der Kirchenbauverein versagte diesem Vertrag seine Zu stimmung. Damit aber war die Sache nicht erledigt. Die Firma Rieger konnte den Beweis erbringen, daß P. Bezdek den Vertrag unterschrieben habe. Aller dings nicht als Kassier im Namen des Vereins, sondern im Namen des Kollegs Kaisermühlen als Superior-Stellvertreter. Davon aber hatte niemand im Kol leg eine Ahnung. Aus Protest gegen das eigenmächtige Vorgehen P. Matthias Bezdeks legte Edlinger, der Präsident des Kirchenbauvereins,sein Amt nieder. P. Bezdek schied aus dem Verein und gründete nach dem Vorbild der Redemptoristen in Hernais den „Verein zur inneren Ausstattung der Herz-JesuKirche". Seine Aufgabe war: Mittel für die Orgel und Paramente aufzubringen. In einem tschechisch geschriebenen Rundbrief wandte er sich an seine Landsleute in Wien um Spenden für diese Kirche, die ja nicht nur ein Ort ihrer Gottesdienste, sondern auch einer für die Erhaltung ihrer Muttersprache sei.'•'* Letzteres erregte den Zorn deutschnationaler Kreise. Besonders tat sich hier die Ostdeutsche Rundschau hervor, die in ihrer Haltung den anderen Völkern der Monarchie, speziell den Slawen, feindlich gegenüberstand."' Sie schrieb: „Slawische Vorstöße in deutschen Gauen. Wiener Kirchen als tschechische Nationalhäuser." Von der Stadt Wien,in deren urdeutschen Bauten ein Ulrich Megerle gepredigt, versende gegenwär tig „ein gewisser P. Matej Bezdek, der als tschechischer Prediger in Wien und Salvatorianerpater zeichnet, Bettelbriefe behufs Spenden zur Vollendung einer tschechischen Kirche im zweiten Bezirk. „Es sei nichts Neues, daß Wien mit tschechischen Kirchen beglückt und mit tschechischen Gottesdiensten über schwemmt werde, aber aus diesen Bet telbriefen werden die wahren Beweg gründe des P. Matej Bezdek offenbar. Die Kirche solle nicht nur ein Ort des Gottesdienstes sein, sondern auch ein Ort, wo das tschechische Wiener Volk seine Muttersprache erhalte und sich also nicht vollständig entnationali siere."" Der Pfarrverweser von Kaiser mühlen,P.Theophilus Muth, wurde von diesen Presseangriffen peinlich berührt und meinte, in seelsorglicher Hinsicht könne dadurch viel verdorben werden. „P. Matthias schreibt man nationale Motive zu, und wir hatten in den letzten Jahren mit Rücksicht darauf schon die Ansätze einer deutschradikalen Partei und Los-von-Rom-Bewegung."'" P. Matthias Bezdek beherrschte in Wort und Schrift hervorragend die deut sche Sprache. Als er sich um den Posten eines Bürgerschulkatecheten bewarb, fürchtete er, sein Eintreten für die Tschechen könnte ihm jetzt Schwierig keiten bereiten. Deshalb wandte er sich an seinen Provinzial, um Ausstellung eines Studienzeugnisses"',fügte aber die Bemerkung bei: „Bitte aber ganz beson ders in diesem Zeugnis hervorzugeben, daß ich nur deutsche Anstalten besucht habe." Er zählt dabei seinen Studienlauf von 1881 bis 1895 auf: die deutsche Volksschule in Bodenstadt bei Mähr. Weißkirchen, das deutsche Gymnasium in Weißkirchen... und dann habe er in Rom Philosophie und Theologie studiert, „also den ganzen Kurs absolviert".-" Seine Bewerbung wurde unterstützt durch eine gedruckte „Resolution der christlichen Eltern der Donaustadt".-' Mit Freude wurde zur Kenntnis genom men, daß P. Matthias Bezdek sich um die ausgeschriebene definitive Stelle als Religionslehrer am Sterneckplatz be worben habe. Durch sein elfjähriges Wirken als Katechet in der Donaustadt habe er sich das Vertrauen aller erwor ben. Er sei ein Vater der armen und kränklichen Kinder und sorge für unent geltlichen Landaufenthalt derselben. P. Matthias Bezdek blieb bis zu sei nem Lebensende am 3. März 1919 in Käisermühlen. Er versah seinen Dienst als Kooperator, Religionslehrer und Di rektor des III. Ordens des hl.Franziskus, böhmische Abteilung. Allgemeine Be wunderung fand sein hervorragendes Rednertalent und seine große Geschick lichkeit, mit der er Probleme der ver schiedensten Art löste. In der seelsorglichen Betreuung der Tschechen in Kaisermühlen hatte F. Matthias Bezdek in der Person des P. Facundus Peterek einen tüchtigen Mit arbeiter. Am 23. April 1880 zu Hultschin in der Erzdiözese Olmütz geboren, trat er am 20. April 1894 in die Gesellschaft ein. Am 28. Oktober 1902 wurde er in Rom zum Priester geweiht. Zunächst war er Rektor der Scholastiker des Mutterhauses in Rom und wurde dann nach Kaisermühlen versetzt.^" P. Theophilus Muth, seit 1909 erster Pfarrverweser von Kaisermühlen, schätzte P. Facundus Peterek wegen seiner Distanz von allem Nationalitäten hader hoch ein. Als P. Facundus Gefahr lief, von Kaisermühlen versetzt zu wer den, setzte er sich energisch für ihn ein. Das ruhige und vornehme Wesen des P. Facundus fand bei den Tschechen viel Sympathie. Darum meinte P. Theophi lus: „Die Böhmen können hier in seel sorglicher Hinsicht nicht ignoriert wer den."^' P. Facundus Peterek wurde am 21. September 1909 Superior des Kolleges Kaisermühlen. Hier tat sich für ihn ein reiches Betätigungsfeld auf als Kate chet, Präses der Marianischen Männer kongregation zu Stadlau, des katholi schen Arbeitervereines zu Donaustadt und des Vereines zur Erbauung und Erhaltung des Marienkollegs Kaiser mühlen.-"' Höhererseits trug man sich mit dem Gedanken, P. Facundus als Pfarrverweser von Kaisermühlen einzusetzen. Er antwortete auf diese Bestrebungen:„Mir ist das Pfarrerwerden höchst zuwi der."^" Um diese Ablehnung zu verste hen, muß man sich auch die Lebensbe dingungen in Kaisermühlen vor Augen halten, die P. Facundus dort vorfand. P. Theophil Muth hatte sich vor der k. k. Statthalterei protokollarisch verpflich tet, die Pfarre Kaisermühlen nur dann zu übernehmen, wenn den dortigen Salvatorianern eine jährliche Subvention von 4500 Kronen aus öffentlichen Mit teln zur Verfügung gestellt würde. Schon 1903 hatte er außer einer entspre chenden Subvention verlangt,„daß kein Mitglied der Gesellschaft zur unentgelt lichen Erteilung des Religionsunterrich tes in den unteren Volksschulklassen verpflichtet würde". War also der Posten eines Pfarrverwe sers in Kaisermühlen durchaus nicht begehrenswert, so war es um so mehr der eines definitiv angestellten Bürger schulkatecheten. Im Interesse, die Mit glieder in einem strengen Abhängig keitsverhältnis den Obern gegenüber zu halten, sah man es nicht gerne, wenn einzelne Mitglieder die Möglichkeit hat ten, sich materiell unabhängig zu ma chen, Ein Weltpriester meinte damals einem solchen Pater gegenüber: „Jetzt werden Sie bald aus ihrem Orden aus treten." P. Facundus Peterek gab als Grund seiner Bewerbung um zwei aus geschriebene Stellen für Bürgerschul katecheten an, er würde Geld erhalten, um die Schulden des Kollegs leichter abzahlen zu können.^" Als Superior des Kollegs dürfte er sich während des Krieges freiwillig zum Mili tärdienst gemeldet haben. Am 28. Sep tember 1915 rückte er als k. k.Feldkurat ein^". In Budapest forderten ihn seine Vorgesetzten auf, dahin zu wirken, daß in Neupest ein Salvatorianerkolleg ge gründet werde. In diesem Sinn wollte man auch beim Bischof von Waitzen,zu dessen Diözese Neupest damals gehörte, tätig sein. Die Verhandlungen verliefen im Sand, da Facundus ab 1. April 1916 beim Feldsuperiorat Theresienfeld in Böhmen seinen Dienst antreten mußte. Am 4. April 1918 wurde P. Facundus zum Reserve-Spital Velden am See transferiert. Dankbar gedenkt aus die sem Anlaß Oberstleutnant Teufel „sei ner hervorragenden Tätigkeit in allen Seelsorgsangelegenheiten". Als Leiter des Soldatenheimes habe er sich unver gängliche Verdienste erworben."' Am 8. Oktober konnte P. Facundus seinem Provinzial berichten, er sei nun vom Militärdienst enthoben."'^ Noch vor seinem Abschied vom Mili tärdienst wurde ihrri der Vorschlag un terbreitet, erneut Superior des Kollegs Kaisermühlen zu werden. P. Facundus äußerte seine Bedenken: „Bin ich jetzt doch zu sehr aus der Kommunität her ausgerissen, zu sehr uneingeweiht und vergessen, um das nötige Verständnis und Interesse für wichtige Fragen und Beratungen... aufzubringen." Er nahm dann doch dieses Amt an und war - bedingt durch die Zeitereignisse - der letzte Tscheche, der als Superior einer Niederlassung in Österreich vorstand. Er wurde, als die Habsburger-Monarchie zerfiel und 1924 die tschechische Provinz errichtet wurde,ihr erster Provinzial."' 1933 wurde P.Facundus Peterek beim 6. Generalkapitel der Salvatorianer in Rom zum ersten Generalkonsuitor ge wählt. Als am 12. Mai 1945 der Ordens general der Salvatorianer, P. Pancratius Pfeiffer bei einem Verkehrsunfall tödlich verunglückte, lastete auf P. Facundus Peterek in seiner Eigenschaft als Gene ralvikar unter schwierigsten Verhältnis12

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