anderen Orten der Nachbarschaft sah er Franzosen. Jeden Augenblick konnte das Schreckliche auch über Josephsdorf hereinbrechen. Kein Wunder, daß vor Aufregung und Angst ihm der Appetit vergangen war.In der doch noch kalten Nacht im Mai hatte er sich im Wald verkühlt. Halsschmerzen machten ihm zu schaffen. Für einige Stunden mußte er sich ins Bett legen, Gegen 14 Uhr kamen die ersten französischen Plünde rer an. Wüteriche nennt sie der Pfarrer. Rücksichtslos durchstöberten sie die Häuser der Bewohner, rissen alles auf, nahmen mit, was ihnen gefiel. Was ver schlossen war, wurde mit Gewalt aufge brochen oder mit den Gewehrkolben eingeschlagen. Kaum war so ein Trupp von Plünderern fort, kam schon wieder eine neue Welle und wühlte in dem herum, was die anderen zurückgelassen hatten. Im Pfarrhof dasselbe Schauspiel wie in allen anderen Häusern des Dor fes. Natürlich blieb auch die Kirche nicht verschont. Dem Pfarrer wurden die Kirchenschlüssel abverlangt. Er gab sie dem Schneider,damit er den Franzo sen aufsperren solle. Diese aber hatten gar nicht die Geduld,solange zu warten, sondern sprengten einfach die Kirchen tür auf, nahmen die Meßkleider, Kir chenwäsche und Altarteppiche, Kelche, Monstranze und Ciborien weg. Alles wurde in einem Sack verstaut und fort geschleppt. Aber schon war wieder der nächste Räubertrupp eingelangt. Da sie nicht mehr allzuviel vorfanden, was für sie einen Wert gehabt hätte, ließen sie ihren Unmut darüber an den Bewoh nern aus und mißhandelten sie. So ging es fort bis zum Abend. Eine Bande löste die andere ab. Endlich war es finster geworden. Nun atmeten die Leute ein wenig aufund hofften, alles überstanden und wenigstens das nackte Leben geret tet zu haben. Sie kamen zusammen und jeder erzählte, wie es ihm ergangen, was er erlebt und erlitten hatte. Da kamen besoffene Franzosen an und nahmen ihnen noch den Rest weg, den sie hat ten. Dem Pfarrer nahmen sie Rock, Schal, Weste und Stiefel weg und jagten ihn aus dem Haus. Alle flüchteten durcheinander in die verschiedenen Richtungen des Waldes; Sie waren jetzt nicht mehr um ihr Hab und Gut besorgt, das sie ohnehin schon verloren hatten, sondern wollten nur mehr das einzige, was sie hatten,ihr nacktes Leben,retten. Unverständlich allerdings bleibt, wie der sonst so umsichtige Pfarrer es unter lassen hat, Monstranze, Ciborien und Kelche nicht rechtzeitig in Sicherheit zu bringen. In seiner Aufl-egung und Kopf losigkeit wird er wahrscheinlich gar nicht daran gedacht haben, sie in der Kirchengruft unter den Gebeinen der Kamaldulenser zu verstecken. Dorthin wagte sich kein Plünderer. Im Wald jammerte der Schneidermei ster, der zugleich auch Hausmeister beim Fürsten de Ligne war, die Franzo sen hätten sein Weib zurückbehalten.Er befürchtete das Ärgste. Dies ließ ihm keine Ruhe. So entschloß sich der Herr Pfarrer, mit dem Schneider nach Jo sephsdorf zurückzugehen um zu helfen, was sich eben in so einer Situation helfen läßt. Als sie zur Schneiderwoh nung, Haus Nr. 14, kamen, trafen sie drei Franzosen -„Lotterbuben, Räuber, Mordbrenner und Galgendiebe" nannte sie der Pfarrer -, die sofort Licht haben wollten. In der Aufregung konnte der Schneider gar kein Feuer schlagen. In der Wohnung stand alles köpf, das Feuer2^eug war unauffindbar. Da stach ihn gleich ein Soldat mit dem Bajonett in den Schenkel, so daß der Schneider zusammenklappte. Der Pfarrer, nur mit Schlafhaube, Schlafrock und Strümpfen bekleidet - alles andere hatten ihm ja die Franzosen weggenommen hatte natürlich auch kein Feuer bei sich. Er wollte aber ein Feuer verschaffen. Aber noch ehe sich der Priester versah, schlug ihm so ein Plünderer mit dem Bajonett aufden Daumen und fügte ihm eine Wunde zu, deren Abheilung dann noch mehrere Monate in Anspruch nahm. Der Pfarrer hat sich ja bereit erklärt, Licht zu verschaffen. Er bat um ein wenig Geduld. Dafür bekam er Stockhiebe, denn die Franzosen hatten keine Geduld. Sie setzten ihm auch die Flinte an die Brust, um schnell ein Feuer zu erzwingen. Ja, man drohte ihn zu erschießen, wenn er kein Licht ver schaffe. Nach Feuer schreiend ging er mit den Banditen durchs Dorf. Ver ständlich, daß sich kein Mensch rührte, denn alle waren ja in Panikstimmung und von Angst erfaßt. Keiner wollte die Tür aufmachen. Wo sie vorbeikamen, schlugen sie die Fenster ein. Endlich fand sich ein bereitwilliger Helfer. Ein ehemaliger Bergmann und Gerichtsdie ner - sein Name konnte noch nicht eruiert und damit auch das Wohnhaus nicht identifiziert werden - hatte den Mut, das Fenster zu öffnen. Er zündete den Plünderern ein Wachsstöckl an,das sie aus der Kirche gestohlen hatten. Nun hatten sie Licht. Der Pfarrer aber machte sich schnell aus dem Staub und floh wieder in den Wald. Alles tat ihm weh. Er wußte nicht, wie er auftreten sollte vor lauter Schmerzen. In seiner Nähe war der Maurer vom Berg. Vom Kahlenbergerdörfel herauf hörte man das Gewinsel von Kindern. Ihre Eltern versuchten, sie mit Gezische zu beruhigen. Jenseits der Donau sah er von seinem Standort aus Massen der österreichi schen Armee. Etwa einhundert Schritte rechts von ihm, also noch in besorgnis erregender Nähe,loderte das Wachfeuer der französischen Armee, die im Wein gebirge bis an den Fuß des Dörfl gela gert waren. Die Stimmen der Soldaten drangen an sein Ohr.In der Mitte sah er das Feuer der belagerten Reichshaupt stadt Wien. Der Pfarrer war richtig durchfroren und wollte heim. So klet terte er den Abhang hinauf und wollte durch das Gartentürl, das vom Wald her einen Zugang in den Garten des Prinzen de Ligne hatte, in diesen gelangen und von hier aus in seinen Pfarrhof. Im Lusthaus,in dem er schon einen Teil der vergangenen Nacht verbrachte, wollte er sich ein wenig erwärmen. Dieses Gartentürl aber war jetzt verschlossen. So mußte er über die Mauer klettern, um in den Pfarrhof zu gelangen. Einen Greuel der Verwüstung fand er dort vor. Sein Gartenhaus,das er vom Tischler zu Klostemeuburg erst vor zwei Jahren aufhiöbeln ließ, war geplündert worden. Bis zum Morgen verbrachte er drin die restlichen Stunden. Erst in der Früh ging er in seine Wohnung. Dort fand er Hut und Man telkragen, auf dem Boden liegend, vor. Die Franzosen hatten ihm ja beides weggenommen gehabt, aber dann doch wieder weggeworfen. Wahrscheinlich war es ihnen schon zu schlecht. Mit diesen bekleidet ging der Pfarrer wieder in den Wald.Da sah er, wie die österrei chischen Soldaten über die Taborbrücke marschierten und hinter sich die Brücke abbrachen. Thomas Spirovsky, der Schullehrer vom Dorf, der mit der Wirtschafterin des Pfarrers auf der gegenüberliegenden Seite des Waldes kampiert hatte, suchteden Pfarrer zwischen 7 und 8Uhr früh auf. Vom Schulfux erfuhr der Pfarrer, daß der Knecht vom Traiteur gerade aus Weidling gekommen wäre mit der Nach richt, dort gäbe es noch keine Franzo sen. Dies veranlagte den Pfarrer, mit seiner Wirtschafterin nach Weidling zu gehen. Kaum waren sie in Weidling angelangt, da kamen auch schon die französischen Kavalleristen über den steilen Berghang angeritten und bogen ein in Richtung Pfarrhof. Dort begehrten sie Futter für ihre Pferde. Somit fühlte sich Herr Frigdian auch in Weidling nicht mehr sicher und marschierte wei ter in Richtung Stift Klosterneuburg. Gegen 11 Uhr trafen sie dort ein. In der Prälatur begegnete er dem Herrn Stiftsdechant im Gespräch mit einigen Herrn und Franzosen. Da kam gerade General Dumont aus der Prälatur heraus. Frig dian wurde ihm vorgestellt und seine Erlebnisse von Josephsdorf erzählt. Von jetzt an blieb der letzte Josephsdorfer Pfarrer im Stift. Herr Stiftsdechant ver sorgte ihn mit Kleidungsstücken. Sicher wird auch seine Wirtschafterin, die ihn doch ins Stift begleitet hatte, auch einen Unterschlupf in demselben gefunden haben. Herr Frigdian berichtet darüber nichts mehr. Als dann der größte Wirbel vorbei war, zog es den Pfarrer auf den Berg, um zu sehen, was aus Kirche und Pfarr hofgeworden war.Im Pfarrhaus fand er alles aufgebrochen und durchwühlt vor. Die Bücher und an die 200 kaputte Blumentöpfe lagen auf dem Boden herum. Alles, was er vergraben hatte, war spurlos verschwunden. Wer die Schatzgräber waren, Franzo sen oder Einheimische, das konnte der Pfarrer sicher nie erfahren. Eintausend vierhundert bis eintausendfünfhundert Gulden war der Schaden,den er persön lich erlitten hat. Dazu kam noch der der Kirche, den er rdcht angibt. Nach und nach ließ er auf eigene Kosten den Rest seiner einst so schönen Einrichtung, die ihm so viel Freude machte, ins Stift bringen. Das kostete ihm noch weitere 50 Gulden. Im Stift war er auch irgend wie im Wege. Von einem Zimmer mußte er ins andere ziehen.So war er froh, als ihn sein Herr Prälat zum Pfarrer von Götzendorf ernannte. Solange er noch 45
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