Professor Franz Martin Schindler (1847-1922) Zierde der Wiener katholisch-theologi schen Fakultät als Moraltheologe und Sozialethiker, Mitbegründer der Leoge sellschaft, Seele der regelmäßigen Dis kussionsabende der Mitglieder dieser Gesellschaft, der sog. „Entenabende", Progammatiker und Mentor der jungen christlich-sozialen Partei und der ,3eichspost", Lehrer und Anreger Bun deskanzlers Prälat Ignaz Seipel, ge treuer Freund Professors Albert M.Ehrhard usw. (LfThuK.) hat außer dem Lebensbild seines Freundes und Vereh rers Chefredakteurs Friedrich Funder („Aufbruch zur christlichen Sozialre form im Sinne der päpstlichen Rund schreiben", Wien 1953) usw. noch keine umfassende wissenschaftliche Biogra phie, weshalb auf den interessanten Artikel von Kurt A. Huber in den „Kö nigsteiner Studien" (Jg. 25 der „König steiner Blätter", Heft I u. n 1979, S.161-184) mit dem Titel „Franz M. Schindler - ein Reformkatholik?" auf merksam gemacht sei. Dr.F.L. Joseph Andorfer-59 Jahre Seeienhirte in Schrattenberg(1825-1884) Einen ehrwürdigen Priestergreis der Wiener Erzdiözese hat Gott am 6. Juli 1884 zu sich berufen - den Pfarrer Jo seph Andorfer. Er war im Jahre 1796 in Walterskirchen geboren, im Jahre 1819 zum Priester geweiht. Ein Jahr wirkte er als Kooperator in Aspersdorf und dann als solcher in seinem Geburtsort Walterskirchen, von wo er im Jahre 1825 als Pfarrer nach Schrattenberg kam und in dieser Eigenschaft bis zu seinem Tod verblieb. Ein unbescholtenes Leben von nahezu 89 Jahren deckt sein einfaches Grab am Ortsfriedhof von Schrattenberg. An die sem Grabe standen alle jene, denen er durch sechzig Jahre ein hochgeachteter Seelenführer gewesen. Wie groß die Liebe und Verehrung war, die er im Leben genoß, das zeigte sich bei seinem Leichenbegängnis. Niemand hat seiner vergessen; an die zwanzig Priester gaben ihrem ehrwürdigen Mitbruder das Ge leit. Die Bewohner des Ortes und der Filiale ließen sich durch die zujener Zeit so sehr drängenden Arbeiten keines wegs abhalten, ihrem verstorbenen geistlichen Vater den letzten Tribut der Liebe und Dankbarkeit zu zollen. Und wahrlich, der Verewigte hat diese Liebe auch verdient, haben ja die Glieder der beiden Gemeinden dem Seligen den ersprießlichsten Unterricht, ihre sittli che Erziehung zu verdanken und wuß ten gar wohl, wie sehr er im Leben sie geliebt hatte; war es ja ein ölTentliches Geheimnis, daß er einige Male eine wohlverdiente Befördening, die man ihm während seines langjährigen Wir kens hier zugedacht hatte, entschieden abwies, um nur bei der ihm lieb gewor denen Gemeinde fortwirken zu können. Während seiner Amtstätigkeit in Schrat tenberg hat dreimal die Cholera im Orte fürchterlich gewütet, und die Leute rüh men es dem seligen Pfarrer offen nach, daß er und seine Kooperatoren, wenn die Kranken selbst von ihren nächsten Verwandten verlassen, im größten Elend schmachteten, die alleinigen Tröster und Freunde der Leidenden gewesen seien, von einem Hause zum anderen wandernd,Trost und materielle Hilfe spendend. Überhaupt ging er sel ten von einem bedürftigen Kranken fort, ohne nachgesehen zu haben, wo es fehle.Es wurden dann die eingesottenen Früchte zu Hause geplündert, und ein Glas nach dem anderen wanderte heim lich mit ihm ans Bett des Kranken. Einmal hatte er bei einem Kranken großen Mangel an Leibwäsche bemerkt. Da er sich gerade einige neue Stücke davon zum eigenen Gebrauch ange schaßt hatte, trug er sie selbst dem armen Kranken hin. Seiner Schwester erwiderte er aufden Vorwurf,warum er nicht die abgetragene Wäsche ver schenkt habe: „Ja, wie wäre denn dem Manne mit der alten Wäsche geholfen gewesen? Flicke mir nur meine ge brauchte wieder zusammen,ich stamme ohnehin aus dem vorigen Jahrhundert und habe nicht mehr so viele Bedürf nisse, wie die Leute aus der neuen Zeit." Er bewies sich stets als besonderer Freund der Schule und lebte mit den Lehrern immerim besten Einvenehmen. Wenngleich ein Kooperator ihm beigege ben war, so unterließ er es bis in seine spätesten Jahre nicht, den Religionsun terricht wenigstens einzelnen Kindern mit dem besten Erfolg zu erteilen. Die schwächsten Erstkommunikanten und Erstbeichtenden behielt er sich immer selbst zum Unterricht vor, damit der Koopterator mit den übrigen leichter weiter käme.Den Kindern kam er stets mit der Freundlichkeit eines Vaters ent gegen, den schüchternen suchte er „durch den Magen ins Herz zu steigen" und sie an sich zu locken. Zur Zeit der Obstreife pflegte er stets Kirschen, Zwetschken, Birnen u. dgl. bei sich zu tragen und gelegentlich an die ihm begegnenden Kleinen auszuteilen, wobei er herzliche Worte(heiter und ernst)mit ihnen wechselte. Durch seine Frömmig keit gab er den an seiner Seite stehen den Kooperatoren und den ihm anver trauten Gläubigen stets das erbaulichste Beispiel. In früheren Jahren besuchte er tagtäglich das Sanctissimum und be sorgte die Erneuerung des ewigen Lichtes an jedem Abend selbst; wenn ihn später die Gebrechlichkeit seines hohen Alters an dieser Visitatio hin derte,nahm er in seinem Zimmer,gegen das Sanctissimum in der Kirche gewen det, täglich die Adoratio pünktlich zur gewohnten Stunde vor. Seine besondere Andacht zum allerheiligsten Sakrament des Altares zeigte er noch auf seinem Sterbebette.In seiner dreiwöchentlichen Krankheit empfing er tagtäglich die heilige Kommunion mit rührender An dacht. Ja, wie der Mensch lebt, so stirbt er meist auch. Das zeigte sich beim Pfarrer Andorfer. Als Mitglied des hier beste henden Rosenkranzvereines pflegte er immer das ihm zufallende Pensum zur bestimmten Tagesstunde zu verrichten, wie er denn überhaupt in seiner Tages ordnung die strengste Genauigkeit beob achtete. Da er in seiner Krankheit zu schwach, nicht mehr selbst beten konnte, mußte das freie Hauspersonal zur bestimmten Stunde in seinem Zim mer sich versammeln und den Rosen kranz gemeinschafllich laut beten. Mor gen- und Abendgebet wurde während der ganzen Zeit seiner Krankheit vom gesamten Hauspersonal in seinem Kran kenzimmer verrichtet. Wer Gott wahr haft liebt, liebt auch seinen Nächsten in echt christlichem Geiste. So war's auch bei Andorfer. Er war stets Vater der Armen, Helfer und Unterstützer der Bedrängten, und es wird wenige Ein wohner geben, die ihm nicht einen gu ten Rat oder materielle Unterstützungen zu verdanken hätten.„In Mißjahren und nach Feuersbrünsten war er unser Ret ter, ein helfender Engel", so erzählte mir einer mit nassen Augen einige Tage nach dem Tode des Pfarrers. Besonders während der feindlichen Invasion im Jahre 1866 hat er, nachdem die Einwoh ner vielfach ihre Habe verloren hatten, mit der größten Opferwiiligkeit und Klugheit alle Störungen und Mißhellig keiten vom Ort abgewendet. Seinen Kooperatoren war er stets ein liebevoller Vater und auf ihr geistiges und leibliches Wohl bedacht. Aufseinem Sterbebett erkundigte er sich noch, ob sein Kooperator gut verpflegt werde. Der Kooperator besaß sein vollstes Ver trauen und er wurde in alles eingeweiht, was auch gerade nicht direkt aufKirche und Seelsorge sich bezog, wenn er nur voraussetzte, daß es ihm irgendwie von Nutzen sein konnte. Einem neugeweih ten Priester seines Pfarrortes gab er von ihm selbst, im Alter von 84 Jahren verfaßte, priesterliche Lebensregeln un ter dem Titel „Die Pastoral in nuce" als Vademecum beim Eintritt in die Seel sorge mit; sie geben in gleicher Weise Zeugnis von seiner Belesenheit (er las immer mit dem Stifte in der Hand), seinem praktischen Sinn und seinem ftommen Herzen und schließen mit den 30
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