Wiener Diözesangeschichte 1960 - 1996

großen türkischen Heer belagert. Die ihrer kostbaren Behältnisse beraubten Reliquien wurden nun in ganz einfacher Weise verwahrt. Erst im Jahr 1702 ließ die medizinische Fakultät zwei neue, ganz gleiche Kästen aus edlem Holz anfertigen, mit vier Fenstern aus Glas und dicht aufgelegtem Silber, sowie obenauf mit je einer Figur eines Engels und des betreffenden Heiligen, gleich falls aus purem Silber.'® Aber auch dieser Schmuck mußte zur Zeit der Franzosenkriege, in den Jahren zwi schen 1793 und 1810, wieder zur Dekkung der Kriegskosten geopfert werden. Noch im Jahr 1528 hatten in Wien die königlichen Würdenträger und das ganze Volk am Tag der Heiligen Kosmas und Damian die Erfolge Kaiser Karls V. über die Franzosen lebhaft gefeiert, und die medizinische Fakultät deshalb das Fest ihrer Schutzpatrone in der Kirche der Dominikaner begangen. Für das darauffolgende Jahr, als der Tag der beiden Märtyrer in die Zeit der Belagerimg Wiens durch die Türken fiel, ent halten die Aufzeichnungen des Dekans nichts von einer Feier, wohl aber in bewegten Worten eine Schilderung der kriegerischen Ereignisse dieser schwe ren Zeit." Doch schon 1530 wurde der Festtag wieder in der herkömmlichen Weise gefeiert: durch Gottesdienste für die verstorbenen Angehörigen der Fa kultät, durch das Hochamt in der Ste phanskirche mit der Lobrede zu Ehren der Heiligen und mit der Reliquienpro zession - noch eine Nachricht von 1722 sagt darüber, daß „die zwei Häupter unter Trompeten- und Paukenschall herumgetragen" wurden.'^ Üblich war es nun auch wieder,daß der Dekan nach der kirchlichen Feier die Teilnehmer namens der Fakultät mit Erfrischungen bewirtete. In den Akten der Fakultät wird in den meisten Jahren die Feier wenigstens kurz erwähnt. Manchmal erscheinen bloß die Kosten dafür ver zeichnet, sei es in einer einzigen Summe oder als Aufzählung jener Beträge, die an bestimmte Empfänger entrichtet wurden, wie an den Priester, an Diakon und Subdiakon, die die Reliquien in der Prozession trugen, an die beim Gottes dienst assistierenden Leviten, dann an den Chormeister, die Musiker und Sän ger und selbst an den Schreiber der Einladungen. Auch die Ausgaben für die Bewirtung sind manchmal im einzelnen vermerkt, wie für Wein und Süßwein, Backwerk und Marzipan. Zeitweilig muß die gewährte Kollation allzu auf wendig gewesen sein, denn 1689 er mahnte sogar der Rektor den Dekan zu größerer Sparsamkeit dabei.''' Gelegentlich wurde das Fest nicht am 27. September gefeiert, sondern auf einen anderen Tag verlegt, wie 1572, als es wegen der besonderen Witterungsver hältnisse in diesem Jahr gerade in die Zeit der Weinlese gefallen wäre, die in Wien stets ein bedeutendes Ereignis war. Auch in schlichterer Form mußte manchmal die Feier vor sich gehen, so im Jahr 1683, als die Türken Wien zum zweitenmal in seiner Geschichte, vom 14. Juli an, belagerten. Zwar konnte die Sudt am 12. September entsetzt wer den, doch hatte der für den Panegyrikus ausersehene Scholar, der wie die ande ren Studenten seit der Belagerung unter den Waffen stand, sich nicht darauf vorbereiten können; auch die gewohnte Bewirtung fand diesmal wegen der krie gerischen Zeiten nicht statt, die dafür bestimmten Mittel wurden frommen Zwecken gewidmet. Nachdem bereits wegen der Pest im Jahr 1679 die Feier gänzlich unterblieben war und man an ihrer Stelle vierundzwanzig heilige Mes sen für die an der Seuche Gestorbenen hatte lesen lassen, wurde während der letzten großen Pestepidemie, die Wien im Jahr 1713 heimsuchte,zwar die kirch liche Feier begangen,doch gab es wegen der Chirurgen und Bader, die die Pest kranken zu besuchen hatten, danach keine Bewirtung." Einmal trat sogar eine Unterbrechung für zweieinhalb Jahrzehnte ein. Als un ter der Regierung Kaiser Maximilians II. (1564-1576) der Protestantismus in Wien eine Blütezeit erlebte und an die achtzig Prozent der Bevölkerung mehr oder weniger lutherisch gesinnt gewesen sein dürften, unterließ die medizinische Fa kultät gänzlich die Feier ihrer Patrone, weü sich die meisten ihrer Mitglieder nicht mehr zum römisch-katholischen Glauben bekannten. Erst 1599 wurde im Zeichen der erstarkten Gegenreforma tion das altehrwürdige Fest wieder auf genommen und dann bis in die zweite Hälfte des 18. Jahrhunderts regelmäßig begangen.'® In den Acta facultatis ist oftmals der Namejenes Mediziners genannt,der den Panegyrikus während der Feier im Ste phansdom vortrug. Das geschieht mei stens mit einem Wort der Anerkennung, doch im Jahr 1601 lautete das Urteil des Dekans „oravit pessime".'® Als 1557 der erst wenige Wochen davor in die Fakul tät aufgenommene Bakkalaureus Mat thäus Cervus die Rede hielt, vermerken die Fakultätsakten, daß diese auch ge druckt worden sei, doch scheint dieser Druck verschollen zu sein." Dagegen konnte der Verfasser für die Jahre von 1660 bis 1758 bisher insgesamt sechzehn solcher Drucke in der Wiener Universi tätsbibliothek, in der Wiener Stadt- und Landesbibliothek,im Archiv des Wiener Schottenstifles und in der Bibliothek des Benediktinerstiftes Göttweig in Nieder österreich feststellen.'" Die Verfasser sind in der Regel Hörer oder Kandidaten der Medizin, nur dreimal sind es Ange hörige der Artistenfakultät, wie im Jahr 1730 ein „Eloquentiae candidatus". Nie mals erscheint darunter ein promovier ter Arzt, vor aUem auch kein einziger Geistlicher, sei es ein Weltpriester oder ein Ordensmann. Die Titel dieser Zeug nisse barocker Rhetorik lauten etwa auch „Geminus Medicinae Oculus SS. Cosmas et Damianus"(1660)oder „Fons Salutis seu Sancti Martyres et Medici Cosmas et Damianus" (1693). Das For mat der Drucke beträgt im 16. Jahrhun dert einheitlich 14 x 19 cm,im 18. Jahr hundert stets 18x28 cm, der Umfang schwankt zwischen acht und 16 Blät tern. Die meisten Exemplare aus dem 18. Jahrhundert enthalten einen Kupfer stich von Franz Dietel mit der Darstellimg der heiligen Brüder Kosmas und Damian bei ihrer ärztlichen Tätigkeit. Es ist dies eine vergrößerte Wiedergabe eines im Jahr 1703 von dem bekannten Wiener Stecher Johann Adam Schmut zer geschaffenen Andachtsbildchens, wie solche damals in der Kirche an die Teilnehmer an der Feier verteilt worden sind.'® Es wurde bereits erwähnt, daß auch die Wiener Apotheker von Anfang an bei der Verehrung der Heiligen Kosmas und Damian beteiligt waren und schon 1454 zu den Kosten für die Vergoldung des Reliquiars beigetragen haben. Das geschah auch 1702, als die Fakultät neue würdige Reliquienbehältnisse beschaffte. Zudem hatte bereits im Jahr 1655 der Besitzer der Apotheke „Zur goldenen Krone" der Fakultät ein Kapital von 500 Gulden überlassen, dessen Ertrag sie für die feierliche Gestaltung des Festes ihrer Schutzheiligen verwenden sollte.^® Die 1644 von Kaiser Ferdinand in. erlassene Apothekerordnung befahl in ihrem 36. und letzten Artikel den Wie ner Apothekern, sich auf Anmahnung des Dekans bei der Feier des Festes der heiligen Märtyrer Kosmas und Damian einzufinden, dabei den Rektor zu beglei ten und ohne erhebliche Verhinderung keinesfalls auszubleiben. Die erneuerte Apothekerordnung von 1666 bestimmte das gleiche. Wie sehr sich in Wien die Gesundheitsberufe zu ihren Schutzpa tronen bekannten, beweist nicht zuletzt auch die „Newe Apothecker-Ordnung der Statt Wienn" von 1689, indem ihr Titelkupfer über den Figuren von Hippokrates und Hermes die Büsten von Kosmas und Damian zeigt. Es ist dies ein wegen vieler Fehler in jener Arznei taxe, die im Jahr zuvor die medizinische Fakultät für die Wiener Apotheken ent worfen hatte, verbesserter und auch mit einem neuen Titelblatt versehener Neu druck, den die Apotheker auf ihre Ko sten veranstalteten. Wie ihre Vorgängerinnen von 1644 und 1666 verhielt sich auch die Apothe kerordnung von 1713, und noch im ,,Liber iuramentorum", der medizinischen Fakultät von 1756, wurde sowohl ein Inhaber wie ein Provisor einer Wiener Apotheke durch seinen Eid verpflichtet, am Fronleichnamstag wie am Fest der Heiligen Kosmas imd Damian,nunmehr den Dekan der medizinischen Fakultät von seiner Behausung abzuholen, zur Universität und dann zum Stephansdom zu begleiten. Nach einer Bemerkung in den Akten des Wiener Apothekergre miums von 1738 hatten sie dabei einen roten Mantel und einen Degen zu tra gen. Das galt der Überlieferung nach bis zum Jahr 1773.^' Während der letzten Regierungsjahre der österreichischen Herrscherin Maria Theresia (1740-1780) wurde unter dem Einfluß ihres Sohnes und Mitregenten Kaiser Joseph n. (1765 bzw. 1780-1790) im Geiste der Aufklärung das religiöse Leben in den habsburgischen Ländern manchen Beschränkungen unterwor fen.'''' So wurden 1771 viele Feiertage aufgehoben und 1773 Prozessionen au ßerhalb der Kirchen untersagt. Ein Uni versitätsdekret vom August 1777 über28

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