ebenfalls am Freitag auf. Auch Juliana will für andere Menschen gerne leiden und büßen. Zu beobachten bleibt ferner, daß auch Juliana äußerst wenig Nahrung zu sich nahm. Kalte Milch, ein wenig Brühe (Suppe), ein Schnittchen Korn- oder Weizenbrot oder etwas saftiges Obst bildeten Jahre hindurch ihre Nahrung. Sie vertrug keine Speisen, nahm sie aber aus Gehorsam gegen ihren Beicht vater auf dessen Drängen eine solche,so brach sie bald wieder. Während ihres Aufenthaltes in Schieinbach, vom 22. April bis 20. Juli 1950, schickte ihr der Pfarrer wöchentlich höchstens zwei mal eine Suppe oder Milch oder etliche Äpfel, das bildete ihre ganze Nahrung, und davon nahm sie wenig. Jedoch trank sie genug Wasser mit einigen Tropfen Wein oder Saft gemischt. Ge ring war ihr Schlafbedürfnis. Ich er wähnte schon den Zustrom der Neugie rigen. Julianas Namen wurde über die Grenzen des Landes hinaus genannt. Bei einer Landesversammlung der katholi schen Vereine der Diözese Linz sprach am 21. August 1850 zu Wels(Oberöster reich) der Kremsmünsterer Arzt Karl Mayrhofer „aus Anlaß der in den Tages blättern verlästerten .Blutschwitzerin' von Schieinbach", wie er selbst schreibt, über Stigmatisierung und Stigmatisierte (Druck der Rede im Verhandlungsbe richt über diese Versammlung, Seite 34-44). Mayerhofer besprach dann Mah lers Buch in der Wiener „Kirchenzei tung" von 1851, Nr.69, 72 und 73, und versuchte dort eine Erklärung der auf fallenden Erscheinungen. Selbstverständlich erfuhren auch die Zeitungsredaktionen von den Vorkomm nissen in Schieinbach; die meisten wit terten dahinter „Pfaffenspuk und Volks betrug". Auch den Amtskanzleien blieb Julianas Namen nicht fremd. Es sei hier gleich gesagt, daß die amtlichen Stellen (Bezirkshauptmannschaft Korneuburg, Statthalterei) auf Grund der ärztlichen Behauptungen nur von Betrug spra chen. Die Statthalterei ließ am 30.Juni 1850 Juliana durch eine Kommission der Bezirkshauptmannschaft untersuchen. Der Amtsarzt Dr. Knolz vermutete Herzwassersucht. Dabei kam es mit dem während der Untersuchung dazugekom menen Pfarrer von Schieinbach, der anscheinend den ihm unbekannten Arzt unsanft behandelte, zu einem Zusam menstoß, den Dr. Knolz dem Pfarrer sehr verübelte. Auf sein Verlangen be schwerte sich die Statthalterei beim Ordinariate über den Pfarrer, das die sem einen unverdient harten Verweis erteilte. Nach vergeblichen amtlichen Versuchen, von Julianas Mutter eine Einwilligung zur Abreise zu erhalten, und weil Juliana zunächst für die Reise nach Wien viel zu schwach war, weilte vom 18. bis 20. Juli 1850 abermals eine von der Statthalterei abgeordnete Kom mission in Schieinbach, die Juliana zu untersuchen und nach Wien zu bringen hatte, selbst wenn Militär dazu notwen dig sei. Kommissionsmitglieder waren Polizeikommissionär Anton Hineis, Dr. Karl Haller,Primararzt des Allgemeinen Krankenhauses und der Kreisarzt Dr. Bernt. Zunächst wurden über die Be obachtungen der Verwandten und des Kaplans Mahler Protokolle aufgenom men; die Kranke wurde dann ständig überwacht. Die Kommissionsmitglieder vermuteten,Juliana tue sich die Blutun gen mit einem feinen, spitzen Instru mente selber an. Davon brachten alle Gegengründe Mahlers die Herren nicht ab. Am Abend des 19. Juli behauptete der Kommissär dem Pfarrer zu Schiein bach gegenüber, die Kommission wäre nun über Juliana im Reinen. Es stecke bloßer Betrug dahinter, die Kranke habe einem Arzt gesagt, sie habe sich mit einer Nadel Stiche beigebracht und so die geheimnisvollen Blutungen zustan degebracht. Diese Verdächtigung ver breitete sich rasch im Ort - die Ärzte sagten das nämlich auch den Leuten - und brachte der Weiskircher unver diente, gemeine Beschimpfungen genug ein. Ein Schieinbacher, Michael Winds perger, fragte die Juliana ernstlich, ob sie einem der Ärzte einen Betrug einge standen hätte. Sie rief Gott zum Zeugen dafür an, daß das nicht geschehen war. „Ich könnte sowas auch gar nicht geste hen, denn es wäre nicht wahr." Und als die ganze Kommission mit mehreren Ortsbewohnern am 20. Juli um Juliana beisammen war, fragte ihr Schwager Stelzl sie öffentlich, ob sie einem Arzt den Betrug eingestanden. Sie wieder holte die gleiche Antwort wie dem Windsperger. Auf Befragen gaben nun beide Ärzte zu; „Zu mir hat sie nichts gesagt." Die Verwandten verlangten nun eindringlich ein Protokoll über diese Aussagen.. Alle Ausflüchte des Polizeikommissärs halfen ihm nichts. Er und die beiden Ärzte unterschrieben noch am 20. Juli 1850 in Schieinbach folgende Feststellung: „Wir Endesgefertigte Mitglieder der Kommission bestätigen den Anverwand ten und Angehörigen der kranken Ju liana Weiskircher, daß sie keinem von uns ein Geständnis abgelegt hat, daß sie sich die Stiche zum Bluten selbst beige bracht habe." Die Kranke wurde dann gegen ihren und der Verwandten Willen am 20. Juli noch nach Wien ins Allgemeine Kran kenhaus gebracht. Nach Schieinbach kam Ende Juli wieder ein Kommissär der Bezirkshauptmannschaft. Er sollte im Bette Julianas die geheime Maschine oder eine mechanische Vorrichtung ent decken, die die bei Ekstasen gehörten elektrischen Schläge verursacht haben sollte. Im noch erhaltenen Berichte ge steht dieser nichts davon, auch keine Merkmale für die Anbringung einer Vorrichtung gefunden zu haben. In Wien blieb Juliana unter strenger Aufsicht geschulter Krankenwärterin nen. Nur in deren Anwesenheit durfte sie Besuche empfangen.Im Spitale blie ben nun die Ekstasen und die Blutungen aus den Wundmalen aus, sie meldeten sich nur noch durch Anschwellen und Rötung der entsprechenden Hautstellen. Mahler. der an übernatürliche Einwir kung bei den Ekstasen und Wundmal blutungen nicht denkt, bringt(S III bU 159, namentlich S 153 bis 154) sehr be achtenswerte Gründe gegen einen über natürlichen Charakter dieser Erschei nungen vor. Jene, denen seine Erklä rungsgründe für seine Überzeugung nicht ausreichen, bitten wir um die Erklärung dafür, „wie es denn kommen konnte, daß diese vermeintlichen Wun der Gottes allmälig in Julianas Zustän den durch die natürlichen Gegenbemü hungen der Ärzte wenigstens zum Teile gewissermaßen überwunden worden seien?" Betrug hält er bei dem einfachen und braven Bauernmädchen für ausge schlossen, dem können wir ohneweiters beistimmen. Denn die amtlichen Be richte bringen für den Verdacht der Ärzte nicht den geringsten Beweis vor. Mit den Krankheitserscheinungen hän gen die Ekstasen und Blutungen nicht zusammen, sagten die Ärzte, also, schlössen sie wohl, könne da nur Betrug dahinterstecken. Die Statthalterei ließ durch die Staats anwaltschaft und Generalprokuratur eine genaue gerichtliche Untersuchung ins Werk setzen, die aber kein auf einen Betrug deutendes Material ergab, wes halb nach langen Verhören Julianas, der Verwandten,des Schieinbacher Pfarrers und von Bewohnern aus Ulrichkirchen und Schieinbach die Untersuchung ein gestellt wurde. Das Wiener Ordinariat hat sich jeder Untersuchung und jedes Urteiles in der Sache enthalten. Juliana blieb bis B.Jänner 1851 im Krankenhaus,ihre Gesundheit war gefe stigter, wenn auch nicht ganz herge stellt. Sie durfte nicht gleich vom Spital weg nach Hause, sondern sie wohnte zunächst bei einer Tante in der Stift gasse. Besuche und Ausgang wurden dort vom Stadthauptmannschaftskommissariat Mariahilf genau überwacht.Im Juli 1851 begab sie sich dann wieder zu ihrer Schwester nach Schieinbach. Sie blieb das brave Mädchen von früher. Gesichte und Wundmale schienen an ihr nicht mehr aufgetreten zu sein. Wurz bachs Biographisches Lexikon schreibt von ihr, sie sei dann vergessen worden und 1862 gestorben. Mit dem Ganzvergessenwordensein scheint aber nicht zu stimmen, daß sie unter großer Anteil nahme einer unabsehbaren Menschen menge begraben wurde und daß viele die Blumen von ihrem Sarge als Anden ken mitnahmen. Anm.:Der Artikel erschien am 30.Ok tober 1927 in der Reichspost. Kraft war Direktor im Niederösterreichischen Landesarchiv.
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