Wiener Diözesangeschichte 1960 - 1996

Eine vergessene „Stigmatisierte" aus Niederösterreich. Juiiana Weiskircher 1824-1862 Dr.Josef Kraft Nicht selten wird gegenwärtig im Ge spräche und in Aufsätzen über die Er scheinungen an Therese Neumann ähn licher Vorkommnisse wie in Konners reuth gedacht. Dabei habe ich von Ju liana Weiskircher weder etwas gehört noch gelesen. Es soll hier daher von ihr die Rede sein, nicht weil sie Niederöster reicherin ist, sondern weil bei den an ihr beobachteten merkwürdigen Erschei nungen manches auffallend mit dem zusammenstimmt, was von Therese Neumann erzählt wird. Von Juliana Weiskircher, ihren Eksta sen und Stigmata berichtet ausführli cher der 1887 als Dechant und Pfarrer zu Pottenstein verstorbene Philipp Mahler in einem Büchlein: ,.Enthüllungen über die ekstatische Jungfrau Juliana Weis kircher aus Ulrichskirchen-Schieinbach. Eine ernste Sprachlehre für ihre Freunde und Feinde" (erschienen Wien 1851 bei Mayer & Co., 178 Seiten). Mah ler. geboren 1811 zu Brodek in Mähren, war zur Zeit, als Juiiana in Schieinbach Ekstasen und Visionen erlebte, in dem diesem Orte benachbarten Würnitz von 1844 bis 1856 Lokalkaplan. Wer Mahler in Erinnerung an den dem Vormärz angetanen Schimpfund Spott etwa auch als einen sogenannten Vormärz-Pfarrer anzusehen geneigt wäre, der nehme sein Büchlein zur Hand.Er wird merken und darüber staunen, wie er genau beobach tete, aufzeichnete, studierte und zu er klären sich bemühte. Juliana Weiskircher wurde am 3. Fe bruar 1824 (als Zwillingskind) zu Ul richskirchen (Viertel u. d. Manhartsberg) in Niederösterreich geboren. Die Angabe bei Wurzbach „geboren um 1836" ist falsch. Ihre Eltern, christliche Bauersleute, erzogen das Mädchen, ein fach und brav. Bis zu 12Jahren besuchte sie die Schule in Ulrichskirchen, in der sie eine sehr aufmerksame, fleißige und fromme Schülerin war. Herangewach sen, blieb sie heiter, aber still und zu rückgezogen. Für schwere Arbeit war sie zu schwächlich. Von Kindheit an öfters an Herzklopfen leidend und auch sonst kränkelnd, beschäftigte sie sich vorwiegend mit Sticken und Nähen. Doch kam sie auch mit Obst und der gleichen öfters nach Wien. Auf einem solchen Wege nach Wien schlürfte sie 1842 in Floridsdorf beim Trinken an einem Brunnen mit dem Wasser „eine dünne, schlüpfrige, lebenverratende Substanz" ein. Bald darauf überfielen sie große Übelkeiten und schwere Ohn mächten. Dazu traten heftige Schmer zen im Unterleibe auf. Kein Arzt konnte ihr helfen, auch ein Professor Klein aus Wien nicht. Nach einer Leidenszeit von zwei Jahren gab ihr eine Frau aus Wien ein Brechmittel. Darauf soll sie - nach ihrer und ihrer Schwester Angaben - einen,jedenfalls ganz kleinen, Salaman der erbrochen haben. Ihre Krankheit besserte sich nun, sie konnte wieder arbeiten,aber kränklich blieb sie immer. Ihre Nerven erwiesen sich als ungemein reizbar, namentlich bei Gewittern. All mählich wurde sie gelähmt und an das Bett gefesselt; das Nähen mußte sie aufgeben. Sie wurde dann eine eifrige Leserin (Katechismus, Evangelienbuch, Nachfolge Christi, Goflines Hauspostille, Pater Schmieds „nüchterne" Schriften, seltener größere Heiligenleben, biswei len auch religiöse Zeitschriften). Seit 1846 blieb sie ans Bett gefesselt. In ihrer langen Krankheit wurde sie von einer ganzen Reihe von mit Namen bekannten Ärzten untersucht und ohne Erfolg be handelt. Gegen Ende 1845 oder anfangs 1846 traten zum erstenmale Visionen ein; sie sah wach und bei hellem Tage auf einmal eine wunderliebliche Frau, die ihr Trost und Ermunterung zusprach. Erst später, nicht gleich von Anfang an. erkannte sie in der Trösterin die Mutter gottes. Diese Visionen wiederholten sich oft. Juliana sah ferner die armen Seelen im Fegefeuer, Bekannte und Unbe kannte; auch in die Hölle blickte sie. Bemerkenswert ist, daß diese Visionen nicht nur in der ruhigen Nacht, sondern auch am Tage und ganz plötzlich sich einstellten, selbst während des Spre chens mit anderen Personen. Seit 1848 verfiel sie in zu bestimmten Zeiten wiederkehrende Ekstasen; diese kamen an allen Samstagen, Punkt elf Uhr, auch an allen Marienfesttagen. Mahler hat 1849 und 1850 in Ulrichskir chen zweimal solche Ekstasen beobach tet, von denen er jene vom 16. März 1850 genau beschreibt. Seit der Advent zeit 1849 vervielfältigten sich die Eksta sen; Juliana, schaute dabei, meist nach den kirchlichen Festen, das Leben Jesu, am häufigsten das Altarsakrament. Ebenso kamen auch Fälle des soge nannten Hellsehens vor, häufig in voll kommen wachem Zustande und im Ge spräche mit ihrer Umgebung. Sie sagte Eintritt und Dauer außerordentlicher Ekstasen Tage und Wochen „bis in die kleinsten Details" genau voraus, ebenso ihr bevorstehende neue Krankheitsfor men. Einzelnen Personen offenbarte sie deren geheimste Worte und Dinge; sie wußte Besuche vorher, etwa solche aus Wien.So hat Mahler einmal einem Pfar rer über Juliana einen Brief geschrie ben. Obgleich sie den Brief weder gese hen noch seinen Inhalt erfahren hatte, so kannte sie dessen Inhalt dennoch, als Mahler sie einmal besuchte. Einmal (1850) arbeitete Mahler an einem Artikel für die Wiener „Kirchenzeitung" bis gegen '/i3 Uhr früh. Am nächsten Vor mittag besuchte er sie; da machte sie ihm sogleich Vorwürfe, weil er bis nach 2Uhr aufgeblieben und so seine Gesund heit schädige. Ja, das einfache Bauern mädchen tadelte den Artikel als ein bißchen scharf, obgleich ihr niemand vom Aufbleiben und vom Artikel etwas mitgeteilt hatte. Sie hörte, im Bette liegend, 1848, 1849 und 1850 in verschie denen Kirchen der Wiener Diözese ge haltene Predigten und konnte ihren Inhalt genau erzählen. Anfangs 1848 erzählte sie ihrem Beichtvater „im allge meinen", daß es in diesem Jahre schrecklich zugehen werde, und nach der Oktoberrevolution wußte sie im voraus, „daß es in Ungarn noch weit ärger als in Wien zugehen und viel Blut fließen werde." Die Schlachten und Kämpfe in Italien und Ungarn erlebte sie in ihrem ganzen Verlaufe gleichzeitig mit, ebenso Naturereignisse. Ihre Mittei lungen darüber stimmten mit den dann folgenden Zeitungsberichten ,.gemeinig lich ziemlich überein". Die Erzählungen von der hellsehen den Juliana Weiskircher waren ins Land gedrungen und führten viele Neugierige nach Ulrichskirchen. Um diesem An dränge zu entgehen, übersiedelte sie am 22. April 1850 nach Schieinbach (an der Ostbahn). Hier nahm sich der damalige Pfarrer von Schieinbach Johann Theyrer, aus Raabs in Niederösterreich ge bürtig, Pfarrer zu Schieinbach 1828 bis 1862 oder 1863, der Kranken liebevoll an. Die Zahl der Neugierigen war aber in Schieinbach nicht geringer als in Ul richskirchen, vorzugsweise an Feierta gen. AufJulianas Bitten um Abwehr der lästigen Besucher versuchte das zwar der Pfarrer, aber vergebens. Nur,daß er sich - nach seiner Angabe - den Namen eines Grobians zuzog. Am meisten Aufsehen erregten die allmählich immer stärker auftretenden Nachbildungen der Wundmale Christi an Julianas Körper. Solche hatten sich schon in Ulrichskirchen gezeigt. Am 14. Dezember 1849 hatte ihre rechte Hand zu bluten angefangen. Am 1. März 1950, am Feste der heiligen Dornen krone Christi, folgte die Blutung aus mehreren Punkten ihrer Stirne. In der Fastenzeit zeigten sich Blutungen an Händen und Füßen, die am Karfreitag besonders stark auftraten. Mahler beob achtete an den Händen eine Hautge schwulst, „aus welcher in späteren Frei tagen anfänglich nur einige wenige Tropfen Blutes hervorbrachen, bis dann die Blutungen von einer Woche zur anderen immer reichlicher zu werden schienen", mitunter aber doch auch wie der schwächer wurden.Das Miterleben des Todes Christi trat zuerst am 3. Mai 1850, am Feste Kreuzerfindung, ein und er folgte dann an jedem Freitag. Mahler beschrieb eine Ekstase mit den Blutun gen der Wundmale, die er am 12. Juli 1850 mit anderen genannten Personen beobachtet und genau aufgeschrieben hat (Seite 68 bis 74). Wir merken, was von Juliana Weiskircher zu lesen ist. erinnert auffallend an Therese Neu mann.Juliana ist ein einfaches,frommes Mädchen, unterstellt ihre Leidensbereit schaft ganz dem Willen Gottes, folgt ihrem Pfarrer und Beichtvater. Die be ginnenden Visionen zeigen auch hier zuerst kein so deutliches Bild, daß Ju liana die Muttergottes gleich erkennt. Die Ekstasen im Leiden Christi treten

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