genheit wurde von der Bevölkerung zur Besichtigung benützt. Es waren zwei ausgedehnte Grüfte zu sehen, welche über 100 Leichen enthalten. Aus den schwer leserlichen Inschriften wurde bisher festgestellt, daß hier der 1772 verstorbene 1. Marktrichter des freien Marktes namens Lengfeld und der Propst de Finetti, welcher den Grund stein zum Thurm legte, begraben liegen. In der zweiten Gruft befinden sich Särge von Franziskanern, Kapuzinern und Weitgeistlichen. Interessant ist, daß auch ein unter den Särgen gut versteck tes Gemach aufgedeckt wurde, welches aller Wahrscheinlichkeit nach als Ver steck für die Kostbarkeiten der Kirche in Kriegszeiten diente." Dieser Bericht hat bei Starzer, 8.311, eine Fußnote 2, die zu dieser Zeitungs notiz besagt: „Beide Grüfte wurden am 11.IV. 1902 unter Leitung des städti schen Buchhalters .Herrn Hans Hodik geöffnet." Der Zeitungsbericht enthält bedauerli cherweise vier irrige Darstellungen: I. Laut Sterbematrik der Pfarre sind 72 Leichen und nicht über 100 in beiden Grüften begraben; 2. Pfarrer Finetti ist am 6. III. 1802 in Linz als Generalvikar der Diözese Linz gestorben und dort begraben; In der Turmgruft wurde der am 9.IV. 1772 verstorbene Kooperator Bernhard de Finetti, wohl ein Verwand ter des Pfarrers Anton de Finetti, beige setzt; 3. Die Grundsteinlegung beim Turmbau 1722-1725 nahm der damalige Pfarrer Dr. jur. Johann Otschentschek (1705-1723) vor und nicht Pfarrer Anton de Finetti (176&-1784); der Bauherr des Kirchenschiffes (1776-1778) ist. - In wel cher Gruft der Marktrichter Lengfeld beigesetzt wurde, ist eine offene Frage. Wohl deutet die Inschrift seines Epi taphs an der hinteren Kirchenwand auf die Turmgruft,da sie in der nächsten Nähe der Turmgruft sich befindet. Es heißt: ,,...allhier in dieser Gruft ruhet." Eine Sargtafel aus der Turmgruft ist von ihm nicht vorhanden, wohl aber von seiner Frau Anna Katharina Lengfeld, gestorben 1779. Außerdem ist zu beden ken, daß die Beisetzung Lengfelds 1772 erfolgte, also noch in der alten Pfarrkir che, die 1776 beim Neubau der Kirche zur Gänze niedergerissen wurde. Das Epitaph Lengfeld muß demnach vor 1776 an anderer Stelle der alten Pfarr kirche, wohl in der Nähe der anderen Gruft, denn sie konnte ihren heutigen Platz erst nach 1778 erhalten haben. - 4.In der Turmgruft sind nachweislich 4 Weltpriester begraben, Ordensgeistliche wurden nicht beigesetzt. Die Öffnung der Turmgruft 1906 wurde bei der Renovierung der Pfarrkir che unter der Leitung des Architekten Baumeister Anton Knett vorgenommen; es wurde damals auch die Kirchen gruft geöffnet. Die Pfarrchronik aus 1906, fol 74 berichtet: „In die neue Gruft führen aus Ziegeln gebildete Stufen hinab. 8 Särge sind vorhanden; in einigen sieht man StolenÜberreste, also hier die Gruft der Pfarr geistlichkeit und des großen Wohltäters Josef Martin Roger. Die Gruft wurde mit dem Turm 1725 angelegt." Auf Grund der einschlägigen Unterla gen ist JosefHöger am 4.IX. 1780„in die Kirchengruften" bestattet worden; seine Frau Katharina ebenfalls am 24.IX. 1772. Für Josef Roger findet sich keine Angabe über eine Beisetzung in der Turmgruft, für seine Frau gibt das die vorhandene Sargtafel an. Demnach dürfte J. Röger in der Kirchengruft beigesetzt worden sein. - Die Bezeich nung ..Priestergrab" ist nicht anwend bar,.da neben den vier Priestern vier Laien in der Turmgruft liegen; für die Kirchengruft sind ebenfalls fünf Prie sterbestattungen aufgezeichnet. Die Öffnung der Turmgruft 1918 er folgte knapp nach Kriegsende. Bei der kurz andauernden Öffnung stellte man eingestürzte Erdschichten fest. Es er folgten keine Untersuchungen, keine Arbeiten. So lautet ein mündlicher Be richt nach den Überlieferungen nach dem damaligen Mesner Herrn J. Schwarz. Die Öffnung der Turmgruft 1984, 29. II. leitet H. Architekt Dipl.-Ing. Friedrich Kuchler, Stockerau; Stein metzmeister Adalbert Peter besorgte die notwendigen Arbeiten am Gruftdeckel. Die Turmgruft wurde am Montag,dem 2. IV. 1984, geschlossen. - Viele Interes senten besichtigten die offene Gruft und photographierten. - Das Bundesdenkmalamt photographierte ebenfalls die Gruft, verzichtete aber auf weitere For schungsarbeiten. Zum Thema Gruft sollen noch zwei interessante Aspekte erörtert werden; die Orufttaxe und Daten über die Be statteten. In den Kirchenrechnungen finden sich seit 1706 Eintragungen über die Ein nahme von „Gruftgeld" oder einer „Grufttaxe" verzeichnet. Die Gebühr betrug 20 Gulden für eine erwachsene Person, für ein Kind 6 Gulden.- Bei der Ratifierung der Kirchenrechnung 1765, 19. VII., wurde die Gebühr ,,für einen Todtenkörper in den Kruften zu legen die Tax zur Kirche auf 10 Gulden" reduziert. Der Totengräber erhielt über Be schluß bei der Kirchenrechnung 1738 zwei Gulden: „Totengräber wegen Steins von den Grüften 2 Gulden Tax, alle undjeder haben sollen." Von 1682-1706 wurde keine Taxe ein gehoben; ab 1785 wurden für die Lei chenbestattungen „sogenannte Funeralgelder" eingehoben; es gibt keine Gruft taxen mehr; es gibt nach den Reformen Kaiser Josefs II. keine Beisetzungen in den Grüften mehr. Welchem Stande gehören die beige setzten Toten an? In den beiden Grüften wurden Geistliche, Angehörige der an gesehenen bürgerlichen Familien, Per sönlichkeiten des öffentlichen Lebens (Marktrichter, Ratsmitglieder), Ange hörige des Adelsstandes, des Militärs bestattet. Eine Aufschlüsselung der Standeszugehörigkeit der Toten gibt einen Überblick: Pfarrer:4 Peis., Kooperatoren:3Pers., Marktrichter: 3 Pers., Innerer Rat: 1 Pers., Adelsstand: 11 Fers., Obristleutnant; 1 Pers., Hauptmann: 1 Pers., Pass. Verwalter: 1 Pers., Seifensieder J. Ro ger: 1 Pers., Landmann: 1 Pers., Farn. Eberl, Postmeister: 10 Pers., Fam. Dischendorfer (Kaufmann): 5 Pers., Fam. Lengfeld:3Pers., Fam.Schienner(Müll ner): 2 Pers., Fam. Deißbacher: 2 Pers., Fam. Holzer (Innerer Rat): 4 Pers., ohne Berufsangabe: 18 Personen. Die AUersstatistik besagt, daß 42 männliche und 30 weibliche Tote in den Grüften beigesetzt sind. Von diesen zäh len acht Kinder zum männlichen und ein Kind zum weiblichen Stande. Neben der Altersfrage der Turmgruft ist die Frage „Wer ist in der Turmgruft begraben? die am häufigsten gestellte Frage. In der Turmgruft wurden nachweis lich begraben: A) Laut Sterbematrik ,,in der Turm gruft bestattet": 1. Gerschlager Johann Adam. Ko operator: t 1737, 22. VI., 41 Jahre alt, Grufttaxe 20 Gulden. 2. Dischendorfer Leopoldus Henricus: t 1738, 9. IV., 19 Jahre alt; Sohn des Johann Anton Dischendorfer, Innerer Ratsen. B) Laut Sargtafeln. 3. Veith Jakob, Kooperator: t 17. V. 1765,48 Jahre alt, Sterbematrik VII105. 4. Capuano Aloysius, hochf. passauischer Konsistorialrat und Pfarrer allhier: + 1766, 8. VL, begraben am 10. VI. 1766, 66 Jahre alt; Grufttaxo 10 Gulden. 5. Hartmann Eva Barbara, geb. Winkler; Witwe: t 1766, 1. VIH., 71 Jahre; für sie erlegte H. L. Lengfeld 10 Gulden Grufttaxe. 6. Hauserin Maria Barbara, geb. Latur: + 1767, 7. IV., begraben 9.IV. 1767; 48 Jahre; geboren in Bragatitz, Böhmen; Gattin des Johann Franz Hauser, k.k. Wegmaut-Einnehmers. 7. Weismann v. Weißenstein, Maria Josefa, geb. von Böhm: t 27. XI. 1771, begraben 28. XI. 1771, 49 Jahre alt; geboren am 26. II. 1723; Gattin des Leo pold W., Obrist und Commandorus der k.k. Ökonomiekommission, Stockerau Nr. 1 = Ed.-Rösch-Str. = (Niembschhof); Grufttage = 10 Gulden. 8. de Finetti Bernhardinus, Koope rator; Reichsritter: t 8.IV. 1772, begra ben 10.IV. 1772; Stockerau Nr. 26 = Kirchenplatz3(PfarrhoO; 9. Dischendorfer Maria Theresia, geb. Arthaber: t 1775, 17. XII., 38 Jahre alt; Gattin des Leopold Dischendorfer, Nr. 178 = Hauptstr.22. 10. Lengfeldin Anna Katharina, Witwe: t 1779, 16. IV., 54 Jahre; Gruft taxe 10 Gulden; wohnhaft Stockerau Nr. 24 = Hauptstr. 17/19. Das Alter der Turmgruft hängt mit dem Bau des Kirchturms 1722-1725 zu sammen.In den Quellen des Turmbaues wird der Bau der Turmgruft nicht er wähnt. Demnach beträgt das Alter der Turmgruft rund 260 Jahre. Die letzte Bestattung in einer Gruft erfolgte am 2. VIII. 1784; es ist mit ihr sicherlich die Kirchengruft gemeint. Benützte Quellen. Chronik der Pfarre Stockerau. 6
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