der „Numerus fixus" auf lange Sicht ge sehen das Aussterben vieler Ordensniederiassungen bewirkte: In den achtziger und neunziger Jahren des 18. Jahrhun derts durften aufgrund der vorgeschrie benen Mitgliederhöchstzahl keine neuen Novizen aufgenommen werden.Dies be wirkte eine starke Verzerrung der Alters struktur der Konvente und verminderte deren Effizienzund Wirkungsmöglichkei ten.Diese Feststellung kann wohlaufalle Orden übertragen werden. Danach untersuchtRaberdieTrennung der steirischen Franziskanerkonvente von der österreichischen Provinzund de ren Auswirkungen.Ein großer Abschnitt ist dann der Aufhebung der Konvente in Stockerau, Klosterneuburg, Katzelsdorf, Grein, Pupping, Eggenburg, Neuleng bach,Hainburg und Ybbs gewidmet.Da bei bietet Raber jeweils knappe Notizen zur Geschichte der einzelnen Konvente biszuihrer Aufhebung,um dann ausführ lich über die schweren letzten Tage der einzelnen Ordenshäuser zu berichten. Außerdem ist jeweils auch eine Abbil dung des betreffenden Konvents aus der „Cosmographia Austriaco-Franciscana" zur Illustration beigegeben. An Hand zahlreicher und ausführlicher Zitate aus den Originalquellen läßt Raber das Ge schehen der damaligen Tage wieder le bendig werden und läßt so die Handeln den und Betroffenen selbst zu Wort kom men;so gewinntder Leser tiefe Einblicke in die Motivation der damals handelnden Personen. Überhaupt kann die Art und Weise,in der Raber archivalische Quellen gebraucht, zitiert und und auswertet, als vorbildlich bezeichnet werden; er setzt damit einen Maßstab, um den sich alle Werke zur Diözesangeschichte bemühen sollten. Raber zeigt auch, wie die Aufhebung zahlreicher Klöster, die Verwendung von Regulargeistlichen für die Pferrseelsqrge die Kehrseite derjosefinischen Ehrenme daille der Neuordnung der Pfarrseelsorge darstellen: Die Klöster mußten die „mate riellen,finanziellen und lebendigen Bau steine"für den Aufbau desneuen,dichten Pfarrnetzes in den österreichischen Erb ländern liefern. Nach 1790, als die große Klosteraufhe bungswelle vorüber war, sahen sich die wenigen verbliebenen Konvente mit Pro blemen konfrontiert, die, wie Raber ein drucksvollzeigt,ihr Bestehen nicht weni ger gefährdeten: Die Konvente waren überaltert, hatten mitschweren finanziel len Sorgen zu kämpfen, die Ordensdiszi plin war verfallen.ObwohlKaiser FranzI. (II.) den Franziskanern besonders gewo gen war, schienen nach 1820 auch die Konvente in Wien, St. Pölten, Maria En zersdorf und Maria Lanzendorf- dieses Kloster hatte durch die Franzoseninva sion des Jahres 1809 besonders zu leiden gehabt-zum Untergang verurteiltzusein. Buchstäblich in letzter Minute kam ihre Rettung: Im Jahr 1825 erklärte sich die Ungarische Franziskanerprovinz vom hl. Johannes Kapistran dazu bereit, diese Konvente zu übernehmen. Die inhaltsreiche Arbeit,die hier nur in ihren Grundzügen vorgestellt werden konnte,wird durch ein ausführliches Per sonen-und Ortsregisterergänzt; vorallem das Personenregister erschließt zahlrei che biographische Notizen und Nachrich ten. Aufjeden Fall ist es Raber, wie zu sammenfassend festzustellen ist, mit die sem Werk gelungen,eine wichtige Lücke der österreichischen Kirchengeschichte zu schließen. Dr.J. W. Historische Spekulationen zum Türkenjahr: Was wäre aus Wien geworden,wenn die Osmanen 1683 gesiegt hätten? Waswäre geschehen,wenn die Belagerung Wiensim Jahre 1683mitei nem Sieg derTürken,also mitder Eroberung derStadt,geendethätte? Der Vorstand des Instituts für Orientalistik der Wiener Universität und Turkologe Univ.-Prof.Dr.Andreas Tietze stellte diese Frage in ei nem öffentlichen Vortrag der Akademie der Wissenschaften. Er stellte sie, wie er selbst sagte, „viel leicht mitein wenigfrivoler Objektivität": Gegenüber den Gedanken und Vorstel lungen der Zeitgenossen fehlt dem Be trachter von heute das wesentliche Ele mentder Angst,während seine Kenntnis se,vor allem über den Gegner,wesentlich größer sind. Was also hätten die Osmanen mit dem eroberten Wien gemacht? Vom rein mili tärischen Standpunktausgesehen,hätten sie es-wie 1526 die ungarische Residenz stadtOfen-dem Erdboden gleichmachen und dann im Triumph mitdem Heer wie der abziehen können. Sie hätten das aber vermutlich nichtge tan,denn;„Dieses Becs,dieses Wien,war für die osmanische Öffentlichkeit mehr als nur eine strategische Sorge.Es wardie Kaiserstadt,dersagenumwobene goldene Apfel;seine Einnahme wäre gleichbedeu tend gewesen mit der Erstürmung Kon stantinopels 230 Jahre vorher." Die Tür ken hätten daher die Stadt besetzt und hier eine Garnison zurückgelassen-dem Kaiser wäre dann wohl erst nach Jahren eine Rückeroberunggelungen,Wien hätte eine dritte heroische Verteidigung erlebt, diesmal mit den Osmanen innerhalb und den Kaiserlichen außerhalb seiner Mau ern. Während dieser Zeit der osmanischen Besetzung wäre die Stadt, die durch die Kriegshandlungen weitgehend entvölkert worden wäre, neu besiedelt worden: mit türkischen Soldaten und Beamten sowie einer Mehrheit von Ungarn und Slawen, aber auch griechischen und jüdischen Händlern.Ob sich Österreicher wieder in die Stadt gewagt hätten,istfraglich- viel leicht nach einem Friedensschluß. Jedenfalls wäre die „türkische Zeit" nicht von langer Dauer gewesen;es hätte sich weder die Sprachgrenze nach Westen verschoben,moch wären die von den Os manen Angesiedelten hiergeblieben. Auch eine Missionstätigkeit der Besetzer in dem Bestreben, den Islam zu verbrei ten, hätte höchstens begrenzte Spuren hinterlassen: „Richtig ist", erklärte Pro- .fessor Tietze, „daß der Prophet die Aus breitung der Herrschc(ft desIslams gefor dert hat, aber ein Zwang zur Bekehrung war nur für die Heiden, nicht für die An gehörigen der anderen Heilsreligionen vorgesehen (und ist noch dazu auch auf die Heiden niemals angewendet wor den)." Und wiesähe Wien heuteaus,wenn 1683 die,Entscheidung anders gefallen wäre? Der Turkologe Tietze kommt zu einem überraschenden Schluß,wobei er von der Frage ausgeht, wie dieses Wien vor drei hundertJahren ausgesehen hat:einenoch vorwiegend gotische Stadt, wenn man von einigen wenigen frühbarocken Kir chen absieht, mit der großen romanisch gotischen Kathedralein der Mitte,mit vie len engen Gäßchen,dem Schloß und eini gen Plätzen,aufdenen Markt abgehalten wurde, umdrängt von schmalbrüstigen gotischen Giebelhäusern.Wasist von die sem gotischen Wien heute geblieben? Au ßer St.Stephan äußerst wenig. Die reichen Bauherren, die Stifte und die emporgekommenen böhmischen Adelsfamilien Hand in Hand mit den österreichischen und italienischen Archi tekten des Hochbarocks haben dafür ge sorgt,daß ein ganzneues Wienentstanden ist.„Mehrhätten auch die Osmanen sicher, nicht von dern gotischen Wien zerstört", formulierte Tietze. Und St.Stephan? Der Dom wäre während der osmanischen Be setzung als Moschee verwendet worden, aber zerstört hätte man ihn sicher nicht. Bei aller Verachtung gegen das Christen tum haben die Osmanen Ehrfurcht ein flößende christliche Großbauten, die Hauptkirchen der eroberten Städte, stets als ein zwingendessymbolischesZeugnis -und oft auch als eine praktische Anpas sung an eine veränderte Bevölkerungszu sammensetzung - in Moscheen verwan delt und so erhalten und vor der Zerstö rung bewahrt. Die Stephanskircbe als gotische Moschee Dies gilt keineswegs nur für die Hagia Sofia,deren Bauweise sich verhältnismä ßig leicht den Bedürfriissen des muslimi schen Gottesdienstes und der äußeren Er scheinung eines muslimischen Gottes hausesanpassen ließ.Eshätteauchfürdie Stephanskirche gegolten, wie es ja zum Beispiel auch für die Hauptkirche des 120 Jahre vorher eroberten Nikosia,eine Ka thedrale in feingliedriger französischer Gotik, gegolten hatte. Die Gotik störte nicht.Auch in einer gotischen Kathedrale kann man zu Allah beten. So hätte sich also im Anblick von Wien wahrscheinlich nicht viel geändert. Frei lich, wenn die Osmanen lang genug ge blieben wären, so hätten sie sicher auch eine Moscheein ihrem eigenen Stil erbaut, die, wenn sie die Wiedereroberung über dauert hätte,den Bau eines mohammeda14
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