folge Ihrer Studien durchaus in der Lage, das notwendige Wissen in kurzer Zeit nachzuholen.„Das einzige, was wir noch verhindern konnten, war: nicht in die Quarantäne gesteckt zu werden. Das Verhältnis zwischen den. Divi sionspfarrern,die im Laufe der Zeit ihren Dienst als Seelsorger versahen, und den Priestern als Sanitätssoldaten war im all gemeinen gut. Spannungen gab es dann, wenn sie sich nicht sosehr als Priester, sondern als Offiziere fühlten.So übergab eines Tages unser Divisionspfarrer (ein Württemberger) seinen Putz, der als Or denspriester einem oberösterreichischen Stift angehörte, dem Hauptfeldwebel zur Bestrafung, weil dieser dessen Sachen nicht in Ordnung hielt. Die Empörung über das Vorgehen eines Pfarrers einem Mitbruder gegenüber war schon deswe gen groß,weilder Spieß den katholischen Geistlichen und Theologen gegenüber nicht gar freundlich gesinnt war. Ich fühlte mich verpflichtet, den Pfarrer auf das Ungehörige seiner Maßnahme einem Priester gegenüber aufmerksam zu ma chen: Wir Ordensangehörige mußten um unseres Berufes willen oft die demütig sten Dinge über uns ergehen lassen und fänden nicht einmal Schutz dort, wo wir ihn erwarten sollten; bei unseren eigenen Mitbrüdern. Zu seiner Ehre sei dies ge sagt: Er hat dies eingesehen und hat in Zukunft keinen Priester mehr der weltli chen(Jewalt ausgeliefert.Uber dieses Ka pitel gäbe es noch manches zu berichten. Wie so oft im Leben fand man dort Hilfe, wo man es nicht erwartete und dort Be- ; drängnis, wo man,Schutz erhofft hatte. Unsere Kompaniechefs waren durch wegs Menschen mit hohem Einfühlungs vermögen.Wo es möglich war, wurde ich zu ihren persönlichen Arbeiten herange zogen.Ich mußte manchmalihre Vorträge vorbereiten, eine Desinfektionsordnung für allfällige Einsätze ausarbeiten.® In Kursk(Rußland) wurde ich von unserem damaligen Kompaniechef Dr. Hochapfel als Mitarbeiter bei der Formulierung psychiatrischer Gutachten bei Kriegsge richtsfallen herangezogen.® Es kam dabei oft nur auf das geeignete Wort an, um ei nen armen Kerl vor der Hinrichtung zu bewahren. Soviel dies in meiner damali gen Umwelt geschah,bemühte man sich, jeden Fall emsthaft zu prüfen. Einmal warteten die Gerichtsherren bis Mitter nacht auf den psychiatrischen Bescheid. Und man merkte es den Richtern beim Lesen an,daß ihnen ein Stein vom Herzen fiel, kein Todesurteil fällen zu müssen. AufGrund unseres Berufes pflegten wir eifrigen Kontakt mit den Geistlichen der Ostkirche. Wir wurden überall freundlich aufgenommen, vermieden alle Streitge spräche und waren vor allem gute Zuhö rer. So.hielt in Dragpdana(Rumänien)'® der orthodoxe Pfarrer die kalhoüsche Kirche für eine Sekte,dem aber sein jün gerer Mitarbeiter heftig widersprach. In Cirpan (Bulgarien) war man sich der ka tholischen Kirche gegenüber etwas un schlüssig. Die Griechisch-Orthodoxen und die Katholiken betrachtete man als Schismatiker, die Protestanten aber ein deutig als Häretiker.Dagegen fühlten sich die orthodoxen Kirchen Bulgariens, Ru mäniens und Jugoslawiens als zusam mengehörig." Die russischen Popen hat ten andere Probleme. Meist tief gedemü tigtin der Vergangenheit,fanden sie in ih rem Glauben an Christus Halt und Trost. Sie freuten sich innig,daß sie ausden Mu seen wieder ihre gottesdienstlichen Ge räte erhielten und wünschten allen Men schen Frieden untereinander und mit Gott In Kursk fiel uns auf,daß der Erhal tungszustand des katholischen Gottes hauses verhältnismäßigrechtgut war.Als Grund gaben die Leute an, man habe lange gezögert, katholische Kirchen zu schließen, weil man fürchtete, der Papst werde dann einen Kreuzzug gegen Riißland predigen.'^ Der Priester als einfacher Soldat oder Unteroffizier konnte selbstverständlich nur gelegentlich das hl. Meßopfer feiern. Meistim engen Kreisin einem Privatquar tier. Nurzu Weihnachten war es möglich, daß Offiziere und ein größerer Teil der Mannschaft am Gottesdienst teilnahmen. Bei einer solchen Gelegenheitfragte mich einmal kurz vor Beginn der hl. Messe ein Feldwebel, ob ich auch im Meßgewand militärische Ehrenbezeugung leisten müsse.'® Meine Lage als Priester wurde dadurch erleichtert, als mir die Katholiken von Falkenberg in Oberschlesien einen Meß koffer sandten.''' Die erste hl. Messe mit dieser Garnitur lasich für meinen Bruder, der wenige Tage zuvor gefallen war und den ich persönlich zur letzten Ruhe gebet tet hatte.'® Beider Feier der hl. Messe spielten sich manchmal ergreifende Episoden ab. In Krivoy Rog'* hatte ich mit zwei burgenländischen Theologen mein Quartier in einem kleinen Gassenlokal, dessen Schaufenster fast bis zum Boden reichte. Beim Morgengrauen,als die Straße noch menschenleer war,las ich eine hl. Messe. Als ich mich zum Dominus vobiscum umdrehte,standen einige Frauen vor der Auslage und weinten. Nach dem Gottes dienst begab ich michzuihnen,und da er zählten sie mir,sie hätten seit dem Jahre 1917 keiner hl. Messe mehr beigewohnt. Sie wären Polinnen und seien bei der Re volution hierher verschlagen worden. Seither hätte es in ihren Familien keine Taufen mehr gegeben,und sie baten mich flehentlich, diese jetzt bei ihren Kindern nachzuholen.Da es sich in diesem Fallum Kinder und Kindeskinder handelte und unsere Einheit außerdem den Marschbe fehl erhalten hatte, so nahm ich Verbin dung zum ungarischen Korpspfarrer auf, der mir versprach,den Wunsch der Leute zu erfüllen. Baten damals katholische Frauen um die Spendung der Taufe an ihren Angehö rigen,so taten es später auch russisch-or thodoxe Frauen."Da die Ortschaft front nahe lag, so glaubte ich wegen der Le bensgefahr, in der sich die Leute befan den,ihre Bitten erfüllen zu müssen. Die Mütter mußten ihren Kindern erklären, um was es bei der Taufe ging, und eine Dolmetscherin übersetzte meine Taufan sprache. Nach der Taufe stellte ich fürje des Kind eine Taufbestätigung auf der Rückseite eines Mariahilfbildchens in deutscher und lateinischer Sprache aus undfügte den Vermerk bei,falls späterein Pope auf diese Kinder treffe, so möge er sich ihrer annehmen. Eine der wichtigsten Tätigkeiten auf dem Hauptverbandplatz warfür den Prie ster dieSpendungdes Krankensakramen tes. Da man im Einsatz den befohlenen Sanitätsdienst und nicht den eines Wehrmachtspfarrers zu verrichten hatte, so mußte man mit viel Einfühlungsvermö gen vorgehen, um bei den vorgesetzten Dienststellen keinen Anstoß zu erregen. Als Leiter der Aufnahme hatte ich guten Kontakt zur Operationsmannschaft. Glaubte man, der Verwundete werde die Operation nicht überstehen,so nickte mir der zuständige Sanitätsdienst zu. Darauf hin betrat ich den Operationsraum mit ei nem Block Verwundetenzetteln in der ei nen Hand und mitdem Daumen der ande ren Hand im geöffneten Versehgefäß in der Rocktasche, stellte mich dicht zum Operationstisch und machte die Salbung auf der mir am nächsten gelegenen Stelle des Körpers.In solchen Fällen war natür lich nur eine bedingungsweise Spendung des Krankensakramentes möglich. Mit Erstaunen mußte ich feststellen,daß kein einziger von diesen auf dem Hauptver bandsplatz gestorben ist, sondern als transportfähig zu den rückwärtigen Sani tätseinheiten überwiesen werden konnte. Keine Schwierigkeiten hatte man zu erwarten, wenn es galt. Verstorbene ein zusegnen.Zu Beginn des Rußlandfeldzu ges waren damit sogar größere Feierlich keiten verbunden.Für die ersten (gefalle nen an der Demarkationslinie im Raum von Zolkiev war es sogar noch möglich, einfache Holzsärge anzufertigen. An der Einsegnung und Beerdigung nahm die polnische Zivilbevölkerung mit Kirchen fahnen teil.'® Später ging es prosaischer zu Dem Toten wurden alle Wertsachen und Dokumente abgenommen, die Er kennungsmarke am Hals halbiert- hatte er sie verloren, so wurden die Daten auf einem Zettelfestgehalten und in eine Fla sche gegeben,die mitWachsverschlossen wurde. Waren die Gräber ausgeschaufelt, dann wurde der Tote in eine Zeltplane gewickelt und in das Grab gelegt. Ich wurde verständigt, daß die Einsegnung nun erfolgen könne. Ich hielt dann eine kleine Ansprache,segnete die Gräber und forderte die Anwesenden zu einem ge meinsamen t^bet auf. Waren die Gräter zugeschüttet und die schlichten Holz kreuze,versehen mit den üblichen Daten, aufgestellt,dann machte ich vonihnenfür die Angehörigen Photoaufnahmen." Kriegsgefangenen Verwundeten wurde bei unserer Einheitin Rußland die gleiche Versorgung zuteil wie unseren eigenen Leuten. Zu Beginn des Krieges mußten die Rus sen beim Rückzug manchmal ihre Kran ken und Verwundeten zurücklassen.®® Die erste Begegnung mit diesen verlangte viel Taktgefühl, um eine Panik unter ih nen zu verhindern. Unvergeßlich bleibt mirderAugenblick,alsich beiDunkelheit mitderTascherüampealsersterdeutscher Soldat in den Raum hineinleuchtete, in demje zwei Verwundete in einem Bett la gen. Mit weitaufgerissenen und angster füllten Augen starrten sie mich an, was 37
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